Überschaubares Risiko, maximaler Ertrag

Von Norbert Pangerl
Wollen Breslau beben lassen: Titelverteidiger Witali Klitschko (l.) und Tomasz Adamek
© Getty

Als Vorgeschmack auf die im nächsten Jahr stattfindende Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine treffen am Samstag in der Breslauer EM-Arena zwei sportliche Aushängeschilder ihrer Nationen aufeinander. Der Kampf um die Schwergewichts-WM der WBC zwischen Witali Klitschko und Tomasz Adamek (Sa., 22.30 Uhr im LIVE-TICKER) verspricht Boxen der Extraklasse - und wird wohl doch enden wie erwartet.

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Ausverkauftes Haus in Breslau, Fernsehübertragungen in mehr als 120 Länder mit rund 500 Millionen Zuschauern, das erste Event dieser Art, das in Polen als Pay-Per-View zu sehen ist - der Schwergewichts-Fight zwischen Witali Klitschko und Tomasz Adamek schlug schon im Vorfeld hohe Wellen im Gastgeberland der Fußball-EM 2012.

"Dieser Kampf wird die Geschichte großer Sportveranstaltungen in Polen verändern", war sich auch Michael Brill, der General-Manager des Stadion Miejski, bei der abschließenden Pressekonferenz am vergangenen Montag sicher.

Eines ist also klar: finanziell wird sich der Kampf für beide Protagonisten auf alle Fälle lohnen. Die viel wichtigere Frage jedoch, ob die Zuschauer auch einen sportlichen Leckerbissen zu erwarten haben, lässt sich nicht so einfach beantworten.

Klitschko adelt den Herausforderer

Glaubt man Witali Klitschko, wird es ein Duell auf Augenhöhe geben. "Das wird einer der schwierigsten Kämpfe der vergangenen Jahre. Tomasz ist nach meinem Bruder und mir der derzeit beste Schwergewichtsboxer", adelte der 40-Jährige seinen um sechs Jahre jüngeren Kontrahenten.

Auch zahlreiche Experten sehen in Adamek einen würdigen Herausforderer um die WM-Krone in der Königsklasse des Boxens und für die polnischen Fans ist sowieso klar: der Lokalmatador wird in Breslau triumphieren.

Ohne Frage ist Goral - wie Adamek in seiner Heimat genannt wird - ein Ausnahmeboxer. Er war Weltmeister im Halbschwer- und im Cruisergewicht und lieferte sich legendäre Ringschlachten mit Paul Briggs, Chad Dawson oder Steve Cunningham.

In bisher 45 Kämpfen ging er nur einmal als Verlierer aus dem Ring. 2009 debütierte er mit einem K.o.-Sieg im polnischen Showdown gegen Andrzej Golota erfolgreich im Schwergewicht.

Adamek geht den "Haye-Weg"

Dem Erfolg gegen Golota hat Adamek mittlerweile fünf weitere folgen lassen. Unter seinen "Opfern" waren dabei prominente Namen wie Chris Arreola oder der 2-Meter-Riese Michael Grant. In seinem letzten Fight stand er im April in seiner Wahlheimat New Jersey gegen den Iren Kevin McBride im Ring, der einst Mike Tysons Karriere beendete. Nicht erst seitdem ist er in Polen ein Superstar.

Mit Beharrlichkeit hat sich der zweifache Familienvater nach oben gearbeitet. Erst in den Ranglisten der Boxverbände, dann in den Gewichtsklassen. Jetzt geht es gegen einen der derzeit übermächtig erscheinenden Klitschko-Brüder. Klar, dass sofort Parallelen zu David Haye gezogen werden, der Adamek vergangenes Jahr als "einzig interessanten Boxer im Schwergewicht" bezeichnete.

Rosenkranz vor dem Kampf

Im Gegensatz zum Lautsprecher aus London verzichtete der gläubige Katholik nach Vertragsunterzeichnung mit Klitschko aber auf das große Ballyhoo. Martialische Töne sind nicht sein Metier. Vielmehr betet er vor seinen Kämpfen häufig den Rosenkranz und bittet Gott damit um Unterstützung, Kraft und Stärke.

Die wird er auch brauchen, wenn er gegen den älteren Klitschko im Ring bestehen will. Was für Haye gegen Wladimir galt, trifft nämlich in noch stärkerem Maße auch auf Adamek gegen Witali zu: mit nur 1,87 Meter, einer Reichweite von 1,91 Meter und etwa 100 Kilo, ist er dem Ukrainer körperlich haushoch unterlegen. Die Frage die sich stellt: kann er dem Weltmeister trotzdem gefährlich werden?

Harte Vorbereitung, top Motivation

Für den Polen spricht sicherlich seine Vorbereitung. Zwölf Wochen hat er sich in Ruhe gemeinsam mit Coach Roger Bloodworth akribisch auf das Highlight seiner Karriere vorbereitet, während Witali Klitschko sein Training zweimal unterbrechen musste. Der Tod seines Vaters und die politische Situation in seiner Heimat, wo Klitschko im Stadtparlament von Kiew sitzt, zwangen ihn zu einer Abreise aus dem Camp in Österreich. Das werde zwar laut Witali keine Rolle spielen, dennoch bleibt ein Fragezeichen.

Dass Adamek topmotiviert in das Duell vor heimischer Kulisse geht, versteht sich von selbst. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Shannon Briggs oder Kevin Johnson hat er sich diese einmalige Chance durch seine Leistungen auch wirklich verdient. Er ist noch keinem Gegner aus dem Weg gegangen und steht zurecht ganz oben in den Rankings. Zudem wird der Großteil der 42.000 Zuschauer im Stadion den sympathischen 34-Jährigen nach vorne peitschen.

Mit welcher Taktik geht Adamek an den Start?

Spannend wird sein, mit welcher Taktik Adamek und Bloodworth an den Start gehen werden. Als körperlich unterlegener Mann könnte man vermuten, dass Adamek sich klein macht, um ähnlich wie Haye seinen Gegenüber mit schnellen Attacken in Bedrängnis zu bringen. Gegen die Hünen Grant und McBride war davon jedoch nichts zu sehen. Wie zuvor in den unteren Gewichtsklassen marschierte er aufrecht und im Vorwärtsgang in seine Gegner.

Genau das sind auch seine Stärken: nach vorne marschieren, Dampf machen und mit guten Kombinationen präzise treffen. Um das umzusetzen, muss er jedoch in die Nahdistanz. Gegen langsame und statische Gegner kein Problem, gegen den im Oberkörper beweglichen und mit Reichweitenvorteilen ausgestatteten Klitschko aber ein schwieriges Unterfangen.

Gegen Michael Grant mit Problemen

Dass Adamek ein hervorragender Boxer ist, braucht man nicht extra zu betonen. Bisher wusste er aber gegen größere Kontrahenten nicht zu überzeugen. Selbst gegen Michael Grant, der mit 39 Jahren nicht mehr als große Offenbarung gilt, hatte Adamek teilweise Probleme.

Zudem ist er insgesamt einen Tick zu langsam und sein Punch ist für das Schwergewicht zu schwach. Schon im Halbschwer- und im Cruisergewicht musste er mit den besten Gegnern über die Runden, bei den "schweren Jungs" ist das nicht anders. Was ihm gegen einen Ring-Fuchs wie Witali Klitschko auch zum Verhängnis werden könnte, ist, dass er in der Defensive relativ offen ist und oftmals recht unbeweglich agiert.

Für Skandal-Promoter Ahmet Öner jedenfalls gibt es keine zwei Meinungen. "Adamek ist und bleibt ein Halbschwer- oder maximal Cruisergewichtler. Er hat nicht die körperlichen Mittel, um Witali zu beeindrucken. Natürlich redet Witali seinen Gegner wieder stark. Ist es nicht erstaunlich, dass er seit seinem Comeback laut eigener Aussage in jedem Kampf gegen den 'stärksten Herausforderer der Welt' gekämpft hat? Das ist doch lächerlich. Der Kampf birgt für mich überhaupt keine Spannung", stichelte der Arena-Boss, dessen Schützling Odlanier Solis sich zuletzt schon nach einer Runde gegen Klitschko verabschiedet hatte.

Klarer Vorteil für Klitschko

Die Vorteile liegen also in diesem Kampf - wie in den meisten zuvor - auf Seiten von Witali Klitschko. Anders als in den Mismatches gegen Briggs, Sosnowski oder Johnson können sich die Fightfans diesmal aber wohl auf einen unterhaltsamen Schlagabtausch freuen. Adamek wird versuchen "seinem Publikum" eine ordentliche Show zu bieten. Dass er das kann, hat er vielfach bewiesen.

Den Kampf gewinnen wird er aber vermutlich nicht. Klitschko wird seine physischen Vorteile ausspielen und keine größeren Probleme haben, die Offensivaktionen Adameks mit seiner Beinarbeit und seinem Oberkörper zu unterbinden. Er wird das Tempo vorgeben, mit der Führhand dominieren und Goral Adamek bei Bedarf auskontern. Das Risiko für ihn hält sich also in Grenzen. Oder?

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