"Ali hat mich berühmt gemacht"

Bastian Strobl
21. Mai 201413:19
Don King (r.) und Muhammad Ali haben eine lange gemeinsame Vergangenheitgetty
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Goldketten. Starkstromfrisur. Und ein breites Grinsen. So ging Don King in die Geschichte des Boxens ein. SPOX traf den legendären Promoter und sprach mit dem mittlerweile 82-Jährigen über den Rumble in the Jungle, Mike Tysons Probleme und seine Kindheit im Ghetto von Cleveland.

SPOX: Don King, kein anderer Promoter hat die Boxwelt in den letzten Jahrzehnten geprägt wie Sie. Wie hat sich das Geschäft im Laufe der Jahre verändert?

Don King: Das Boxen hat sich natürlich weiterentwickelt. Das Interesse ist größer geworden, die Kampfbörsen sind in die Höhe geschossen. Und viele Menschen wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Viel wichtiger ist aber, welche Rolle das Boxen für andere Sportarten gespielt hat.

SPOX: Nämlich?

King: Das Boxen hat die Tür für viele farbige Athleten in Sportarten geöffnet, die diesen Leuten lange Zeit nicht zugänglich waren. Für mich hat das Boxen neben dem Fußball den größten Anteil daran. Ich denke immer an den großen Nelson Mandela, der es geschafft hat, weiße und farbige Menschen zusammenzuführen. Der Sport im Allgemeinen und vor allem das Boxen hält diese Verbindung intakt.

SPOX: Nicht wenige sagen, dass das Boxen in den 70er und 80er Jahren seine Glanzzeit erlebt hat, mit großen Namen wie Muhammad Ali, George Foreman oder Sugar Ray Leonard. Vermissen Sie die gute, alte Zeit?

King: Wissen Sie, was das Beste an der guten, alten Zeit ist? Dass sie vorbei ist. Man darf nicht immer in der Vergangenheit leben. Ansonsten kann es passieren, dass man die Welt auf einmal aus seinem Grab betrachtet. Es geht darum, neue Sachen zu kreieren und ein Visionär zu sein. Nicht nur im Boxsport, sondern in allen Bereichen des Lebens.

SPOX: Genauso wie Sie einst mit dem Rumble in the Jungle?

King: Ich war meiner Zeit voraus. Der Rumble in the Jungle ist bis heute der größte Kampf, den ich jemals promotet habe. Das Interessante dabei: Ich hatte auch gar keine andere Möglichkeit, als den Fight in Zaire zu veranstalten. Niemand kannte mich zu dieser Zeit, ich wurde ausgelacht, als ich erzählte, dass ich Ali und Foreman unter Vertrag nehmen wolle. Mal abgesehen davon, dass ich als Farbiger in den USA sowieso nicht respektiert wurde. Also bin ich nach Afrika gegangen. Ausgerechnet auf den Kontinent, der auch heutzutage noch von der gesamten Weltbevölkerung ausgenutzt wird, obwohl wir auf die natürlichen Ressourcen in Afrika angewiesen sind. Das Risiko hat sich allerdings ausgezahlt. Ohne den ungewöhnlichen Austragungsort wäre der Kampf vielleicht gar nicht unsterblich geworden.

SPOX: Muhammad Ali gewann den Rumble in the Jungle gegen George Foreman. War er der beste Boxer aller Zeiten?

King: Ohne Zweifel, Muhammad war der Größte. Man darf gar nicht daran denken, wie gut Ali geworden wäre, wenn er nicht ins Exil hätte gehen müssen. Er hat auf dem Zenit seiner Karriere vier Jahre einfach so verloren. Ich sage immer: Every head must bow, every knee must bend, every tongue must confess, thou art the greatest, the greatest of all time, Muhammad, Muhammad Ali. Ich habe ihm viel zu verdanken, er hat mich berühmt gemacht.

SPOX: Was hat Ali ausgemacht?

King: Das Besondere an Ali war, dass er über den Tellerrand hinausblicken konnte. Er hat den Sport benutzt, um die mediale Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken. Hätte Ali dies ohne den Titel versucht, wäre er nur der nächste kleine Unruhestifter gewesen. Als Weltmeister wurde er aber zu einem globalen Symbol für die Freiheit.

SPOX: Dieses weltweite Standing fehlt den Klitschkos, trotz ihrer langjährigen Dominanz. Woran liegt das?

SPOX-Reporter Bastian Strobl (l.) traf Don King zum Interviewspox

King: Der kompletten Schwergewichts-Szene und damit auch den Klitschkos fehlt es an Leben. Man kann nicht mitfiebern wie mit den Champions von früher. Niemand würde heutzutage mitten in der Nacht für einen Klitschko-Kampf aufstehen. Wahrscheinlich weiß nicht mal jemand, wann sie das nächste Mal kämpfen. Alles wirkt kühl und abgeklärt. Das Entertainment ist verloren gegangen.

SPOX: Ali war der Größte. War Mike Tyson seinerseits vielleicht der dominanteste Schwergewichtsboxer aller Zeiten?

King: Für mich schon. Er war wie ein Gladiator im alten Rom. Sein Motto: Search and destroy - finden und zerstören. Er hätte nicht mal Schuhe oder Socken gebraucht, Tyson war einfach eine Maschine im Ring. Die meisten Leute kommen zu den Kämpfen, um diesen einen großen Punch zu sehen, und genau das konnte er ihnen bieten.

SPOX: Nach Tysons Haftstrafe blieb davon allerdings nicht mehr viel übrig. Ist der alte Tyson hinter Gittern gestorben?

King: Jeder von uns hat seine Probleme. Der eine mehr, der andere weniger. Tysons Problem war, dass er nicht den Weitblick hatte wie Ali.

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Seite 2: Don King über Geld und seine Kindheit

SPOX: Tyson war nur einer von vielen Boxern, die Sie nach der Zusammenarbeit in Misskredit brachten. Nicht selten ging es sogar vor Gericht, der Streitpunkt war meistens finanzieller Natur.

King: Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Aber ich werde kein schlechtes Wort über Tyson oder sonst irgendjemanden verlieren. Es wird viel geschrieben und geredet, doch die meisten Leute verstehen es nicht. Es ist doch so: Wenn Mike Tyson etwas Positives über Don King sagen würde, interessiert das niemanden. Niemand schert sich darum, wenn ein Farbiger einen anderen Farbigen lobt. Das sind immer noch die Spätfolgen der Sklaverei und beweist, dass wir auch im 21. Jahrhundert ein Problem mit Rassismus haben.

SPOX: Und wenn Tyson etwas Negatives über Sie sagt?

King: Dann kassiert er Geld dafür, weil es eine Schlagzeile ist. Das ist vergleichbar mit einem Hund, dem ich ein Kunststück beibringe und das Tier dafür einen Keks bekommt. Glauben Sie mir nur Eines: Ich liebe Tyson und habe viel Kohle mit ihm gemacht. Aber er hat auch von mir profitiert. Er musste jedoch wie viele andere auch lernen, dass man sich Intelligenz nicht kaufen kann. Kein Reichtum auf dieser Welt kann dir eine gute Bildung ersetzen. Das haben einige meiner Boxer nicht verstanden. SPOX

SPOX: Trotzdem werden Sie häufig als Mensch dargestellt, der über Leichen geht.

King: Aber warum? Weil ich mich nicht von meinem Weg abbringen lasse? Das ist mein gutes Recht. Wenn ich einen Vertrag mit einem Boxer habe, will ich meinen Anteil bekommen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich gierig bin. Leider wird das aber so dargestellt, weil sie es nicht gewohnt sind, dass ein Farbiger aus dem Ghetto erfolgreich ist. Jeder wollte mich zerstören, selbst das FBI oder die CIA haben es versucht. Aber wenn ich wirklich so viel falsch gemacht hätte, wäre ich nicht auf freiem Fuß. Das ganze ist einfach Bullshit.

SPOX: Sie haben Ihre Kindheit in einem Ghetto von Cleveland angesprochen. Schon damals waren Sie als kleiner Geschäftsmann mit ihrem Bruder unterwegs. Worum ging es damals?

King: Das war das sogenannte Numbers Game. Ich war in den Straßen unterwegs und habe die Leute zu Wetten überredet. Sie mussten drei Zahlen für einen Dollar sagen, mit denen sie gewinnen konnten. Am nächsten Tag erschien dann in einer Zeitung eine gewisse Kombination, der über den Sieger entschied. Zum Glück hatte ich ein sehr gutes Gedächtnis und konnte mir die Zahlen und Gesichter merken.

SPOX: Die Chancen auf den Jackpot klingen relativ gering.

King: Es war eine Lotterie. Aber eine Lotterie, die nur auf den ersten Blick um Geld ging. Eigentlich stand die Hoffnung auf ein besseres Leben im Vordergrund. Um der Armut zu entkommen, versucht man eben alles.

SPOX: Auch Sie standen vor einer hoffnungslosen Situation, als Sie 1966 wegen Totschlags eine Haftstrafe absitzen mussten. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

King: Ich wurde im Gefängnis quasi neugeboren. Ein Bibel-Vers hat mir dabei geholfen. Johannes 9,25: "Ich war blind, und nun bin ich sehend". Um die Zeit erträglich zu gestalten, habe ich zudem viel gelesen. Shakespeare, Goethe, Churchill - ich habe sie mir alle vorgenommen und gelernt, dass man die Zeit nutzen muss, die einem gegeben wird.

SPOX: Und daraus entwickelte sich die Figur, die Sie heute spielen?

King: Nein, um Gottes Willen. Ich spiele keine Figur, der Don King, den die Öffentlichkeit kennt, ist real - und einzigartig.

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