Vor rund 3800 Zuschauern in der Schweriner Sport- und Kongresshalle übernahm Brähmer, der seinen zwölften WM- oder EM-Kampf bestritt, von Anfang an das Kommando, ohne wirklich zu glänzen. Das reichte allerdings für einen klaren Punkterfolg locker aus, da Bolonti bis auf eine kleine stärkere Phase in der fünften Runde kaum Akzente in der Offensive setzen konnte.
Der Argentinier, der zum ersten Mal bei einem WM-Fight im Ring stand, wurde seinem Spitznamen "La Bestia" zu keiner Zeit gerecht und verlor damit auch seinen zweiten Kampf außerhalb seines Heimatlandes.
Für Brähmer und Sauerland steht nach der erfolgreichen freiwilligen Titelverteidigung nun erst mal die Sommerpause auf Grund der Fußball-WM in Brasilien an. Und danach? Zuletzt wurde immer wieder mit einem möglichen Vereinigungskampf gegen Bernard Hopkins geliebäugelt. Ein Duell mit der Box-Legende wäre wohl der Höhepunkt in Brähmers Karriere.
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Reaktionen:
Jürgen Brähmer: "Wir haben die Marschroute komplett durchgezogen. Wir wollten keine Gefahr aufkommen lassen, das haben wir geschafft. Er ist ein harter Gegner und war schwer zu treffen, weil er häufig nach hinten wegging."
...über die letzte Runde: "Ich habe es noch mal ein bisschen spannend gemacht und das Publikum wachgerüttelt. Aber wir wollen die Kirche im Dorf lassen. Es gab nie ein Risiko."
Roberto Feliciano Bolonti: "Brähmer hat viel mehr Erfahrung als ich, das hat man heute gesehen. Er ist verdient Weltmeister. Ich habe erst am Ende einige gute Aktionen gehabt."
Kalle Sauerland (Promoter): "Jürgen wird von Kampf zu Kampf besser. Er ist selbstbewusst im Ring und kennt mittlerweile seine Stärken und Schwächen. Das sieht fast schon einfach aus."
...über ein Duell mit Bernard Hopkins: "Die Verhandlungen mit Hopkins haben schon vor dem heutigen Kampf begonnen. Man muss schließlich die Zukunft planen. Allerdings wurden sie kurzfristig abgebrochen, weil Richard Schaefer, der Geschäftsführer von Golden Boy Promotions, zurückgetreten ist. Man muss jetzt abwarten, wie sich das entwickelt. Hopkins bleibt aber unser Traumgegner. Wir sind zuversichtlich. Auch Golden Boy hat schon Interesse signalisiert. Ob der Kampf aber dann in den USA oder in Deutschland stattfindet, ist auch eine finanzielle Sache."
SPOX-Scoreboard | 1. Runde | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Score |
Jürgen Brähmer (GER) | 10 | 10 | 10 | 10 | 9 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 9 | 118 |
Roberto Feliciano Bolonti (ARG) | 9 | 10 | 9 | 9 | 10 | 9 | 9 | 8 | 9 | 9 | 9 | 10 | 110 |
Die Wertungen der Punktrichter:
Jean-Francois Toupin (FRA): 119-108
Jesus Morata Garcia (ESP): 119-108
Mikael Hook (SWE): 118-109
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Der Ringrichter: Erkki Meronen. Der erfahrene Finne, der als Boxer einst im Junior-Weltergewicht aktiv war, hatte mit dem Kampf keinerlei Probleme. Der Punktabzug für Bolonti auf Grund eines Kopfstoßes war hart, aber vertretbar.
Der Schlag des Kampfes: Brähmers Jab. Mit seiner Führhand konnte Brähmer am meisten Eindruck auf den Punktzetteln hinterlassen. Während die Linke kaum ihr Ziel fand, überzeugte vor allem der schnell geschlagene gerade Jab und stellte Bolonti vor Probleme.
Das fiel auf:
- Bolonti überließ erst mal dem Weltmeister das Feld. Untypisch für einen Südamerikaner, die normalerweise mit viel Heißblut die Offensive suchen. Auch Brähmer mit kontrollierter Offensive in den ersten beiden Runden inklusive einiger schneller Jabs.
- Wie immer, wenn ein Normalausleger auf einen Rechtsausleger trifft, mussten beide Boxer auf ihre Füße aufpassen, um nicht die Balance zu verlieren.
- Der Konterboxer Brähmer musste den Kampf machen, da sich der Herausforderer in den ersten Runden hinter seiner Deckung versteckte und zurückwich, sobald Gefahr drohte. Bei seinen wenigen Schlagversuchen fand Bolonti zudem nicht die richtige Distanz - und wurde sofort vom Weltmeister in dessen Spezialdisziplin getroffen.
- Erst ab Mitte des Kampfes wurde der ehemalige Gefängniswärter aus Buenos Aires aktiver. Die klareren Treffer landete trotzdem Brähmer, der häufig versuchte, Bolonti aus dessen defensiver Position herauszulocken, um von der dann offeneren Deckung zu profitieren. Auf dieses Spielchen ließ sich der Argentinier allerdings kaum ein.
- Bolonti hatte deutliche Vorteile in der Halbdistanz bzw. im In-Fight, weshalb er häufig bedacht war, die Distanz zu überbrücken. Brähmer agierte in diesen Momenten zu kopflos und packte die Brechstange aus, was Karsten Röwer in der Ecke auch monierte.
- Brähmer besann sich in der Folgezeit wieder auf seine Stärken und agierte aus der Distanz heraus. Bolonti, dessen Nase nach mehreren Treffern zu bluten begonnen hatte, fand darauf keine Antwort und klammerte. Zu allem Überfluss kassierte die Bestie in der achten Runde auch noch einen Punktabzug wegen eines Kopfstoßes.
- Brähmer konnte es sich sogar zeitweise leisten, die Deckung zu vernachlässigen, sich einige Verschnaufpausen zu nehmen und vor der zehnten Runde einen kleinen Gruß ins Publikum zu schicken. Bolonti präsentierte sich schlicht zu harmlos und nicht präzise genug.
- Mit dem Mute der Verzweiflung setzte Bolonti in der letzten Runde alles auf eine Karte. Die Folge: ein offener Schlagabtausch, bei dem beide Boxer Treffer kassierten. Am eindeutigen Sieg Brähmers änderte dies aber nichts mehr.