"Ich war immer ein bisschen speckig"

Bastian Strobl
07. Juni 201409:43
Tyron Zeuge (l.) und Jürgen Brähmer (r.) trainieren beide unter Karsten Röwergetty
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Die Gegenwart bei Sauerland lautet Arthur Abraham, Marco Huck und Jürgen Brähmer. Doch die Zukunft soll Tyron Zeuge gehören, der bei der Boxnacht am Samstag in Schwerin erneut in den Ring steigt (Sa., 23.10 Uhr im LIVE-TICKER). Die deutsche Nachwuchshoffnung über Druck, sein Vorbild Henry Maske und das Super-Mittelgewicht.

SPOX: Tyron, Sie gelten neben Enrico Kölling als die große Nachwuchshoffnung bei Sauerland. Lastet viel Druck auf Ihnen?

Tyron Zeuge: Es ist ein spezieller Druck. Eigentlich ist das Motto bei jedem Kampf: Verlieren verboten! Auch Jürgen Brähmer oder Arthur Abraham wollen als Weltmeister natürlich gewinnen und ihre Titel behalten. Aber für mich kann jede Niederlage fast tödlich sein, weil ich dadurch weit zurückgeworfen werden kann.

SPOX: Sie steigen in Schwerin zum vierten Mal in den letzten sieben Monaten in den Ring. Warum diese hohe Frequenz?

Zeuge: Das ist leicht zu beantworten. Ich bin noch am Anfang von meiner Karriere, es zählt momentan nur, so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln und in einem guten Rhythmus zu bleiben. Es ist ein harter Weg, aber um ganz nach oben zu kommen, muss man da durch. Es gibt im Boxen keinen Sechser im Lotto, um das Ganze abzukürzen.

SPOX: Das Duell mit Armand Cullhaj am Samstag ist also nur eine Zwischenstation?

Zeuge: Auf jeden Fall. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihn auf die leichte Schulter nehme.

SPOX: Trotz seines nicht gerade beeindruckenden Kampfrekords von 15 Siegen, 4 Niederlagen und 3 Unentschieden? Sie sind schließlich bislang in 13 Kämpfen ungeschlagen.

Zeuge: Das ist ja genau das Faszinierende im Boxen. Im Vorfeld kann viel geredet werden. Aber wenn man dann einen Lucky Punch kassiert und die Lichter ausgehen, ist man der Dumme. Das soll mir nicht passieren.

SPOX: Wie schwer ist es, geduldig zu bleiben und auf seine große Chance zu warten?

Zeuge: Das ist fast schon eine Grundvoraussetzung. Ich könnte mich jetzt auch vor jedes Mikro hinstellen und einen Weltmeister herausfordern. Allerdings müsste ich mich dann fragen, ob das wirklich sinnvoll ist. Wenn man sich zu früh zu viel vornimmt, kann man ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden.

SPOX: Das klingt ziemlich bodenständig für einen 22-Jährigen.

Zeuge: Das mag sein. Aber auch wenn ich immer zu Späßen aufgelegt bin, weiß ich, wann man sich auf das Wesentliche konzentrieren muss. Und zur Not gibt es ja immer noch mein Team, das mich auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

SPOX: Sie gehören zur Trainingsgruppe von Karsten Röwer. Auch Kölling und Jürgen Brähmer sind Teil dieser Mannschaft. Warum funktioniert das derzeit so gut?

Zeuge: Einen großen Anteil daran hat sicherlich Karsten Röwer. Er geht auf jeden Boxer perfekt ein. Außerdem bekommt er die Balance zwischen hartem Hund und Kumpel-Typ gut hin. Manchmal gibt's die Peitsche, manchmal das Zuckerbrot.

SPOX: Röwer hat Sie einmal als Bewegungstalent mit gutem Antizipationsvermögen beschrieben. Stimmen Sie ihm zu?

Zeuge: Nun ja, ich wäre kein guter Schützling, wenn ich meinem Trainer widersprechen würde (lacht). Aber es stimmt, ich bin schon stolz auf meine Beweglichkeit, nicht nur in den Beinen, sondern auch im Oberkörper.

SPOX: Mit welchem Boxer würden Sie sich vergleichen?

Zeuge: Ach, das ist nicht meine Art. Ich bin kein Fan von solchen Vergleichen. Am Ende taucht irgendwo auf, dass ich mich mit diesem Boxer auf einer Stufe sehe. Ich würde ganz gerne erleben, dass in einigen Jahren der Name Tyron Zeuge von sich aus bekannt ist.

SPOX: Mit Henry Maske haben Sie dennoch zumindest ein namhaftes Vorbild. Warum?

Zeuge: Das hat mehrere Gründe. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich durch seine Kämpfe in den 90er Jahren zum ersten Mal mit Boxen in Berührung gekommen. Ich weiß noch, wie ich zusammen mit meinem Vater auf der Couch gesessen bin und alte Maske-Fights auf Video angeschaut habe.

SPOX: Was hat Sie an Maske fasziniert?

Zeuge: Zum einen sicherlich das, was alle an ihm gemocht haben. Er war nun mal ein Gentleman im Ring und stand immer für fairen Sport. Ich kann es einfach nicht leiden, Grimassen zu schneiden und meinen Gegner mit Trash Talk zu beleidigen. Das hört sich in Deutschland sowieso immer ein wenig peinlich an, wenn man meint, alles, was in den USA gang und gäbe ist, eins zu eins übernehmen zu müssen. Außerdem bin ich mit meinem Gegenüber ja nicht bis in den Tod verfeindet. Manchmal sollten einige bedenken, dass es nur ein Sport ist. Deswegen habe ich nie ein Problem, meinem Gegner nach dem Kampf die Hand zu geben.

SPOX: Und boxerisch?

Zeuge: Maskes große Stärke war es, sich gut auf den jeweiligen Gegner einzustellen. Das können zwar viele, da spielt auch der Trainer eine Rolle. Aber er konnte auch innerhalb eines Kampfes die Taktik umstellen und sich neu ordnen.

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SPOX: Maske war im Halbschwergewicht unterwegs. Auch Sie boxten während Ihrer Amateurkarriere in dieser Gewichtsklasse und wurden sogar Deutscher Meister. Warum stiegen Sie als Profi ins Super-Mittelgewicht ab?

Zeuge: Ich war immer ein bisschen speckig in meiner Klasse (lacht). Aber im Ernst: Ich war ja nicht nur Deutscher Meister im Halbschwergewicht, sondern auch Europameister im Mittelgewicht. Es war gut, als Amateur verschiedene Klassen kennen zu lernen. Im Endeffekt habe ich mich erst als Super-Mittelgewichtler richtig spritzig und schnell gefühlt. Es war im Nachhinein auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

SPOX: Sie haben 140 Amateurkämpfe auf dem Buckel. Wie wichtig sind diese Erfahrungen heutzutage? Marco Huck ist beispielsweise Weltmeister geworden, hat aber eine überschaubare Amateurkarriere vorzuweisen.

Zeuge: Da gibt es kein allgemein gültiges Erfolgsrezept. Ich will diese Kämpfe allerdings nicht missen. Man lernt in dieser Zeit die Grundlagen, von denen man später profitiert. Ganz zu schweigen von meinen Reisen. Ich habe an Veranstaltungen in Polen, Baku und Ankara teilgenommen. Man reift dabei nicht nur als Boxer, sondern auch als Mensch. Es ist vielleicht ein wenig vergleichbar mit vielen jungen Leuten, die nach der Schule eine Weltreise machen. Ich habe das eben mit meiner Leidenschaft verbunden und bin auf diesem Weg selbstständiger geworden.

SPOX: Wie schwer fiel Ihnen die Umstellung auf das Profi-Boxen?

Zeuge: Der größte Unterschied ist die Anzahl der Runden. Man muss sich das so vorstellen: Als Amateur darf man nicht großartig abwartend agieren. Da ist drei Runden Vollgas angesagt. Bei den Profis läuft alles weniger hektisch ab. Man kann taktieren und versuchen, dem Gegner seinen Stil aufzudrücken. Und wenn man mal eine Runde verliert, ist es auch nicht so tragisch, weil man weiß, das noch viel Zeit ist, den Fight zu drehen.

SPOX: Gab es als Amateur Momente, in denen Sie genug vom Boxen hatten?

Zeuge: Nicht unbedingt genug, aber es ist ganz normal, dass man als Jugendlicher auch mal ein wenig Ablenkung braucht und anfängt, zu zweifeln, gerade nach Niederlagen. Aber man darf nicht aufgeben. Das hat mir mein Vater eingetrichtert und mich dadurch an meinen großen Traum erinnert. Ich wollte immer im Scheinwerferlicht stehen und live im Fernsehen boxen.

SPOX: Das haben Sie mittlerweile geschafft. Und wenn man Ihrem Promoter Kalle Sauerland glauben mag, liegt eine große Zukunft vor Ihnen. Zuletzt sprach er gar von einem Kampf gegen Robert Stieglitz. Interesse?

Zeuge: Klar, ich boxe gegen jeden, der mir vor die Fäuste kommt. Er ist ehemaliger Weltmeister, das wäre ein großer Schritt für meine Entwicklung. Ich könnte trotzdem ganz entspannt an die Sache rangehen, weil ich nichts zu verlieren hätte. Er wäre sicherlich mehr unter Zugzwang.

SPOX: Rein theoretisch gesprochen: Wie schätzen Sie Ihre Chancen gegen den konditionsstarken Stieglitz ein?

Zeuge: Er würde mir schon liegen. Ich habe es zuletzt immer geschafft, ganz ruhig zu boxen und auf meine Chancen zu warten. Und wenn Stieglitz nach vorne geht, würde er meine Konterattacken zu spüren bekommen.

SPOX: Stieglitz hat seinen Titel Anfang März gegen Abraham verloren. Wie weit ist eine WM-Chance für Sie noch entfernt?

Zeuge: Das ist das große Ziel. Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre. Gegen wen es dann geht, wäre mir egal, auch wenn ich schon ganz gerne mal in den USA boxen würde. Aber ein Schritt nach dem anderen. Ich brauche noch viel Ringerfahrung, bevor das auf den Tisch kommt.

SPOX: Kann man sich denn von den Weltmeistern wie Abraham, Carl Froch oder Andre Ward Sachen abschauen?

Zeuge: Bis zu einem gewissen Punkt ist das möglich. Aber man darf nie den Fehler machen, seinen eigenen Stil aus den Augen verlieren. Ansonsten landet man in einer Sackgasse. Bislang bin ich auch ganz gut damit gefahren.

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