SPOX: Wem ist das Training über die Jahre eigentlich einfacher gefallen: Ihrem Bruder Vitali oder Ihnen?
Klitschko: Ich würde sagen mir. Einfach aus dem Grund, dass Vitali schon damals oft in die Politik involviert war. Deswegen hatte ich es wohl etwas leichter, mich auf das Boxen zu konzentrieren.
SPOX: Sie hatten in Ihrer Karriere namhafte Trainer, unter anderem Fritz Sdunek. In einem Interview sagte Sdunek 2012: "Das Herz des Boxers schlägt auch in der Brust des Trainers." Können Sie diesen Satz erklären?
Klitschko: Man ist immer nur so gut, wie der Trainer ist. Das gilt nicht nur für den Sport. Ich bin mir sicher, dass es immer eine ganz enge und besondere Verbindung zwischen dem Trainierten, also dem Schüler, und dem Coach, dem Lehrer, gibt. Man wächst zusammen und entwickelt sich auf diese Weise weiter. Damit hat Fritz auf jeden Fall Recht gehabt.
SPOX: Nach Sdunek übernahm Emanuel Steward Ihr Training. Zusammen sollen Sie ab 2004 zahlreiche Videoanalysen gemacht haben. Wie hat Steward den Boxer Wladimir Klitschko verändert?
Klitschko: Ohne Emanuel Steward wäre ich nicht weiter gekommen, meine Entwicklung wäre eine ganz andere gewesen. Ich wäre nicht dort, wo ich heute bin.
SPOX: Was hat ihn besonders gemacht?
Klitschko: Er war nicht der Coach, der mir gesagt hat, wie ich trainieren soll. Das habe ich seit 2004 in die eigene Hand genommen, ich trainiere mich selbst. Aber die Tipps von außen, das analytische Denken, das kann nicht jeder. Emanuel konnte das, genauso wie heutzutage Johnathon Banks, mein heutiger Coach, der auch bei Steward gelernt hat. Ich bin Emanuel für alles sehr dankbar. Er hat das Fundament gelegt, das ich noch heute nutze. Auf dem ich noch heute stehe, und zwar ziemlich stabil.
SPOX: Sie haben Johnathon Banks angesprochen. Nach Stewards Tod übernahm er die Trainerrolle. Trotz seiner erst 32 Jahre sollen Sie vor allem seine Art schätzen, wie er über Boxen redet und denkt. Wie lautet denn Banks' Box-Lehre?
Klitschko: Unsere Verbindung ist interessant, denn meistens ist der Lehrer älter als der Schüler. Bei uns ist das andersherum, er ist sieben Jahre jünger. Er wurde wie ich von Steward trainiert. Und eigentlich auch ein bisschen von mir. Wir haben uns früher immer gegenseitig Tipps gegeben und gewisse Sachen ausgetauscht. Und so läuft es auch heutzutage ab. Wir pushen uns gegenseitig, es ist ein kreatives Miteinander. Ich sage, was und wann wir trainieren, Johnathon sorgt für das Feintuning. Das sieht man von außen einfach besser. So können wir an Technik und Taktik feilen.
SPOX: An welchen Schrauben hat Banks in den letzten drei Jahren gedreht?
Klitschko: Jonathon will Emanuel nicht kopieren, er macht gewisse Sachen anders. Er sagt selbst: Ich kann nicht Emanuel Steward sein, ich muss Jonathon Banks sein. Das setzt er um. Er hat meinen Kampfstil etwas geändert, aber das Fundament ist gleich geglichen. Es ist immer noch Emanuel Stewards Schule, nur eben mit einem Upgrade von Johnathon Banks.
SPOX: Wir haben über Sdunek, Steward und Banks geredet. Welche Einflüsse dieser drei Trainer stecken in der KLITSCHKO BODY PERFORMANCE?
Klitschko: Es steckt viel von Fritz drin. Er war perfekt, wenn es darum ging, jemanden fit zu machen. Von Emanuel erkennt man die mentale Seite wieder. Der dritte Teil kommt von mir, meine eigenen Erfahrungen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Es war quasi eine unbewusste Zusammenarbeit.
SPOX: Das Trainer-Trio formte Sie zu einem mehrfachen Weltmeister - mit einem Box-Stil, der trotz großer Erfolge auch auf Kritik stößt. Stören Sie eigentlich solche Berichte noch?
Klitschko: Ich bin nicht gerade begeistert, wenn etwas Negatives zu lesen ist. Aber ich werde sicherlich nicht meinen Erfolgsstil ändern, weil ein paar Kritiker daran etwas auszusetzen haben. Für mich zählt Erfolg und ich gebe alles, damit die Klitschko-Geschichte weitergeschrieben wird. Wie lange das noch geht, kann ich nicht versprechen. Aktuell genieße ich einfach die Zeit.
SPOX: Auch Floyd Mayweather, neben Ihnen der erfolgreichste Kämpfer der letzten Jahre, muss sich in der Öffentlichkeit immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, zu risikoarm zu boxen. Muss bei den Zuschauern ein Umdenken stattfinden?
Klitschko: Boxen ist mehr als ein offener Schlagabtausch. Es hat mit Taktik zu tun, mit Strategie, mit einer durchdachten Kampfplanung. Boxen ist Kunst, oder wie es auch heißt: Boxing is Sweet Science. Boxen ist eine Wissenschaft. Mit reinen Kraftpaketen kommt man nicht zum Erfolg.
SPOX: Ihr nächster Gegner dürfte im Herbst Pflichtherausforderer Tyson Fury sein. Er wäre mit 2,06 Metern Ihr bislang größter Gegner. Müssten Sie gegen ihn Ihren Stil umstellen?
Klitschko: Ich habe schon gegen Gegner geboxt, die größer als ich waren. Ich denke da unter anderem an Mariusz Wach. Aber ich habe bewiesen, dass ich auch bei den großen Jungs mit meinem Jab durchkomme. Man kann im Vorfeld einiges durchspielen, Furys Größe, seine Reichweite, seinen Stil. Aber am besten kläre ich das im Ring.
SPOX: Nach Fury könnte 2016 ein Kampf gegen Deontay Wilder anstehen. Der Amerikaner ist amtierender WBC-Weltmeister und trägt damit den letzten großen Gürtel um die Hüften, der Ihnen noch fehlt.
Klitschko: Es wäre schön, alle Titel unter dem Namen Klitschko zu vereinigen. Aber das ist kein Muss. Wenn der Kampf passiert, dann nur im nächsten Jahr - und nur nach einem Sieg gegen Tyson Fury.
SPOX: Wäre der Gewinn des WBC-Titels nicht auch der perfekte Moment, um Ihre erfolgreiche Karriere zu beenden?
Klitschko: Man kann sich ja einiges vorstellen, aber ich fühle mich noch nicht so alt. Ich werde boxen, solange ich motiviert und gesund bin. Das sind die zwei wichtigen Komponenten. Wenn eine davon nicht mehr gegeben ist, werde ich mich verabschieden und einfach danke sagen.
Seite 1: Klitschko über seinen Masterplan, K2 Promotions und sein Training
Seite 2: Klitschko über Emanuel Steward, Kritik und seine Zukunft