In der Vorbereitung jagt er Hühner und fängt mit den bloßen Händen Fische. Er geht Holz hacken und verbringt Nächte im Wald. Irgendwo, alleine. Die Aufgabe? Wieder heim finden. Bei Vincent Feigenbutz ist eben alles ein wenig anders. Auch die Trainingsmethoden. "Wir hatten uns für Vincent wieder ein paar Gemeinheiten überlegt - aber alles mit praktischem Hintergrund", sagt sein Coach Hansi Brenner über die ungewöhnliche Kampfvorbereitung für seinen Schützling.
Das "Überlebenstraining" in den slowenischen Bergen hat sich aber schon öfters bewährt - und macht sich auch in seiner beeindruckenden Kampfbilanz bemerkbar: 21 Kämpfe, 20 Siege, 19 davon durch vorzeitigen Knockout. Neunmal überstand der jeweilige Gegner nicht einmal die erste Runde. Als "K.o.-Prinz" und "Prince Vince" wird der 20-Jährige von den Medien bereits gefeiert. Und auch sein Kampfname lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich an den Größten der Szene orientiert und irgendwann selbst ein ganz Großer werden will.
"Iron Junior" nennt er sich, in Anlehnung an sein Idol Mike Tyson: "Der hat auch nichts anbrennen lassen und immer das vorzeitige Ende gesucht - genau wie ich es auch tue", sagte Feigenbutz in einem Interview mit Boxen.com.
Unbekümmert ins Getümmel
Es ist eben jenes "nichts anbrennen lassen", dieser unbekümmerte und gleichzeitig spektakuläre Kampfstil, mit dem Feigenbutz in der Boxszene aufhorchen lässt. Er marschiert, sucht in seinen Fights stets das vorzeitige Ende, ist immer auf der Jagd nach dem nächsten Knockout.
"Das Schöne bei dem Jungen ist, dass er seine Kämpfe immer völlig befreit angeht. Man sieht ihm den Spaß, sich Mann gegen Mann zu beweisen, förmlich an. Seine Auftritte haben Spaßfaktor zehn und die Halle tobt überall, wo er boxt", analysiert auch Coach Hans-Peter Brenner den Stil seines Schützlings.
In der Tat scheint der Shootingstar aus dem Karlsruher Stadtteil Daxlanden in so gar kein Schema zu passen. Zurückhaltung ist nicht das Ding von Feigenbutz - weder im Ring, noch außerhalb. Und auch mit Aufbaukämpfen kann er nicht wirklich etwas anfangen. Dem Jungspund kann es vielmehr nicht schnell genug gehen, große Namen wie Felix Sturm, Robert Stieglitz oder Arthur Abraham vor die Fäuste zu bekommen.
"Langes Abwarten liegt mir nicht. Ich habe schon jetzt das Gefühl, mit der Weltspitze mitzuhalten und diese auch zu schlagen. Wenn man seine Chance erkennt, dann sollte man sie auch nutzen", unterstreicht Feigenbutz selbst seine Ambitionen.
Abraham: "Hab nicht so eine große Fresse"
Es sind Aussagen, die sich durchaus forsch anhören - vor allem für einen gerade 20-Jährigen, der erst seit vier Jahren aktiv im Ring steht. Sein Selbstvertrauen wächst allerdings mit jedem K.o.-Sieg weiter und davon gab es in der jüngeren Vergangenheit trotz durchaus riskanter Kampfansetzungen reichlich.
So gewann Feigenbutz zunächst gegen Polens große Nachwuchshoffnung Maciej Miszkin, ehe er auch die bis dato ungeschlagene Nummer eins des deutschen Nachbarlandes, Andrzej Soldra, in der ersten Runde K.o. schlug. Seinen Bekanntheitsgrad konnte er dadurch nicht nur in Polen steigern.
Das Team Sauerland wurde auf ihn aufmerksam und nahm den Supermittelgewichtler ohne zu zögern unter Vertrag. Auf eine Chance, sein Können endlich gegen einen großen Gegner unter Beweis stellen zu können, muss er sich allerdings weiter gedulden. WBO-Weltmeister Arthur Abraham konterte seine forsche Ansage, er könne "Arthur umhauen", jedenfalls trocken: "Hab nicht so eine große Fresse, du hast doch noch nicht mal eine Mücke geschlagen. Werde erstmal ein großer Boxer und reiß dann den Mund auf." In der Bild legte er nochmal einen drauf: "Feigenbutz ist ein Nichts."
Gehört dieser Feigenbutz also zur im Boxsport nicht seltenen Spezies der Kategorie: "Große Klappe - nichts dahinter"? Ist er Fallobst, wenn ein richtiges Kaliber kommt? Die deutsche Ehemaligengilde glaubt nicht an ein Scheitern des 20-Jährigen, ist von seinem Können überzeugt: "Er erinnert mich an den jungen Tyson", sagt beispielsweise Henry Maske und Regina Halmich ergänzt: "Er hat auf jeden Fall alles, was ein guter Boxer benötigt. Ob er schon reif ist für ganz große Kämpfe, wird sich zeigen."
Ziel: Jüngster deutscher Boxweltmeister
Feigenbutz mag zwar erst am Anfang seines Weges stehen, dennoch läuft ihm schon die Zeit davon. Er kann schließlich noch immer Geschichte schreiben und der jüngste deutsche Boxweltmeister aller Zeiten werden - obwohl sein bereits vertraglich fixierter Titelkampf um die WBA-Krone gegen Sturm-Bezwinger Fedor Chudinov geplatzt war.
Als amtierender Interims-Champion der WBA wäre er zwar legitimer Herausforderer gewesen, allerdings kommt es nun doch zum Rückkampf zwischen Sturm und Chudinov, da die WBA das Kampfurteil plötzlich als diskussionswürdig einstufte. Ein kleiner Skandal, den der ausgebremste Feigenbutz nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen wollte.
Via Facebook knöpfte er sich Sturm vor: "Ich bin stinksauer. Ich bin Interims-WBO-Champion und du hast von deinen letzten sieben nur zwei umstritten gewonnen. An mir musst du vorbei. Stell dich hinten an oder nimm die Herausforderung an und kämpfe gegen mich", so der erboste Übergangene.
Genutzt hat seine Verbal-Attacke nichts, von Sturm erntete der Youngster für seine Aussagen nur ein müdes Lächeln. Deshalb geht es nun stattdessen in seiner Heimatstadt Karlsruhe gegen Giovanni De Carolis. "Wir gehen jetzt den harten Weg und schon bald werden uns die Weltmeister nicht mehr aus dem Weg gehen können", sagte Brenner und behielt recht: Denn am Mittwoch entschied der Weltverband, dass der Gewinner des Kampfes im Frühjahr den Sieger des Duells Sturm/Chudinov herausfordern darf.
De Carolis als Zwischenschritt
Der WM-Fight ist also in greifbarer Nähe und vorerst könnte der Umweg De Carolis nicht die schlechteste Lösung sein. Der Italiener bewies gegen Abraham immerhin schon über zwölf Runden Stehvermögen und dürfte durchaus ein ernster Prüfstein für Feigenbutz werden. Im Ranking liegt der Italiener zudem sieben Plätze vor dem Deutschen.
Angst vor der Aufgabe hat Feigenbutz allerdings keine: "Das wird ein Fight wie jeder andere. Ich gehe da rein und haue ihn um. Danach fange ich an, im Super-Mittelgewicht aufzuräumen. Mein Ziel ist es, alle vier Gürtel bei den großen Weltverbänden zu holen."
Selbstbewusste Töne, die sein Promoter Kalle Sauerland gerne hört, schließlich hat er sich gemeinsam mit Manager Rainer Gottwald auf die Fahne geschrieben, den jungen Deutschen zum nächsten Box-Superstar zu machen.
Introvertiertes Großmaul
Ein klassisches Großmaul ist Feigenbutz indes nicht. Zumindest gibt es zwischen dem Boxer und dem Menschen doch so einige Widersprüche. Privat ist der Youngster ein ruhiger Typ. Er hat keine extravaganten Frisuren, trägt keine schrillen Outfits und ist ein leidenschaftlicher Angler.
Parallel zur Boxkarriere absolviert er zudem eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker bei den Stadtwerken Karlsruhe. Dennoch ist der Fokus klar. "Für ihn gibt's nur Boxen und Angeln. Er braucht keine Freundin, das kommt alles später", sagte sein Manager Reiner Gottwald der Süddeutschen Zeitung.
Mit 14 Jahren wurde er erstmals im Karlsruher "Bulldog Gym", der Kaderschmiede aus der unter anderem Regina Halmich hervorging, vorstellig. Sein Entdecker Jürgen Lutz, der auch heute noch zu seinem Tross gehört, nahm ihn in eine Trainingsgruppe auf und schon zwei Jahre später, mit gerade einmal 16 Jahren und ohne jemals im Amateurbereich angetreten zu sein, bestritt er seinen ersten Profikampf.
Alleine dieser Werdegang ist schon außergewöhnlich und zeigt, dass er über besondere Qualitäten verfügt. In seinem zweiten Fight setzte es dennoch prompt die erste Niederlage. Sein rasanter Aufstieg begann erst, als er in Hansi Brenner zum ersten Mal einen privaten Trainer an seiner Seite hatte.
Schwachstelle Defensive
Trotz aller Vorschusslorbeeren muss er sich boxerisch steigern. Feigenbutz ist kein filigraner Kämpfer und kommt vor allem über seine ungemeine Schlagkraft, mit der er seine technischen Rückstände wettmacht, zum Erfolg. Er boxt offensiv und sucht den Infight.
In der Defensive offenbart er allerdings Schwächen: Seine Abwehrfaust rutscht ihm noch zu oft über die Hüfte und lädt seine Gegner zum Zuschlagen ein: "Vince ist nichts für Old-School-Feinschmecker. Er fängt sich auch was ein. Aber was reinkommt, geht tausendfach wieder raus", spielt Sauerland herunter.
Zuschlagen kann er aber, der K.o.-Prinz. Und mit einem Sieg gegen De Carolis geht sein Traum vom WM-Fight in Erfüllung. Aus dem Prinzen könnte also bald tatsächlich der jüngste deutsche Boxkönig aller Zeiten werden.