Am Samstag trifft Jack Culcay in Ludwigshafen auf Demetrius Andrade. Der Weltmeister der WBA im Halb-Mittelgewicht will im Ring unbedingt ein Statement abliefern. Im Interview spricht der 31-Jährige aus dem Sauerland-Stall über eine offene Rechnung mit seinem US-amerikanischen Gegner, Lob von Arthur Abraham, die Bedeutung von Ulli Wegner sowie einen Angriff auf die USA.
SPOX: Herr Culcay, wie fühlt es sich an, als Weltmeister der WBA im Halb-Mittelgewicht in Ludwigshafen in den Ring zu steigen?
Jack Culcay: Das ist ein ganz neues Gefühl für mich. Ich habe den Titel ja noch nicht so lange. Aber es fühlt sich auf jeden Fall gut an, als Weltmeister anzutreten.
SPOX: Ihre Freude über den Gürtel hält sich bislang aber dennoch in Grenzen.
Culcay: Das ist richtig. Ich habe den Titel leider nicht im direkten Duell mit dem Weltmeister gewonnen. Jeder, der einen Gürtel gewinnt, will das gegen den amtierenden Champion tun und nicht, weil ein anderer Boxer aufsteigt. Deswegen kommt der Kampf am 11. März zur absolut perfekten Zeit. So kann ich zeigen, dass ich den Titel völlig zu Recht trage.
SPOX: Eigentlich hätte der Kampf gegen Demetrius Andrade bereits früher stattfinden sollen. Warum kam es im vergangenen Jahr nicht dazu?
Culcay: Was genau da schiefgelaufen ist, weiß ich auch nicht. Die fertigen Verträge wurden nach Amerika geschickt. Ich war bereit, um zu kämpfen. Eine Woche vor dem eigentlichen Termin habe ich dann aufgehört zu trainieren, da ich wusste, dass es leider nicht mehr klappen würde.
SPOX: Finanzielle Einbußen sowie verlorene Karrierezeit waren die Folge.
Culcay: Um das Geld geht es mir nicht. Ich liebe es, zu boxen. Natürlich sichere ich mit dem Sport meinen Lebensunterhalt, es ist aber vor allem schade um die Zeit und das Training. Ich habe monatelang für den Kampf trainiert, war im Trainingslager mit Arthur Abraham und auch mit Kubrat Pulev. Ich war sehr aktiv. Deshalb war die Absage natürlich ärgerlich für mich.
SPOX: Bleiben wir kurz bei Abraham. Dieser bezeichnete Sie als "komplettesten Boxer Deutschlands". Was bedeuten Ihnen dieses Lob?
Culcay: Von einem so erfahrenen und erfolgreichen Stallkollegen eine solche Aussage zu hören, fühlt sich immer gut an. Jeder kennt Arthur, deshalb haben seine Worte auch Gewicht.
SPOX: Trotz des Lobes und des WM-Gürtels um ihre Hüften gelten Sie gegen Andrade bei vielen im Vorfeld des Kampfes als Außenseiter.
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Culcay: Ach wissen Sie, ich war auch als Amateur immer der Außenseiter. Viele haben mich damals schon unterschätzt und tun es noch immer. Ich habe aber stets auch meine Chancen bekommen. Letztlich macht das einen sogar stärker. Ich habe es den Leuten gezeigt, war bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen und habe in dieser Zeit einige Erfolge gefeiert.
SPOX: Sie haben nach der Amateur-WM in Chicago im Jahr 2007 mit Andrade noch eine Rechnung offen. Damals konnte Sie der US-Amerikaner bezwingen.
Culcay: Auf jeden Fall. Wie sagt man so schön: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Ich wusste damals schon, dass sich unsere Wege irgendwann noch einmal kreuzen würden. Die Niederlage damals ist ein weiterer Grund, warum ich mich sehr auf den Kampf freue.
SPOX: Sie hatten schon mit mehreren Rechtsauslegern das Vergnügen. Andrade ist jedoch ein anderes Kaliber. Ist die Auslage für ihn ein Vorteil?
Culcay: Ich habe sehr viel trainiert, deshalb wird seine Auslage für mich kein Problem sein. Ich habe viel Sparring gegen Rechtsausleger betrieben, bin bestens eingestellt. Natürlich ist es dennoch immer eine Umstellung, in der Regel kämpft man gegen Gegner, die in der Normalauslage antreten. Aber diese Umstellung werde ich ohne Schwierigkeiten hinbekommen.
SPOX: Ihr offensiver Boxstil ist für die Zuschauer äußerst unterhaltsam. Im Gegenzug kassieren Sie aber auch mehr Treffer. Müssen Sie die Herangehensweise gegen einen Gegner wie Andrade ändern?
Culcay: Das wird sich zeigen. Wir haben eine gute Strategie ausgearbeitet, letztlich muss man aber sehen, wie es im Ring klappt. Ich hatte bereits mehrere Tage vor dem Kampf mein perfektes Gewicht erreicht. Meine Kondition reicht für die volle Distanz, es kann aber auch vorher vorbei sein.
SPOX: Sie haben sich in den letzten Jahren technisch und taktisch enorm weiterentwickelt. An welchen Stellschrauben hat Ihr Trainer Ulli Wegner in dieser Zeit speziell gedreht?
Culcay: Herr Wegner hat sehr viel gedreht. (lacht) Aber nicht nur er hat viel bewirkt, sein ganzes Team ist sehr wichtig für mich. Ich habe das einfache Boxen neu erlernt. Das sichere Boxen war etwas, das mir ein bisschen gefehlt hat. Auch konditionell habe ich einen großen Schritt nach vorne gemacht.
SPOX: Wie gewohnt ging es mit Wegner ins Trainingslager nach Kienbaum. Wie kann man sich das Training in der Abgeschiedenheit eigentlich so vorstellen?
Culcay: In Kienbaum fühlt man sich wie in einer kleinen Jugendherberge. (lacht) Normalerweise sind dort nur Amateure, aber wir können in Kienbaum dank der Kontakte von Wegner auch als Profis unser Trainingslager abhalten. Dort trainieren auch Weltklassesportler aus anderen Sportarten wie der Leichtathletik. Die Bedingungen sind ideal. Sei es die Halle, der Ring, die Umgebung: Es stimmt einfach alles, um sich perfekt auf Kämpfe vorzubereiten. Auch eine Sauna und eine Kältekammer gehören zur Ausstattung.
SPOX: Der Fokus liegt logischerweise auf dem anstehenden Kampf, aber muss man bei dem ganzen Training nicht auch irgendwie den Kopf freibekommen?
Culcay: Es ist sehr abgelegen, wir sind dort immer zusammen. Da ist Boxen natürlich immer ein Thema. Deshalb ist es wichtig, sich auch über andere Themen auszutauschen. Wir sitzen oft zusammen und sprechen neben dem Sport auch über alles Mögliche. Ansonsten spielen wir zum Beispiel Billard. Das hilft dabei, die nötige Ablenkung zu bekommen und stärkt den Zusammenhalt.
SPOX: Ihr Hund darf aber nicht mit.
Culcay: Nein, der muss leider zu Hause bleiben.
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SPOX: Zum Abschluss ein kleiner Ausblick: Wegner bezeichnet Sie als "Mann der Zukunft". Ist diese "Zukunft" jetzt?
Culcay: Die Zukunft ist auf jeden Fall jetzt! Ich meine, ich habe sehr lange darauf gewartet, gegen einen Gegner zu kämpfen, der in der Rangliste ganz weit oben steht. Wenn ich Andrade besiege, dann habe ich es geschafft, mir einen Namen zu machen - und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
SPOX: Sehen Sie den Kampf deshalb auch als eine Art Sprungbrett?
Culcay: In gewisser Weise ist er das, um auch in den Vereinigten Staaten gegen namhafte Gegner antreten zu können. Und das ist mein Ziel. Ich bin 31 Jahre alt, bin Amateur-Weltmeister geworden, Champion der WBA im Halb-Mittelgewicht. Ich will die Besten boxen, muss aber einen Schritt nach dem anderen machen. Und der nächste Schritt trägt den Namen Andrade.
SPOX: Auch der deutsche Boxsport lechzt geradezu nach einem großen Sieg auf internationaler Bühne. Erhöht das den Druck auf Ihre Schultern?
Culcay: Nein, davon lasse ich mich nicht beeinflussen. Ich schaue auf mich und meinen Kampf gegen Andrade. Das ist das, wofür ich trainiere. Ich habe jeden Tag mehr als 100 Prozent gegeben. Mehr kann ich nicht tun.
SPOX: Welche Rolle spielt der Heimvorteil für Sie?
Culcay: Es ist schön, zu Hause zu kämpfen. Aber eine große Rolle spielt das nicht. Wenn man gut trainiert hat, dann ist es egal, ob die Fans mehr für einen schreien oder für den Gegner. Wir werden sehen, wer der bessere Boxer ist.