"Fuck easy!" Dillian Whyte steht im Ring einer Trainingshalle und schnauzt seinen Coach Jonathan Banks an. Der ehemalige Trainer von Wladimir Klitschko hatte ihn beruhigen wollen. Schließlich sollte Whytes Sparringpartner Kash Ali nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sein Vorgänger. Der hatte das Training frühzeitig abbrechen müssen, nachdem ihm Whyte die Nase brach.
Dass der als "Body Snatcher" (Leichenräuber) bekannte Boxer wenig mit der besonnenen, ruhigen Art des ehemaligen ukrainischen Schützlings von Banks zu tun hat, wird schnell klar. Whyte geht in und neben dem Ring deutlich aggressiver zu Werke, ist bekannt für seine Provokationen in den sozialen Netzwerken.
Whytes Vater fordert: "Ertrinke oder schwimm!"
Die explosive Ader der aktuellen Nummer Eins im WBC Boxing Ranking kommt nicht von ungefähr. Der in Jamaika geborene Brite musste in seiner Jugend einiges durchmachen. Als Whyte zwei Jahre alt war, machte sich seine Mutter in Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach London auf. Der künftige Boxstar blieb in Armut in Jamaika zurück und versuchte durch Stehlen und Sammeln von Pfandflaschen am Strand und im Müll etwas Geld und Essen aufzubringen.
Die starke Mentalität, die Whyte heute im Ring auszeichnet, entwickelte er bereits in dieser frühen Phase seines Lebens. Gegenüber skysport erzählte Whyte, dass ihn sein Vater eines Tages beim Fischen mit den Worten "ertrinke oder schwimm" aus dem Boot warf, obwohl Whyte nicht schwimmen konnte. "Am Ende lernte ich zu schwimmen."
Von der Kindheit in Jamaika zum "King of South London"
Sich Durchzubeißen ist eine Eigenschaft, die auch im Londoner Stadtteil Brixton gefragt ist. Viele Migranten aus karibischen Ländern wohnen hier in vielen grauen Betonklötzen. Die Gegend ist bekannt für eine hohe Kriminalitätsrate und Bandenkämpfe. Neben einer Garage mit heruntergekommenen und defekten Autos trainiert Whyte derzeit hier für den Kampf gegen Lucas Browne (Sa., ab 20 Uhr im Livestream) .
Mit zwölf Jahren kam der selbsternannte "King of South London" hierher und folgte so seiner Mutter nach England. Die Lebenssituation besserte sich für Whyte allerdings durch den Umzug nicht. Schnell wurde er Teil der örtlichen Bandenbewegungen, wurde mehrmals angeschossen und mit Messern gestochen.
Whytes erster Kampf gegen Dauerrivale Anthony Joshua
Kurz nachdem er aufgrund mehrerer Straftaten einer langen Gefängnisstrafe nur knapp entrann, führte ein Freund Whyte ins Kickboxing ein. "Ich wusste, dass es meine einzige Chance im Leben ist", sagt Whyte heute. Diese Chance ergriff er mit Bravour. Fünf Jahre lang belegte der heute 29-Jährige Platz eins im Kickboxen in der Kategorie über 95kg und führte auch erste Kämpfe im Amateurboxen. In seinen ersten Kämpfen sorgte er vor allem deswegen für Aufsehen, da einer seiner Kontrahenten nach einem Schlag im Kampf mehrere Wochen im Koma lag.
Aus heutiger Sicht ist vor allem einer von Whytes damaligen Gegnern besonders interessant. 2009 traf er das erste Mal auf seinen großen Konkurrenten Anthony Joshua. Die beiden standen zu der Zeit noch am Anfang ihrer Boxkarrieren und lieferten sich in einer kleinen Halle in London einen Kampf über drei Runden. Am Ende des Kampfes gewann Whyte nach Punkten gegen den künftigen Superstar, der sich am 31. März mit Joseph Parker in einem Vereinigungskampf misst (live auf DAZN).