Ritterschlag für den Family Guy

Von Adrian Fink
Stephen Bunting spielt 2015 sein zweites Jahr auf der PDC-Tour
© getty

Spätestens seit der Weltmeisterschaft zum Jahreswechsel ist klar: Nach nur rund 13 Monaten in der PDC ist Stephen Bunting in der Weltspitze angekommen - die Wildcard für die Premier League ist die logische Konsequenz. The Bullet im Porträt.

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Es ist eine Szene, wie man sie nur selten erlebt. Gerade hat Raymond van Barneveld Stephen Bunting in einer epischen Schlacht mit 5:4 niedergerungen, da schnappt sich der Niederländer das Mikro. "Dieser Mann hier hat alles in der BDO gewonnen. Dann hat er sich gesagt: Ich komme rüber in die PDC, um mit den Besten der Besten zu spielen. Und er ist einer der Besten."

Auch wegen dieser warmen Worte wird Bunting das diesjährige Viertelfinal-Aus bei der WM wohl nie vergessen. Und Barney? Der setzt noch einen drauf: "Stephen, du bist ein Weltklassespieler, du bist einfach unglaublich."

Als dem Gelobten seinerseits das Mikrofon vorgehalten wird, schnappt dieser nach Luft, bekommt kaum ein Wort heraus. Barneveld nimmt ihn in den Arm, dann spricht The Bullet - zumindest versucht er es. "Die Worte bedeuten mir sehr viel", stottert er. Die Tränen fließen über seine Wangen.

Es war das erste Aufeinandertreffen von Bunting und Barneveld, an dessen Ende beide einen nahezu identischen Average auf dem Boxscore stehen hatten: Der Sieger verließ die Bühne mit einem 98,37er Durchschnitt, während sein Kontrahent 98,36 Punkte im Schnitt warf. Barneys Worte spendeten nicht nur Trost für das Ausscheiden, vielmehr offenbarten sie, dass Bunting angekommen ist. Angekommen im Kreis der besten Spieler der Welt.

Vater als Sponsor

Van Barneveld war bei Weitem nicht der Erste, dem die Fähigkeiten des Briten auffielen. Als Bunting im Kindheitsalter Darts zwischen die Finger bekam, wusste er von Anfang an zu überzeugen. Ein paar Jahre später sammelte er bereits seine ersten Titel, als er unter anderem beim WDF World Cup Darts, den Winmau World Masters und dem WDF Europe Cup triumphierte.

Immer dabei: Sein Vater, der selbst ein leidenschaftlicher Hobby-Spieler war. Als Stephen in seiner Anfangszeit bei der BDO keinen lukrativen Sponsorenvertrag an Land ziehen konnte, übernahm Bunting Senior die Finanzierung.

Dank dieser Unterstützung entwickelte sich der Junior prächtig und sicherte sich später in der BDO Titel um Titel. Der Höhepunkt war der Gewinn der Weltmeisterschaft 2014. Besonders sein Vater fieberte bei diesem Triumph mit und schlief sogar in einem Camper, um seinen Sohn auf seinem Weg zum Titel intensiv begleiten zu können.

Kurz bevor Stephen die Bühne als Weltmeister verließ, sah er seinen Vater in der tobenden Menge und brachte ein "love you too" über die Lippen. "Es ist der stolzeste Tag meines Lebens", sagte ein sichtlich ergriffener Bunting Senior nach der Partie. Trotz des Erfolges zählt in der Familie Bunting Bodenständigkeit zu den grundlegenden Charaktereigenschaften.

Ähnlichkeit zu Comic-Figur als Markenzeichen

Als Ausgleich zur zunehmenden öffentlichen Aufmerksamkeit genießt es The Bullet, die Pfeile einfach mal ruhen zu lassen. "Ich schaue gerne Fußball, bin Fan von Liverpool, spiele PS3, Snooker und Pool", so der 29-Jährige: "Einfach mal ausruhen, ohne einen Dart im Blick zu haben."

Dass Bunting es privat aber auch nicht zu ruhig mag, wurde bei einem Interview 2013 klar. "Ich habe zwei Hunde, zwei Kanarienvögel und ein Becken voller tropischer Fische und bald werde ich mir noch Hühner anschaffen."

Außerdem ist der Profi, der einst den braunen Gürtel im Judo errang, in seiner Freizeit ein leidenschaftlicher Karaoke-Fan. "Ich bin kein schlechter Sänger", gab Bunting einst selbstbewusst zu Protokoll.

Besonders gerne singt er offenbar bei seiner Einlaufmusik mit, die er in Anlehnung an der ihm zugeschriebenen Ähnlichkeit zu Peter Griffin gewählt hat: "The Bird" ist das Lieblingslied der Comic-Figur aus der Serie Family Guy. "Sie sagten, dass ich mehr Fans hätte, wenn ich mit einer Melodie von Family Guy rauskommen würde", erzählte Bunting bei der WM: "Ich habe es gemacht und so tausende neue Anhänger bekommen."

"Ich bin froh, wenn ich Darts spiele"

Der humorvolle Umgang mit den Griffin-Vergleichen passt zu 100 Prozent zum Image von Stephen Bunting: Ein fröhlicher junger Mann, der mit seinem Grinsen während der Würfe Spaß an seinem Beruf ausstrahlt und über sich selbst lachen kann.

Sein privates Glück hat Bunting im Jahr 2012 gefunden, als seine Familie Zuwachs bekam. "Natürlich hat das Familienleben mein Leben schöner gemacht. Ich habe jetzt ein Kind und die Familie sorgt dafür, dass ich auf dem Boden bleibe. Ich bin jetzt daheim mehr gebunden und bin froh, wenn ich Darts spiele."

Und seit etwas mehr als einem Jahr tut The Bullet dies nicht mehr bei BDO-Turnieren, sondern fand den perfekten Zeitpunkt für den Verbandswechsel. Auf der letzten Tour für die BDO gewann Bunting nicht weniger als acht Titel - Rekord.

Verbandswechsel zum perfekten Zeitpunkt

Von diesem Erfolg beflügelt kehrte er der BDO den Rücken zu und schmettert seine Pfeile seitdem bei den glamouröseren PDC-Turnieren auf das Board. "Es ist eine brillante Organisation und man kann viel Preisgeld verdienen. Aber mein Hauptziel ist es, Titel zu gewinnen", begründete Bunting seine Entscheidung.

Dabei barg der Wechsel durchaus auch ein gewisses Risiko: War er bei der BDO noch der unumstrittene Star, musste er sich bei der PDC seine Sporen erst verdienen. Nicht jedem Spieler gelang der große Wurf: Mark Webster wechselte 2008 als amtierender BDO-Weltmeister zum größeren Verband, konnte seitdem aber nie seinen Durchbruch feiern. Derzeit liegt er im Niemandsland der Order of Merit.

Schnell an die Spitze

Bei Bunting hat sich der Mut hingegen ausgezahlt, er steht heute auf Platz 24 der Weltrangliste. Da sich diese am erspielten Preisgeld der letzten zwei Jahre orientiert ist das umso bemerkenswerter. Bunting ist im Eildurchgang nach oben marschiert.

Im Rennen um die Etablierung in den Top-Ten hat Bunting einen großen Vorteil: Auf der Tour 2015 muss er noch keine Punkte verteidigen, sondern sammelt jedes Pfund on Top. Und das am liebsten "schnell, treffsicher, präzise", wie Bunting seinen eigenen Wurfstil beschreibt. Dabei bewunderte er als Kind keinen Geringeren als Phil Taylor, der zwar als Synonym für Titelgewinne steht, aber nicht unbedingt als Garant für das rasanteste Darts gilt.

Auch bei der Auswahl der Pfeile unterscheidet sich Bunting von seinem Vorbild: Während die Darts von The Power solide 26 Gramm auf die Waage bringen, wirft The Bullet Darts mit einem Fliegengewicht von deutlich unter 20 Gramm gegen das Brett. Vertraute Bunting lange Zeit auf Nano-Grip-Darts, so probierte er kürzlich Darts mit einem rauen Barrel aus.

Barney fordert Startplatz für Bunting

Obwohl The Bullet auch mit seinem ultraleichtem Arbeitsmaterial noch keinen bedeutenden Wettbewerb für sich entscheiden konnte, sorgte der Brite auf seiner Premierentour bereits für Furore.

Bei den Masters in Sidney erreichte der Familienvater das Finale, beim European Darts Grand Prix, den Deutschen Masters und dem World Grand Prix drang er jeweils immerhin ins Halbfinale vor. Auf dem Weg dorthin zwang er bereits den einen oder anderen Hochkaräter in die Knie.

Bei der WM, dem Höhepunkt der Saison, musste James Wade dran glauben, ehe Bunting im unfassbaren Krimi gegen Van Barneveld den Kürzeren zog.

In seiner anschließenden Lobeshymne hievte Barney den Debütanten nicht nur in die Weltklasse, sondern forderte zudem die nächste Premiere für Bunting: "Dieser Mann sollte in der Premier League dabei sein - was für ein Spieler."

Der Lernprozess ist noch nicht zu Ende

Und die PDC erhörte die Bitte des Altmeisters - auch zur Freude der anderen Stars. "Stephen ist ein guter Spieler - er wurde nicht umsonst für diesen Wettbewerb ausgewählt", reagierte MVG auf die Nominierung.

In seinem Auftaktspiel rettete Bunting im Decider gerade noch eine Punkteteilung gegen The Machine. "Ich war sehr nervös und bin froh, dass ich ein Unentschieden rausholen konnte", gab The Bullet danach zu. "Es ist ein Lernprozess für mich und ich muss immer besser werden."

Eine Lehrstunde aus nächster Nähe erlebte Bunting eine Woche später, als ihm Mighty Mike beim deutlichen 7:3 einen 109,4-Average um die Ohren pfefferte. Wie er solche Niederlagen verarbeitet, wird sich heute Abend zeigen, wenn er gegen sein Idol auf die Bühne darf. Nächste Woche folgt das zweite Aufeinandertreffen mit van Barneveld. Emotionen sind vorprogrammiert.

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