Vom 15. Dezember bis 2. Januar findet im Norden Londons im Ally Pally die Darts-WM (täglich live auf DAZN) statt. Auch wenn Michael van Gerwen nach seinem Fabel-Jahr als klarer Favorit ins Rennen geht, wird es kein Durchmarsch. Während ein Doppel-Weltmeister den Sprung ins Ranking verpasst, feiert Raymond van Barneveld seine Wiederauferstehung und auch Mensur Suljovic darf sich Chancen ausrechnen. Titelverteidiger Gary Anderson schafft es nur auf den dritten Platz. Gemeinsam mit Elmar Paulke macht SPOX den Favoritencheck.
Die deutschen Teilnehmer
Der Maximiser hat in der Order of Merit endlich die Top 40 geknackt, vor der WM steht Hopp auf Rang 38. Mit einem guten Abschneiden im Ally Pally würden die Top 32 in greifbare Nähe rücken. Wie bei der WM 2015 muss der 20-Jährige gegen Vincent van der Voort ran, damals setzte es in der zweiten Runde eine 0:4-Klatsche. Der Niederländer gehört zum WM-Establishment und feiert bereits seine zehnte Teilnahme. Zuletzt scheiterte der 40-Jährige allerdings regelmäßig in den ersten Runden. Der ganz schwere Brocken bleibt Deutschlands bestem Darts-Spieler also erspart, Kanonenfutter sieht aber anders aus. "Trotzdem wird es gegen Vvdv eine richtig harte Nummer. Wir kennen uns schon seit drei Jahren, ich habe bisher noch keinen Sieg gegen ihn zu verbuchen. Das will ich am 22.12.16 ändern", schrieb Hopp in seiner neuen Kolumne bei SPOX. Ihm wurde eine machbare Hürde zugelost und bei der fünften WM-Teilnahme ist die Zeit reif für den zweiten Zweitrundeneinzug.
Hopp-Kolumne auf SPOX: "Iss ein Snickers"
Elmar: Van der Voort ist ein schweres Los, aber es hätte Max logischerweise noch heftiger erwischen können. Da van der Voort im Moment aber keineswegs in Top-Form ist, wird es ein anderes Match als vor zwei Jahren. Auch wenn zu den Top-Jungs schon noch ein Stück fehlt, ist Hopp seinerseits nämlich ganz ordentlich drauf. Mir stellt sich die Frage, ob er die sich bietenden Chancen am Schopf packt. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass Max es schaffen kann - aber dafür muss er für seine Verhältnisse auf jeden Fall überdurchschnittlich spielen.
Dragutin Horvat im Interview: "MvG an schlechten Tagen um Welten besser"
Für Dragutin Horvat ist seine erste WM-Teilnahme ein großes Fest. "Ich war noch nie in England und der Ally Pally ist für jeden Darts-Spieler das größte Glück auf Erden", schwärmte Braco im SPOX-Interview von seiner bevorstehenden Reise. Überhaupt macht die Nummer 127 der Welt mental einen soliden Eindruck. Ohne sich klein zu reden, findet er eine gute Mischung aus gesundem Selbstvertrauen und dem nötigen Respekt vor dem möglichen Hauptrundengegner Simon Whitlock. Bevor er sich mit dem Wizard messen darf, muss er allerdings den russischen Qualifikanten Boris Koltsov aus dem Weg räumen. Prognose: Braco stürmt in die Hauptrunde, wo er sich ein packendes Match mit Whitlock liefert.
Elmar:In der ersten Runde muss Dragutin erstmal mit dem Ally Pally zurechtkommen. Aber er hatte in den letzten Monaten gute Auftritte, nicht zuletzt Gerwyn Price geschlagen und kann auf der Bühne einen dreistelligen Average abrufen. Er kann Whitlock vor Schwierigkeiten stellen und beim Wizard wird sich viel im Kopf abspielen: Ein Erstrundenaus wäre für Whitlock angesichts der hohen Erwartungshaltung eine Katastrophe.
8. Dave Chisnall
Vorneweg: Mit Adrian Lewis sucht man einen Doppelweltmeister und die aktuelle Nummer 5 der Order of Merit im Ranking vergeblich. Warum? Mit dieser schwachen Form war schlicht kein Platz für Lewis. Der Jackpot bekam zuletzt auf der Bühne kaum ein Bein auf den Boden, den Negativpunkt erlitt er Ende November, als er beim Grand Slam böse baden ging. Auch Chizzy warf in Wolverhampton den ein oder anderen Backstein Richtung Board, fand aber nur eine Woche später bei den Players Championship Finals in die Spur und musste erst im Finale gegen van Gerwen die weiße Fahne hissen. Die Nummer 7 der Welt verkörpert zwar nicht unbedingt die personalisierte Konstanz, hat in den letzten vier Monaten mit vier Halbfinal- und zwei Finaleinzügen bei wichtigen Turnieren seine Qualität unter Beweis gestellt.
Elmar: Im Gegensatz zu Lewis hat Chisnall sich nach dem schlechten Grand Slam of Darts etwas gefangen. Außerdem ist Chizzy immer in der Lage, sich in einen Rausch zu spielen, oft reicht ihm eine 180 als Initialzündung. Er hat oft genug bewiesen, dass er die großen Brocken schlagen kann und hat ja nicht zuletzt auch Phil Taylor bereits im Ally Pally besiegt. Angesichts seiner Erfahrung wird Chizzy keine Probleme mit dem Druck haben. Deshalb gehört er zum Favoritenkreis.
7. Mensur Suljovic
The Gentle spielt das Jahr seines Lebens, gekrönt durch den Triumph in Riesa. Längst gehört er zu den besten Darts-Spielern des Planeten und ist in der Order of Merit zwischenzeitlich sogar auf Rang 7 vorgeprescht. Dabei profitiert die derzeitige Nummer 8 der Welt nicht nur von den guten Turnierergebnissen, sondern auch von der immensen Anzahl der gespielten Events. Allein in diesem Jahr spielte der 44-Jährige saftige 43 Turniere - mehr als jeder andere Spieler auf dem Circle. Suljovic hat zwar bereits zum Auftakt Anderson-Schreck Ron Meulenkamp vor der Brust, trotzdem deuten alle Vorzeichen darauf hin, dass der Österreicher erstmals in ein WM-Viertelfinale einziehen wird. Dort lauert der Dominator Michael van Gerwen.
Elmar:Ich bin regelmäßig bei der European Tour als Master of Ceremonies im Einsatz und auf der Bühne spürt man einfach, dass Mensur in den Top 10 angekommen ist. Die Top-Spieler bekommen da eine Aura - und die hat er. Wenn er gegen die Nummer 25 der Welt spielt, spürt jeder in der Halle, dass Mensur der Favorit ist. Sein einziges Manko ist, dass er großen Respekt vor dem Ally Pally hat. Trotzdem: Ich traue ihm gut und gerne das Viertelfinale oder sogar das Halbfinale zu.
6. Raymond van Barneveld
Wer sich bei Barney von der Order of Merit blenden lässt, wird schnell aufs Glatteis geführt. Klar, die Darts-Legende steht aktuell nur auf Rang 12. Aber einerseits ist die European Tour nicht wirklich die Lieblingsbeschäftigung des Niederländers (insgesamt nur 20 Turniere 2016), weshalb die Geldrangliste nur unzureichend als Qualitätsmerkmal herhalten kann. Andererseits ist der Ally Pally Barneys Wohnzimmer: 2007 krönte er sich mit dem wohl besten Match aller Zeiten zum Weltmeister, zwei Jahre später stand er erneut im Finale. 2013, 2015 und 2016 marschierte er bis ins Halbfinale. Van Barneveld muss man also immer auf dem Zettel haben.
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Elmar:Für Barney geht es um extrem viel, weil er die Punkte der letzten Jahre verteidigen muss. Sonst droht vielleicht sogar der Fall aus den Top 16 und das ist für einen, der die Pro Tour so ungern spielt, eine Katastrophe. Doch ein frühes Aus wird nicht passieren! Barneys Körpersprache gefällt mir in letzter Zeit sehr gut, diese Präsenz haben wir lange nicht mehr von ihm gesehen. Barney ist ein sensibler und feinfühliger Mensch, der viel Selbstsicherheit braucht, um richtig gut zu spielen. Die hat er im Moment. Ich traue ihm auch in einem möglichen Viertelfinale gegen Taylor einen Sieg zu.
5. James Wade
Zum 13. Mal in Folge reist Wade in der Weihnachtszeit in die englische Hauptstadt, der große Wurf blieb bislang aber aus. Immerhin drei Mal stand The Machine im Halbfinale, in den letzten drei Jahren setzte es aber spätestens im Viertelfinale empfindliche Pleiten. Allerdings spricht der Turnierbaum dafür, dass der Linkshänder einen längeren London-Aufenthalt vor sich hat, denn vor dem Viertelfinale geht die Nummer 6 der Order of Merit den Top10-Spielern aus dem Weg. Zudem stellte er seine unumstrittene Qualität beim Grand Slam of Darts eindrucksvoll unter Beweis, als er auf dem Weg ins Finale unter anderem den Flying Scotsman aus dem Wettbewerb kegelte.
Elmar:Wade hat ein unheimliches Timing. Er spielt teilweise 95er Averages und geht als Gewinner von der Bühne. Da fragt man sich oft einfach nur, wie er das macht. Trotzdem war die WM nie sein Turnier und er sagt auch selbst, dass der Ally Pally nicht unbedingt sein Ding ist. Ich traue Wade nicht zu, dass er ohne die richtige Überzeugung Weltmeister werden kann. Aber die Gegner haben Respekt vor ihm - und das zu Recht. Ich glaube, er wird weit kommen, aber spätestens im Halbfinale ist Schluss.
4. Phil Taylor
The Power blickt mit gemischten Gefühlen auf das Jahr 2016 zurück. "Zum Teil war es wirklich toll und die Champions League war ein großes Highlight, genauso wie Sydney. Aber ich habe in den anderen Finals einige Doppel verpasst und Chancen liegen gelassen", resümierte Taylor gegenüber SPOX. Und in der Tat: Taylor hat zuletzt zwar hübsche Turniersiege (u.a. Champions League, Sydney Masters, Austrian Open, World Cup) gefeiert, dabei aber nicht den unvergleichlichen Glanz der letzten Jahrzehnte versprüht. Auf der einen Seite verwies er van Gerwen bei der Champions League gleich zwei Mal in die Schranken, auf der anderen Seite ging ihm beim World Matchplay gegen eben jenen MvG deutlich zu früh der Atem aus. Bei der WM gehört Taylor natürlich zu den Top-Favoriten und ein Achtelfinalaus wie bei der WM 2016 wird es nicht geben, aber für den großen Coup muss er sein A-Game aus dem Ärmel schütteln - nicht nur wegen des Turnierbaums.
Elmar:So leid es mir tut, aber ich glaube nicht, dass er nochmal Weltmeister wird. Dafür ist das Turnier mit seinen 2-3 Wochen Laufzeit zu kräftezehrend. Taylor war zuletzt in den wichtigen Momenten nicht da, das sah bei anderen Spielern besser aus. Es gibt mittlerweile einfach viele Profis, die einen dreistelligen Average spielen und ihn dadurch raushauen können. Außerdem hat er das Problem, dass ein Match gegen Taylor für jeden Spieler ein großes Highlight ist. Es ist ein psychologischer Nachteil, wenn dich jeder Gegner in den letzten Zügen deiner Karriere nochmal schlagen will.
3. Gary Anderson
Es ist nicht das Jahr des Gary Andersons. Einzig bei der World Series of Darts präsentierte er sich in der Form eines Weltmeisters und schnappte sich drei Turniersiege. Seit Juli dürstet es Anderson jedoch nach einem wichtigen Erfolg und das Finale beim World Grand Prix war das einzige Highlight der vergangenen Monate, besonders das Zweitrundenaus bei den Players Championship Finals gegen No Name Ron Meulenkamp hat ihm mental zugesetzt. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Titelverteidiger kurz vor dem wichtigsten Darts-Ereignis des Jahres zu seinen alten Pfeilen zurückkehrt. Aber: Anderson hat nunmal nicht von ungefähr die Bezeichnung "amtierender Doppel-Weltmeister" im Lebenslauf verankert. Der Ally Pally ist seine Wohlfühloase! Auch in den letzten beiden Jahren spielte der Schotte im Vorfeld der WM nicht alles in Grund und Boden, doch er war auf den Punkt zur Stelle und stemmte die Sid Waddell Trophy in die Höhe.
Elmar:Gary wird mit der Brille auf der Nase spielen und nachdem er zuletzt viel mit seinen Darts ausprobiert hat, wird er auf seine alten Darts zurückgreifen. Da muss man sich schon fragen, ob das so kurz vor der WM die richtige Entscheidung ist. Klar, damit kurbelt er das Marketing an, aber ich halte das für einen sehr ungünstigen Zeitpunkt. Gary hat derzeit seine Probleme und ich bin gespannt, ob er rechtzeitig die Kurve bekommt. Aber sein großer Trumpf ist sein unheimliches Talent: Er kann blitzartig zu seiner Form finden, das kann sogar während des Spiels kommen. Dann hat er die Selbstsicherheit eines Champions und haut seine Gegner weg.
2. Peter Wright
Es ist wie verhext! Auch 2016 konnte Wright den Mantel des Unvollendeten nicht abstreifen. Am engsten war es dieses Jahr bei den UK Open, als van Gerwen (wer auch sonst?) den Traum vom ersten Major-Titel kurz vor der Ziellinie jäh zerstörte. Und trotzdem: Während andere Spieler wie Terry Jenkins nach einem vergleichbaren Trauma nahezu in der Versenkung verschwinden, hat Peter Wright den nächsten Schritt gemacht. Snakebite sammelte zuletzt fleißig Halbfinal-Tickets und hat in der Order of Merit sogar Phil Taylor geschnupft. Natürlich wurde sein Anstieg in der Rangliste von den wenigen Turnierteilnahmen des Altmeisters begünstigt, aber auch die letzten beiden direkten Aufeinandertreffen im November entschied der Schotte für sich. Bei der WM stehen die Chancen bestens, dass die Fans den Paradiesvogel lange feiern können, immerhin kann er erst im Viertelfinale auf einen der Top10-Spieler (Wade) treffen. Außerdem: Wright ist verdammt nochmal endlich fällig für den ersten großen Titel!
Elmar:Die Spitzenspieler unterscheiden nur ein paar Prozentpunkte und Wright ist van Gerwen auf die Pelle gerückt. Wright macht auf mich einen besseren Eindruck als bei der letzten WM und hat seine Scores verbessert. Durch die Erfolge gegen Taylor hat er neues Selbstvertrauen getankt. Es ist nicht mehr wie 2014, als sein Final-Einzug eine große Überraschung war: Das ist genau die Kragenweite, die zu Wright passt. Er ist bereit für den großen Titel. Für mich gehört er ganz klar zu den großen Favoriten.
1. Michael van Gerwen
Zugegeben, es ist nicht gerade kreativ, Michael van Gerwen als Topfavorit zu deklarieren. Aber es ist alternativlos. Zu dominant, zu konstant, zu übermenschlich beherrschte er den Circle. 25 (!) Titel in einem Jahr sind nicht nur neuer Rekord, sondern auch ein handfester Beleg für die ungeheure Vormachtstellung des 27-Jährigen. Statt die Konkurrenz aufgrund der teils surreal anmutenden Averages schon vor dem ersten Pfeil einzumotten, schüren wir an dieser Stelle mal Hoffnung auf eine spannende Darts-WM. Wahrscheinlich wird Mighty Mike auch im Ally Pally seine Anfälle haben und minutenlang Legs mit einem Average jenseits der 110 abfertigen. Anders als beim Leg-Modus galoppiert van Gerwen bei der WM mit diesen Scoring-Anfällen aber nicht unaufhaltsam Richtung Horizont, sondern bucht nur ein oder zwei Sets. Entscheidend ist die mentale Stärke der Konkurrenz, die dann den Fuß in die Tür stellen muss, wenn sich van Gerwens Average normalisiert. Es ist kein Zufall, dass van Gerwen seit Jahren der erfolgreichste Darts-Spieler der Welt ist, aber erst einmal die WM gewinnen konnte. Also nur Mut!
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Elmar:Der Titel geht nur über van Gerwen und wer Weltmeister werden will, muss erstmal die Nummer 1 der Welt schlagen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht so einen Durchmarsch erleben wie zuletzt. Der Set-Modus spielt van Gerwen einfach nicht in die Karten, weil er seine Dominanz nicht wie gewohnt ausspielen kann. Aber auch van Gerwen hat an Erfahrung gewonnen und das ist der Unterschied zum letzten Jahr: Er ist gewarnt durch das Achtelfinalaus gegen Barney. Ich glaube, dieser K.o. hat ihn nochmal einen Ticken aufmerksamer gemacht und das macht ihn neben seiner überragenden Form zum Top-Favoriten. Kurzum: Er ist derzeit einfach der beste Darts-Spieler.