In der ausverkauften West Hall des Alexandra Palace in London setzte sich Mighty Mike in einem atemberaubenden Finale mit 7:3 (3:2, 2:3, 2:3, 3:2, 3:0, 3:1, 3:0, 3:1, 2:3, 3:2) durch und gewann die Sid Waddell Trophy nach 2014 zum zweiten Mal.
Damit krönte van Gerwen sein dominantes Jahr 2016, in dem er 25 Turniersiege einfuhr. Der WM-Titel beschert dem Niederländer 350.000 Pfund - das höchste Preisgeld in der Geschichte des Sports.
MvG spielte einen Drei-Dart-Average von 107,79 (Anderson 104,93) bei einer Checkout-Quote von 44 Prozent (38 Prozent).
Für Anderson war es die erste Niederlage im Ally Pally seit der Achtelfinal-Niederlage 2014 gegen Michael van Gerwen. Zuletzt hatte er im Darts-Palast 17 Matches in Serie gewonnen.
In der Partie stellten die Protagonisten einige Rekorde auf: Zusammen warfen sie 42 180er - so viele wie noch nie in einem Darts-Match. Der unterlegene Gary Anderson stellte mit 22 Maximums in einem Match ebenfalls eine neue Bestmarke auf. Zudem brachte es der Schotte im gesamten Turnierverlauf auf die meisten 180er aller Zeiten.
Die Reaktionen:
Michael van Gerwen: "Ich bin überglücklich, es ist wunderbar, dass ich mein A-Game finden konnte. Als Anderson nochmal aufkam, bin ich wieder zu meinem Spiel gekommen. Das ist der wichtigste Titel. Das wissen alle Spieler und ich bin unheimlich froh, das Richtige zur richtigen Zeit getan zu haben"
Gary Anderson: "Michael war einfach zu gut. Er hat in diesem Jahr alles gewonnen und jetzt hat er auch die WM-Trophäe. Das Publikum war fantastisch und es waren tolle Wochen."
Der Spielfilm:
1. Satz: Bereits im ersten Leg macht MvG klar, wo der Frosch die Locken hat und setzt mit einem 122er Checkout über das Bullseye das erste Ausrufezeichen. Der Flying Scotsman lässt sich davon jedoch nicht einschüchtern und gleicht mit einem Elf-Darter aus.
Beide peitschen ihre Legs durch wie die Irren. Folgerichtig geht der erste Durchgang an den Niederländer, der die ungeraden Legs eröffnet hat. Der erste Setdart fliegt mittig in die Doppel 18.
2. Satz: Der Titelverteidiger gerät sofort massiv unter Druck - doch The Green Machine lässt vier Breakdarts (auf Bullseye, D8 und zweimal D4) aus. Letztlich schnappt sich Anderson das Ding doch noch auf der Doppel 7 - mit dem letzten Versuch.
Direkt danach ist Anderson auf Breakkurs. Er stellt sich Tops Rest, MvG hat noch 116 auf der Uhr. Doch für die Nummer eins der Welt ist das überhaupt kein Problem, er checkt auf der D18.
Im Decider hat MvG jedoch die riesige Chance. Mit 84 Rest geht er ans Oche. Der erste Dart fliegt in die einfache 20, der zweite rutscht jedoch statt in die T14 in die T9 ab, womit er mit dem dritten Dart kein Finish mehr stehen hat. Gary nutzt das und checkt die 80 Rest über 20, 20, Tops.
3. Satz: Das erste Break der Partie! Beinahe schlafwandlerisch scheint van Gerwen, die 110 Rest zu checken - doch er versetzt die Doppel 16 zum Abschluss. Anderson bleibt cool und macht die 52 über 12, Tops aus zur 1:0-Führung. Aber Mighty Mike ist eben Mighy Mike - und so gelingt ihm das direkte Rebreak auf D16. Alles wieder in der Reihe.
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Bei 2:1-Führung ist der Niederländer auf Neun-Darter-Kurs und setzt erst den achten Dart daneben. Das Niveau dieses Matches beschreibt perfekt, dass er das Leg trotzdem nicht gewinnt. Wieder geht es in den Decider. Und diesmal scheppert es! Van Gerwen lässt zwei Setdarts auf D16 aus und wird von Anderson eiskalt bestraft! Der erste Pfeil schnellt in die Doppel 12 zur Setführung für Gary!
4. Satz: Bis zum Decider geht alles in der Reihe, doch dann wird es happig! Gary stellt sich 132 Rest. MvG lässt seine Muskeln spielen und drischt im perfekten Moment eine 180 ins Board, um sich auf 86 zu stellen. Anderson trifft Single Bull, 19, T20. Nicht genug, denn Mike heißt nicht umsonst The Green Machine. Er checkt über 18, T18, D7 und stellt den Setausgleich wieder her.
5. Satz: Es wird immer offenbarer, wie entscheidend es in diesem Match sein wird, die wenigen Chancen zu nutzen. Van Gerwen lässt drei Legdarts aus und gibt Anderson damit die dicke Breakchance. Dieser vergibt jedoch auf D10 und D5. Kurz danach macht es die Nummer eins der Welt besser und checkt 94 Rest über Triple 18, Tops zum Break.
Davon erholt sich Gary in diesem Set nicht mehr. Erstmals holt MvG einen Durchgang zu Null, als er seine 65 Rest über Bull, 20, Doppel 10 checkt.
6. Satz: Bei 1:1 schafft Anderson es nicht, die 81 zu checken. Zwar schraubt er den Pfeil in die Triple 19, anschließend scheitert er jedoch sowohl auf der D12 als auch auf der D6. MvG sagt Danke und holt sich das Break auf der Doppel 8.
Genau auf dieser schnappt er sich wenige Sekunden später den dritten Satzgewinn in Folge.
7. Satz: Jetzt rollt der MvG-Express auf Full Speed! Unfassbar, aber Anderson bekommt überhaupt keinen Fuß mehr in die Tür. Mit seinem dritten High Finish der Partie holt sich der Niederländer auch dieses Set zu Null. Die 125 checkt er spielend leicht über Bull, T20, Tops. Anderson nickt anerkennend und ahnt wohl, dass das Ding durch ist.
8. Satz: Was für ein Gewürge! Zum Auftakt des achten Sets lässt MvG sechs Doppel aus, Anderson zwar sogar sieben, doch es ist sein Leg und schließlich trifft er die D2. Aber alles läuft jetzt in Richtung des Darts-Dominators aus der Niederlande. Er checkt 76, 75 und 100 und ist nur noch einen Set von seinem zweiten WM-Titel entfernt.
9. Satz: Es stimmt überhaupt nichts mehr bei Anderson, er ist brutal eingebrochen. Vier Breakdarts reichen nicht, er setzt alle daneben. Solche Chancen muss man in einem WM-Finale eben nutzen, doch der Faden ist gerissen. Ein Beweis dafür gefällig? Auch beim Stand von 1:1 hat er eine Breakchance auf Tops und setzt auch diese daneben.
Im vierten Leg rennt ein Flitzer auf die Bühne und schnappt sich die WM-Trophäe. Bitterer Zeitpunkt für die Konzentration der Spieler.
Womöglich hat das MvG so sehr aus dem Konzept gebracht, dass er in der Folge das Set abgibt. Im Decider ballert Ando zwei 180er ins Board und checkt die 81 zum Setgewinn. Doch noch ein Wendepunkt?
10. Satz: Plötzlich ist Anderson noch einmal on Fire. Er drischt ein Maximum nach dem nächsten ins Board und setzt van Gerwen noch einmal richtig zu. Doch der Niederländer ist im Decider eiskalt, fährt das Break ein und sichert sich über das Bullseye den Sieg.
Fazit: Nach vier hochklassigen Sets auf Augenhöhe zog van Gerwen sein aus dem Jahr 2016 allseits bekanntes Powerplay auf und demontierte den Back-to-Back-Champion nach allen Regeln der Kunst. Hochverdienter WM-Titel für The Green Machine!
Der Moment des Spiels: Der finale Dart. Was für eine Dominanz von Michael van Gerwen. Und wie sollte es anders sein, checkt er dieses großartige Match über das Bullseye! Im Decider des zehnten Sets checkt er die 85 über 15, 20, Bullseye. Ein Mann für die besonderen Momente - das ist einer davon!
Der Patzer des Spiels: Im ersten Leg des fünften Satzes hatte Anderson zwei Breakdarts auf Doppel 10 und Doppel 5. Er setzte beide daneben und kassierte nur wenige Momente später seinerseits das Break. Der Knackpunkt in einer bis zu diesem Zeitpunkt absolut ausgeglichenen Partie.
Das fiel auf:
- Beide Akteure begannen enorm fokussiert. Nervosität? Fehlanzeige! Speziell bei eigenem Throw ließen sie Darts in die Triple fliegen, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Im ersten Satz donnerte der Flying Scotsman bereits vier 180er ins Board, van Gerwen zwei davon. Entsprechend überragend waren die Averages nach den ersten fünf Legs (103 bei MvG, 112 bei Anderson).
- Das Publikum schien in der Anfangsphase zum Außenseiter aus Schottland zu halten. Die "Oh Gary Gary"-Gesänge überwogen deutlich vor der Seven Nation Army.
- Besonders in den Sätzen drei und vier offenbarte van Gerwen selten gesehene Schwächen auf die Doppel 16, die er ein ums andere Mal ausließ. Nach vier Sätzen stand The World Number One nur bei einer 37-prozentigen Checkout-Quote, Anderson war zu diesem Zeitpunkt bei 53 Prozent unterwegs.
- Nach einer sehr ausgeglichenen Anfangsphase profitierte The Green Machine davon, dass der Weltmeister von 2015 und 2016 zwischenzeitlich in ein kleines Tief fiel.
- Davon konnte sich Anderson nie wieder erholen. Selbst wenn van Gerwen zwischenzeitlich auch einmal das eine oder andere Doppel ausließ, schlug der Schotte kein Kapital mehr daraus. Die Spannung war weg, die Körpersprache der Nummer zwei zeigte, dass eine erneute Wende hier nicht mehr realistisch war.