SPOX: Herr Scholten, Sie feiern auf DAZN beim World Cup die Wiedervereinigung mit Elmar Paulke, mit dem Sie schon jahrelang gemeinsam am Mikrofon saßen. Wie haben Sie sich kennengelernt?
Roland Scholten: Das war eine ganz lustige Situation. Ich habe am Rande einer WM mit ein paar Spielern im Spielerhotel trainiert. Elmar war ganz neu und wir haben ihn aufgefordert, ein Leg gegen mich zu spielen: ganz normal von 501, aber seine Punkte zählen doppelt. Anfangs war er ziemlich optimistisch und hat auch gut getroffen, aber nach ein paar Aufnahmen hat er gemerkt, dass er das Match rechnerisch gar nicht gewinnen kann, weil er nie eine gerade Zahl stehen hat. Da haben wir alle gelacht.
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SPOX: Sie waren also direkt auf einer Wellenlänge?
Scholten: Es hat direkt ein bisschen geklickt. Auch in den Jahren danach hatten wir jede Menge Spaß und immer guten Kontakt. Irgendwann hat man mich gefragt, ob ich in Deutschland bei der Kommerzialisierung helfen will und ich habe angefangen, zu kommentieren.
SPOX: Als Kommentatoren-Duo werden Sie in Deutschland von den Fans gefeiert. Wie groß ist die Vorfreude auf die Wiedervereinigung?
Scholten: Mir geht es nicht um einen Kult-Status oder ähnliches. Einen Kult-Status haben Personen wie Michael Schumacher, so groß bin ich nicht. Aber natürlich bin ich stolz darauf, dass ich erst Profi in meinem Sport war und jetzt als Experte kommentieren darf.
SPOX: Warum harmonieren Sie und Elmar am Mikrofon so gut?
Scholten: Elmar weiß viel, will immer noch mehr wissen und als ehemaliger Profi kann ich mich gut in die Spieler versetzen und gewisse Situationen erklären. So entstand auch der Ausspruch "Elmar, haben wir noch Fragen?".
SPOX: Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Meinungen während einer Liveübertragung um?
Scholten: Ich kann mich da an eine bestimmte Situation erinnern. Irgendwann war ich Elmar zu enthusiastisch und er hat gesagt, ich soll endlich mal meine Klappe halten. Also habe ich meine Klappe gehalten und die Minuten bis zur nächsten Werbepause kein Wort mehr gesagt. Dann muss er das halt alleine machen, kein Problem. Aber so etwas klären wir schnell.
SPOX: Wie sieht die Vorbereitung als Kommentator aus?
Scholten: Elmar muss sich besser vorbereiten als ich, weil er Statistiken wissen muss. Aber ich telefoniere auch immer wieder mit den Spielern, damit ich auf dem neuesten Stand bin. Wobei es in den Telefonaten nicht nur um Darts geht. Letztens habe ich Michael van Gerwen auch nur geschrieben: "Da hast du wieder Glück gehabt!" Am Mikrofon ist es wichtig, dass man nicht verkrampft, sondern locker kommentiert und Spaß vermittelt.
SPOX: Anfangs haben Sie parallel gespielt und kommentiert. Wie schwierig ist es dabei, neutral zu bleiben?
Scholten: Mit meinen Spieler-Kollegen hatte ich nie Probleme. Warum auch? Ich bewerte immer fair. Das Umschalten von Spieler zu Kommentator fiel mir leicht. Ich habe mich nur auf den Moment konzentriert und irgendwann gewöhnt man sich daran.
SPOX: Was macht mehr Spaß? Auf der Bühne stehen oder vor dem Mikrofon zu sein?
Scholten: Selbst spielen. Das Adrenalin, das man auf der Bühne erlebt, habe ich mit Elmar nicht. (lacht) Auch wenn ich in Holland kommentiere, denke ich mir oft: Warum tut die Schulter so weh?
SPOX: Sie sprechen Ihre Schulterprobleme an, die 2006 begannen und die Sie vor ein paar Jahren zum Karriereende gezwungen haben. Auf welcher Weltranglistenplatzierung würden Sie sich derzeit ungefähr einstufen?
Scholten: Ich spiele noch viele Exhibitions, also bin ich noch auf der Höhe. Meinen Average zähle ich nicht, aber normalerweise sollte ich noch gut genug sein für die Top 32. Aber zu Hochzeiten war ich alleine drei Mal die Woche vier bis fünf Kilometer laufen, damit meine Kondition passt. Das mache ich nicht mehr.
SPOX: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie mit Darts Ihre Brötchen verdienen können?
Scholten: Glücklicherweise habe ich von Anfang an nach Sponsoren gesucht. Besonders die Anfangszeit ist hart und diese habe ich dank meines Sponsors gemeistert und wurde der erste Darts-Profi in Holland und der erste holländische Darts-Spieler der PDC, heute sind es 17, 18.
SPOX: Heute sind der Sponsorenmarkt und die Prämien deutlich lukrativer für Spieler. Kam der Darts-Boom für Sie zu spät?
Scholten: Klar würde ich gerne heute noch spielen, aber da kam mir die Schulter dazwischen. Trotzdem hatte ich eine gute Zeit, habe große Titel wie die UK Open gewonnen und verdiene immer noch Geld mit Darts. Wie beim Fußball wurden vor 10-20 Jahren noch andere Beträge bezahlt.
SPOX: Stellvertretend für diese Entwicklung steht Phil Taylor. Was hat Taylor über Jahrzehnte so stark gemacht?
Scholten: Darts entscheidet sich im Kopf und da war er unfassbar. Ich habe ihn mal vor einer WM gefragt, ob wir uns nicht gemeinsam darauf vorbereiten wollen. Er sagte: "Klar, kein Problem." Also habe ich meine Kneipe, die ich damals noch hatte, eine Woche zugemacht und bin zu Taylor gefahren. Ich habe bei ihm übernachtet und wir haben täglich in einer Kneipe trainiert. Aber als ich mich artig 20, 30 Minuten eingeworfen habe, hat sich Taylor mit seinem Handy an die Theke gesetzt und nur telefoniert und immer gesagt: "Noch ein Gespräch, noch ein Gespräch." Also habe ich mit seinem Chauffeur, der übrigens sehr ordentliche Darts wirft, trainiert. Irgendwann kam Taylor endlich, ich habe einen ganz schönen Schlag bekommen und 20 Minuten später wieder gegen seinen Chauffeur gespielt. Das ging drei Tage so.
SPOX: Und dann?
Scholten: Ich habe ihn gefragt, ob er nicht trainiert, immerhin habe ich mehr mit Taylors Chauffeur trainiert als mit ihm selbst. Er hat nur gesagt: "Ich bin fertig, ich bin seit zwei Monaten bereit für die WM." Ich war mir eigentlich sicher, dass er für die WM nicht perfekt vorbereitet sei, aber wie hat er abgeschnitten?
SPOX: Wahrscheinlich wurde er Weltmeister.
Scholten: Genau. Die mentale Stärke entscheidet.
SPOX: War es die richtige Entscheidung von Taylor, seine Karriere langsam ausklingen zu lassen?
Scholten: Nein, Taylor hätte auf einen Schlag aufhören müssen. Nach der letzten WM wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Er ist im Kopf nicht mehr so stark und verliert deshalb Partien, die er früher nicht verloren hätte. Aber die PDC braucht ihn natürlich, um noch populärer zu werden.