Martin Schindler hat 2017 endgültig den Schritt zum Darts-Profi geschafft und war zum Ende des Jahres zum ersten Mal bei der WM (alle Sessions live auf DAZN) dabei. Nachdem der 21-Jährige gegen Simon Whitlock ausgeschieden ist, gibt er am Freitag sein Debüt bei DAZN. Im Vorfeld spricht Schindler im Interview über Social Media, Kevin Münch und die Überraschungen bei der WM. Außerdem erklärt er, inwiefern er von Max Hopp profitieren konnte.
SPOX: Herr Schindler, Sie sind ab dem Viertelfinale bei DAZN als Co-Kommentator im Einsatz. Auf was für einen Experten können sich die Fans freuen?
Martin Schindler: Meine Aufgabe als Spieler ist es, den Zuschauern Darts aus dem anderen Blickwinkel näherzubringen und meine Eindrücke von der Tour weiterzugeben. Wäre ich kein Darts-Profi, könnte ich mir das auch gut hauptberuflich vorstellen. Ich kann viel reden und ich glaube, dass mir das Kommentieren liegt.
SPOX: Sie kennen einige Spieler von der Tour auch privat. Wie schwierig ist es, als Spieler objektiv zu kommentieren?
Schindler: Natürlich hat man seine Sympathien, aber ich beleuchte trotzdem beide Seiten und verliere nicht die Objektivität. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich beispielsweise bei Kevin Münch mitfiebere und das hätte ich auch vor dem Mikrofon getan. Leider sind wir beide schon raus.
SPOX: Sie sind bei der WM in der ersten Runde mit 1:3 gegen Simon Whitlock ausgeschieden, hatten aber durchaus die eine oder andere Möglichkeit. Wie groß ist die Enttäuschung noch?
Schindler: Im ersten Moment war gerade nach dem Verlauf der Partie die Enttäuschung groß, aber mittlerweile hat sich das gelegt. Ich bin ohne großen Druck hingefahren und trotz der Niederlage war es ein gelungener Abschluss für mein erfolgreiches Jahr. Ich habe mir meinen Traum erfüllt und es war der absolute Hammer! Auf dieser Erfahrung will ich aufbauen, ich lasse mir durch ein Match nicht mein Jahr kaputt machen.
SPOX: Die Fans im Ally Pally sind gnadenlos, das hat man bei diesem unfassbaren Leg gesehen, als einfach kein Doppel fallen wollte. Was geht einem da als Spieler durch den Kopf?
Schindler: Hämischer Jubel bei Fehlwürfen ist schrecklich. Ich zwinge mich in solchen Situationen zur Rationalität. 'Wie oft habe ich diese Doppel 1 schon gecheckt? Jetzt mach es nochmal.' So ein Leg ist zur Belustigung mal okay, aber als Profi ist das der pure Albtraum. Die Reaktion auf Social Media war echt schlimm.
SPOX: Inwiefern?
Schindler: Bei den meisten bleibt nur das Negative hängen, die fünf Legs mit unter 15 Darts erwähnt keiner. Es ist unfassbar, was sich einige Leute im Internet herausnehmen.
SPOX: Ist das auch der Grund dafür, warum Sie bei Facebook nicht so aktiv sind wie andere?
Schindler: Ich bin bei Social Media, weil ich Darts-Spieler und in diesem Sinne eine Person des öffentlichen Lebens bin. Aus Marketing-Sicht sollte ich wohl etwas aktiver werden, gerade Sponsoren schauen auf Social Media, aber ich bin nicht scharf drauf zu sehen, wie vielen Leuten ich gefalle. Da ist es eigentlich schwer begreifbar, dass ich 6.000 Likes habe - damit kann man den Ally Pally fast zwei Mal füllen.
SPOX: Im Ally Pally hagelt es bei der WM 2018 eine Überraschung nach der anderen. Eine davon geht auf das Konto von Kevin Münch, der Adrian Lewis aus dem Turnier gekegelt hat. Hat Münchs Erfolg Ihre Vorbereitung beeinflusst?
Schindler: Ich habe mich erstmal riesig für Kevin gefreut. Er war lange Zeit nicht im Ally Pally und hat sich diese Belohnung verdient. Viele haben erwartet, dass mich das beflügelt, das war aber nicht der Fall. Mein Spiel wird ja nicht einfacher, nur weil ein anderer Deutscher gewonnen hat. Natürlich wollte ich irgendwie seine Leistung wiederholen, aber im Endeffekt habe ich wegen meiner Unerfahrenheit verloren. Das Gefühl, bei der WM dabei zu sein, war so phänomenal und ich war wie in einem Rausch. Vielleicht hätte mir etwas mehr Nervosität gut getan, dann spiele ich für gewöhnlich besser.
SPOX: Man hat bei der WM gesehen, dass jeder Erfolg in Deutschland einen kleinen Darts-Hype auslöst. Merken Sie selbst, dass das Interesse größer wird?
Schindler: Die Entwicklung ist stärker denn je und es wird noch lange dauern, bis sie stagniert. Für den deutschen Darts-Sport ist es entscheidend, dass einer von uns - egal ob Kevin, Max oder ich - oben angreift. Einer müsste mal bei der WM ins Viertel- oder sogar Halbfinale einziehen. Obwohl Deutschland bei Darts noch nicht oben dabei ist, habe ich vor der WM um die 50 Interviewanfragen bekommen.
SPOX: Welche Sie alle abgelehnt haben, um Ihre Vorbereitung nicht zu stören. Würden Sie das wieder so machen? Immerhin birgt die Zeit vor der WM das größte Marketing-Potenzial...
Schindler: Ich brauche keinen Trubel um meine Person. Eine gewisse Aufmerksamkeit ist gut, diese will ich durch spielerische Leistungen erreichen. Klar ist aber auch: Je präsenter man in den Medien ist, desto bessere Sponsorenverträge bekommt man. Angesichts der anfallenden Kosten rund um ein Turnier finanzieren die Sponsoren das Leben.
SPOX: Seit wann können Sie von Darts leben?
Schindler: Seit Anfang des Jahres, als ich mir meine Tour Card erspielt habe. Mein Risiko hält sich zum Glück in Grenzen. Mein Manager Ioannis Selachoglou übernimmt alle Reisekosten, im Gegenzug erhält er einen prozentualen Anteil von meinen Preisegeldern. Außerdem lebe ich bei meinem Vater und will so viel Geld wie möglich sparen, um dann mit einem guten Polster auszuziehen und das Darts-Leben richtig starten. Vor rund eineinhalb Jahren sah das noch anders aus.
SPOX: Damals hatten Sie Ihr Abitur in der Tasche und wollten eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvieren.
Schindler: Genau, ich habe rund 80 Bewerbungen geschrieben und wurde auch zu einigen Vorstellungsgesprächen eingeladen, aber es hat nie geklappt. Im Moment ist das ein Glücksfall, weil ich jetzt als Darts-Profi meine Brötchen verdienen kann, aber mit einem Plan B würde ich mich schon wohler fühlen. Wenn es im schlimmsten Fall in ein paar Jahren mit Darts nicht mehr klappt, wird es nicht einfach, mit dann 25 Jahren einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich habe vor ein paar Monaten noch ein Verkehrswesen-Studium bei der TU Berlin angefangen, aber das ging zeitlich überhaupt nicht. Deshalb setze ich jetzt alles auf die Karte Darts.
SPOX: Das zahlt sich im Moment aus. Sie haben einige Erfolge gefeiert und sind im letzten Jahr in der Rangliste gestiegen. Warum lief 2017 so gut?
Schindler: Ein Faktor war natürlich die Tour Card, die ich mir Anfang des Jahres sichern konnte. Aber der ausschlaggebende Grund für meine Leistungsexplosion war der World Cup of Darts. Max Hopp und ich haben Nordirland und Brasilien geschlagen, das hat mir Selbstvertrauen gegeben und plötzlich habe ich kontinuierlich meine Erfolge eingefahren. Seit dem World Cup habe ich keine Qualifikation für ein European-Tour-Event verpasst.
SPOX: Beim World Cup of Darts waren Sie ganz nah dran an der riesen Sensation, als Sie 2:0 gegen van Gerwen in Führung gingen.
Schindler: Ja, das war grandios. Ich habe das Match mit meiner ersten 180 vor laufenden TV-Kameras überhaupt begonnen. Gleichzeitig war es meine erste Aufnahme gegen van Gerwen in meiner Karriere und dann direkt eine 180. Da habe ich ein paar persönliche Highlights gesetzt.
SPOX: Max Hopp und Sie sind die beiden erfolgreichsten Darts-Spieler in Deutschland. Naturgemäß werden da Vergleiche gezogen. Spielt das für Sie irgendeine Rolle?
Schindler: Ich mag die Vergleiche mit Max nicht. Für mich geht es nicht darum, die Nummer eins in Deutschland zu sein, das ist eine Nebensache. Max kann meinetwegen die Nummer eins von Deutschland sein, wenn wir im Gleichschritt Richtung Spitze marschieren. Ich kann von dem, was ich liebe, leben - und darauf kommt es an.
SPOX: Ist es für Sie ein Vorteil, dass Hopp immer sinnbildlich für die Entwicklung von Darts in Deutschland steht?
Schindler: Ich kenne es nur so, aber ich kann mir gut vorstellen, dass mir das geholfen hat. Während er immer den Ansprüchen gerecht werden musste, konnte ich mich in Ruhe in Max' Schatten entwickeln. Auf der anderen Seite hatte er eben auch früher größere Sponsorenverträge.
SPOX: Sie sind im letzten Jahr Platz für Platz nach oben geklettert und dürften nach der WM wohl wieder rund zehn Plätze gut machen (davor: 75). Haben Sie für das nächste Jahr ein konkretes Ziel?
Schindler: Das langfristige Ziel ist die Top 32, aber ob ich das 2018 schaffe, ist natürlich fraglich. Nächstes Jahr möchte ich meine Erfolge wiederholen und wieder beim World Cup of Darts, der European Darts Championship und der WM dabei sein.
SPOX: Wie groß ist die Lücke zu den Top-32?
Schindler: Spielerisch fehlt nicht viel. Aber ich muss mental besser werden und meinen Gegnern öfters eine Nackenschelle geben. Auch wenn das phänomenal aussieht, wenn ein van Gerwen 110 Punkte ins Brett knallt, der Average ist Nebensache. Das richtige Timing entscheidet die Matches und da sind die Top-Spieler gnadenlos.
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