Raymond van Barneveld im Interview: "Wenn ich an die WM denke, glüht mein Körper"

Raymond van Barneveld freut sich auf die Darts-WM im Ally Pally
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SPOX: Sie sind einer der beliebtesten Spieler auf der Tour. Besonders in Ihrer niederländischen Heimat gibt Ihnen die Barney Army einen außergewöhnlichen Support. Welchen Stellenwert hat Darts in der Niederlande und wie sehen Sie dort die Entwicklung?

van Barneveld: Wir haben sehr wenige große PDC-Turniere. Wir hatten nur das European Tour Event in Maastricht. Zwolle kommt im nächsten Jahr dazu. Aber es ist ein kleines Land. Man kann keinen Vergleich zu Deutschland ziehen. Dennoch hat die PDC eine wichtige Entscheidung getroffen.

SPOX: Und zwar?

van Barneveld: Die Fans wollen die besten Spieler der Welt sehen. Und wo sehen Sie die?

SPOX: In der Premier League.

van Barneveld: Exakt. Und deswegen ist es für den Enthusiasmus um Darts in den Niederlanden Gold wert, dass die Premiere League seit zwei Jahren einen Spieltag in Rotterdam austrägt. Die Premier League ist immer auf höchstem Niveau, es sind immer die Besten der Besten. Es gibt keine einfache Auslosung. Selbst bei der WM kommt man manchmal ins Halbfinale, ohne gegen einen Top-10-Spieler gespielt zu haben. Wenn du die Premier League gewinnst, kannst du nie sagen, es war Losglück. Wenn du diese Trophäe in den Händen hältst, kannst du stolz auf dich sein, denn du hast sie alle besiegt.

SPOX: Ist die Premier League also mehr wert als die WM?

van Barneveld: Nein, so würde ich das nicht sagen. Die WM ist immer noch das größte und wichtigste Turnier. Sie ist fantastisch. Aber dennoch hat die Premier League eine höhere Leistungsdichte. Wenn Sie ein Ticket für die Premier League kaufen, wissen Sie, dass Sie die besten acht bis zehn Spieler der Welt sehen. Wenn Sie ein Ticket für die WM kaufen und unbedingt Raymond van Barneveld im Viertelfinale sehen wollen, dann sind Sie ein Zocker. Wer sagt, dass ich das Viertelfinale überhaupt erreiche? Wer sagt, dass ich in dieser Session spiele?

SPOX: Wenn man Sie im Laufe der Jahre verfolgt, fällt oberflächlich auf, dass Sie Ihr Shirt häufiger ändern als andere Kollegen. Ist das Zufall oder halten Sie es für wichtig, immer wieder Kleinigkeiten zu ändern?

van Barneveld: Es ist eine Suche nach dem Shirt, bei dem ich sage: "Das ist es jetzt!" Ich hatte schon einen Tiger auf dem Rücken, einen Barney von den Flintstones. Aber will ich das wirklich? Ich bin 50 Jahre alt, vielleicht ist ein Barney etwas kindisch. Ich probiere da gerne Dinge aus und mein Ausrüster stellt mir immer wieder neue Modelle. Ich bin mit meinem aktuellen Shirt sehr zufrieden.

SPOX: Mit der WM im Ally Pally hat das große Highlight der Darts-Saison begonnen. Was macht für Sie das Besondere des Turniers aus?

van Barneveld: Wenn ich an die WM denke, glüht mein ganzer Körper. Das ist die große Nummer. Die WM bedeutet mir alles. Im Rest der Saison bin ich verhältnismäßig entspannt. Es ist fantastisch, die Premier League zu gewinnen oder das World Matchplay oder irgendein anderes Turnier. Aber nichts ist vergleichbar damit, die WM zu gewinnen. Die Nummer eins der Welt zu sein wie Michael van Gerwen ist sehr nett, denn es bedeutet, dass du das meiste Geld verdient hast. Und jeder nennt dich die Nummer eins der Welt. Aber wenn du wählen müsstest, würdest du es immer vorziehen, Weltmeister zu sein. Denn dann bist du der Größte für das nächste Jahr.

SPOX: Im Laufe Ihrer Karriere hat sich eine große Rivalität zu Phil Taylor entwickelt. Nun hat er seine letzte WM begonnen. Wie fühlen Sie sich damit, diesen Rivalen, aber auch Wegbegleiter auf der Tour zu verlieren?

van Barneveld: Für mein Konto ist es fantastisch. Dieser Mann hat mich so viel Geld gekostet, er hat meine Karriere ruiniert. (lacht) Aber im Ernst: Tatsächlich bin ich in gewisser Weise glücklich, denn ich werde nicht mehr gegen ihn spielen und deswegen hoffentlich mehr Geld verdienen und in den Rankings höher klettern. Das ist der ehrliche, sportliche Gedanke. Auf der anderen Seite denke ich mir: "Huch, wir werden alt." (lacht)

SPOX: Taylor ist 57, Sie sind 50.

van Barneveld: Wenn man diese Parallele zieht, sind es vielleicht noch fünf bis sieben Jahre, dann war es das auch für mich. Das ist nicht lange. Fünf Jahre sind nichts. Vielleicht entscheide ich mich schon mit 55 oder auch mit 57 dafür, nur noch Exhibitions zu spielen oder für das Fernsehen zu arbeiten. Wer weiß? Ich wünsche Phil nur das Allerbeste für seine Zukunft. Er wird einiges zu tun haben. Ich glaube, er spielt im nächsten Jahr über 150 Exhibitions. Es ist unglaublich, wie populär Taylor ist.

SPOX: Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, dass Sie gegen Taylor spielten?

van Barneveld: Ja. Es war in Malta beim Europe Cup Ende der 80er Jahre. Wir haben im Viertelfinale gegeneinander gespielt. Er hatte noch nie etwas von mir gehört und war selbst bereits der beste Spieler. Beim Stand von 2:2 habe ich zwei Darts auf die Doppel 18 verpasst, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Er hat es bestraft und mich mit 4:2 geschlagen. Er hat dort alle Wettbewerbe gewonnen, den Europe Cup Singles, den Europe Cup Pairs und das Team Event. Und einen Tag später gewann er den Malta Cup Singles und den Malta Cup Pairs. Fünf aus fünf. Mir fiel die Kinnlade herunter und ich dachte: "Wow! Was für ein Spieler!" Ich war damals schon ein riesiger Fan und ich werde immer ein Phil-Taylor-Fan bleiben. Seit damals habe ich ihn immer verfolgt. Als ich dann bei der BDO war, habe ich mich immer gefragt: Bist du der beste Spieler der Welt oder ist es Taylor?

SPOX: Eines Tages hatten Sie dann genug von diesen Gedankenspielen.

van Barneveld: Ich sagte mir: "Okay, jetzt will ich es herausfinden." Es war wie ein Drehbuch, dass ich im ersten Jahr direkt im WM-Finale gegen ihn gespielt habe. Und ich habe gewonnen.

SPOX: In dem wohl legendärsten Finale aller Zeiten...

van Barneveld: Ja und ich war wirklich glücklich und stolz, das geschafft zu haben. Aber in den nächsten Jahren hat er gezeigt, dass er der beste Spieler aller Zeiten ist.