Das Warten hat endlich ein Ende! Am Mittwoch startet im Londoner Ally Pally die Darts-WM 2022 (alle Sessions live auf DAZN). Kann Gerwyn Price seinen Titel verteidigen? Bringt Fallon Sherrock die Fans zum Ausrasten? Und was macht eigentlich die deutsche Teenie-Sensation?
DAZN-Kommentator Elmar Paulke und SPOX-Chefreporter Florian Regelmann machen den Favoritencheck und stellen ein Power Ranking auf.
Die Deutschen: Gabriel Clemens, Martin Schindler, Florian Hempel und Fabian Schmutzler
Gabriel Clemens (PDC Order of Merit: 25)
Wer erinnert sich nicht an die letzte WM, bei der Clemens erst in überragender Manier Peter Wright aus dem Turnier warf, als erster Deutscher in der Geschichte ins WM-Achtelfinale einzog, dort aber nach 7 (!) vergebenen Match-Darts in einem echten Drama an Krzysztof Ratajski scheiterte. Oder wie es der German Giant im SPOX-Interview auf seine unnachahmlich unaufgeregte Art ausdrückte: "Das Match gegen Ratajski war ein Match, bei dem beide wahnsinnig viele Chancen auf den Sieg hatten und einer von beiden hat am Ende getroffen."
Clemens hat ein interessantes Jahr 2021 hinter sich. Insgesamt sicher auf keinen Fall schlecht, auf der Pro-Tour sogar gut (auch wenn er wieder mal knapp an seinem ersten Turniererfolg vorbeischrammte), bei den großen TV-Turnieren und Majors aber schwächlich. Was jetzt bei der WM zu erwarten ist, weiß wohl Gaga selbst nicht so genau.
Klar ist: Sein erstes Match gegen Lewy Williams oder Toyokazu Shibata muss der 38-Jährige gewinnen. Danach würde in Runde drei der an 8 gesetzte Waliser Jonny Clayton warten, der über weite Strecken des Jahres der beste Dartsspieler auf dem Planeten war.
Elmar Paulke: "Vielleicht ist die Auslosung gar nicht schlecht für Gaga. Ein Match gegen Clayton wäre eine ähnliche Situation wie im Vorjahr gegen Wright, da hatte er auch überhaupt keinen Druck und hat uns gezeigt, dass er diese Jungs bei der WM schlagen kann. Ich habe auch den Eindruck, dass Clayton gerade einen leichten Knick bekommt. Dass er etwas nachlässt und nach der unglaublichen Welle, auf der er so lange geritten ist, anfängt, nachzudenken und nicht mehr diese Leichtigkeit in seinem Auftreten hat. Und Clayton weiß, wie gefährlich Gaga ist. Gaga hat in diesem Jahr auf der Pro-Tour einen Neuner geworfen, er hat einen 110er-Average gespielt, er ist für Clayton kein angenehmer Gegner. Wenn Clayton Schwächen zeigt, kann das richtig eng werden, aber wenn Clayton so gut spielt, wie er es uns 2021 so oft bewiesen hat, dann ist er einen Tick zu gut, so ehrlich müssen wir sein."
Martin Schindler (PDC Order of Merit: 69) und Florian Hempel (PDC Order of Merit: 87)
Wir haben wieder ein deutsches Duell im Ally Pally! Am 19. Dezember stehen sich in der Abend-Session Martin Schindler und Florian Hempel gegenüber und kämpfen darum, wer in der zweiten Runde den an fünf gesetzten Belgier Dimitri Van den Bergh herausfordern darf.
Ein interessantes Matchup, das völlig offen ist. Schindler hat nach Jahren, in denen es sehr ruhig um ihn geworden war, heimlich, still und leise ein sehr starkes Jahr mit konstant starken Ergebnissen und Averages auf der Pro-Tour hinter sich. Zuletzt war er auch bei Major-Turnieren wieder mit von der Partie. Und Rookie Hempel ist spätestens seit seinem sensationellen Sieg gegen Wright bei der European Championship ein Begriff.
Beiden wird die Auslosung nicht gefallen haben. Gerade Hempel machte am Rande einer DAZN-Übertragung deutlich, dass er zwei Szenarien gerne vermeiden wollte. Ein Match gegen Fallon Sherrock und damit auch gegen das gesamte Publikum im Ally Pally - und eben ein deutsches Duell. Zumal sowohl Hempel auch Schindler das Selbstvertrauen haben, um davon überzeugt zu sein, dass sie gegen alle anderen möglichen Gegner beide die Chance gehabt hätten, eine Runde weiterzukommen. So kann es nur einen geben - aber wen?
Elmar Paulke: "Für mich ist das Match völlig offen. Für Martin sprechen seine konstanten Leistungen auf der Tour und die Erfahrung, schon im Ally Pally gespielt zu haben. Auf der anderen Seite hat er im Ally Pally noch kein gutes Match gespielt. Und Flo, der den Ally Pally zwar nicht kennt, ist jemand, der die großen Bühnen mag. Er fühlt sich dort wohl, man merkt richtig, dass das sein Revier ist. Wahrscheinlich kommt ihm da auch seine Erfahrung aus dem Handball entgegen. Er weiß, wie es ist, vor Fans zu spielen. Er ist aus dem Handball auch eine gewisse Aggressivität gewohnt. So gut sich die beiden verstehen, auf der Bühne wird da keiner versuchen, eine gute Stimmung zu erzeugen, dieses Ding wollen beide unbedingt gewinnen. Ich habe eine leichte Tendenz zu Flo, aber es ist wirklich ganz eng und kaum vorherzusagen."
Fabian Schmutzler (PDC Order of Merit: nicht gerankt)
Es ist DIE Geschichte im deutschen Dartssport im Jahr 2021. Ein gerade erst 16 Jahre alt gewordener Junge aus Frankfurt qualifiziert sich im November an einem einzigen Wochenende mit überragenden Leistungen auf der Development Tour der PDC völlig überraschend für die WM. Als zweitjüngster Spieler in der Geschichte. Was geht da denn ab?!
Die gesamte Familie wurde vom Hype und plötzlichen Medieninteresse erschlagen. Es ging von 0 auf 180 im Hause Schmutzler! Verrückt: Mutter Pina wollte ihrem Sohn eigentlich Tickets für die WM schenken, das braucht sie aber jetzt gar nicht mehr. Sohn Fabian reist als Spieler nach London und nimmt die gesamte Familie natürlich mit.
Schmutzler trifft am 16. Dezember in der Abend-Session auf den Engländer Ryan Meikle. Dieser gilt seit Jahren als großes Talent und zeigt immer mal wieder, dass er ein extrem hohes Niveau spielen kann, konstant ist er aber so gar nicht. Und der Druck liegt gegen Schmutzler komplett bei ihm. Niemals darf er gegen einen 16-Jährigen verlieren, den muss er weghauen - genau da könnte die Chance des jungen Deutschen liegen. Man stelle sich mal vor, Schmutzler gewinnt, wird zum jüngsten Sieger ever bei der WM und nimmt es danach mit Wright auf - Darts-Deutschland würde Kopf stehen.
Elmar Paulke: "Fabian hat echt die Ruhe weg, das haben wir gemerkt, als wir ihn besucht haben. Wenn du mit ihm über Darts sprichst, hast du das Gefühl, du sprichst mit einem Erwachsenen. Aber auf der anderen Seite ist er halt doch ein ganz normaler 16-Jähriger, der in seinem Kinderzimmer ein Bett, einen Schreibtisch und ein Dartboard stehen hat. Und auf dem kleinen Regal stehen seine Pokale. Es ist herrlich. Er ahnt natürlich noch gar nicht, was da auf ihn zukommt bei der WM. Er hat mal im Stream vor 300 Leuten gespielt und mal bei einem Turnier vor 80, aber natürlich noch nie vor 3500 Verrückten im Ally Pally. Vielleicht erschlägt es ihn, vielleicht hilft ihm aber auch die Unbekümmertheit. Boris Becker hat mal zu mir gesagt, wenn du so jung bist, realisierst du die Momente gar nicht so wie später als erfahrener Spieler, selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen machst du einfach weiter. Diese Naivität kann für die Gegner gefährlich sein. Fabian meinte, er spielt normalerweise einen 80er, 90er-Average, aber er hat auch schon über 100 gespielt, wenn alles zusammenläuft. Mir macht der langsame Wurfrhythmus von Meikle allerdings etwas Sorgen, hoffentlich kann er damit gut umgehen."
Die Österreicher: Mensur Suljovic, Rowby-John Rodriguez und Rusty-Jake Rodriguez
Mensur Suljovic (PDC Order of Merit: 26)
Suljovic ist eine echte Wundertüte. Nach einer ganz schwierigen Phase und dem Absturz in der Weltrangliste aus den Top-25 war im Herbst plötzlich wieder der alte Mensur zu sehen. Mit starken Averages, guten Finishes, mit einer kämpferischen Körpersprache, voll motiviert. Die Frage ist aber, ob das nur ein kurzes Aufflackern war, oder ob mit dem 49-Jährigen wirklich wieder zu rechnen ist. Die fehlende Matchpraxis bereitet in jedem Fall im Vorfeld der WM Sorgen.
Das erste Match gegen Alan Soutar oder Diogo Portela sollte Suljovic gewinnen, danach würde in Runde drei wohl der an sieben gesetzte Portugiese Jose de Sousa warten. The Special One war zuletzt zwar auch nicht in Bestform, dennoch wäre es eine Überraschung, wenn Suljovic sich hier würde durchsetzen können.
Hey, Mensur, immerhin ist Angstgegnerin Fallon Sherrock im Draw so weit weg, dass dieser Albtraum kein neues Kapitel finden wird.
Elmar Paulke: "Mensur ist ganz schwer einzuschätzen. Auch wenn er ja ganz früh in seiner WM-Karriere mal das Achtelfinale erreichte und die damalige Nummer zwei, James Wade, schlug, ist es einfach keine Liebesbeziehung zwischen Mensur und der WM. 'Die WM ist nicht mein Ding' - so einen Satz kannst du eigentlich nicht sagen, aber für Mensur ist es so. Vielleicht hilft es ihm, dass er ohne hohe Erwartungen anreisen kann, und wenn er das Niveau aus dem Herbst erreicht, kann er ein paar Runden gewinnen. Aber im Normalfall wird er leider nicht lange dabei sein."
Rowby-John Rodriguez (PDC Order of Merit: 79) und Rusty-Jake Rodriguez (PDC Order of Merit: 91)
Die Rodriguez-Brüder sind vielleicht die größeren österreichischen Hoffnungen als Suljovic. Für die Zukunft ohnehin, aber vielleicht auch schon in diesem Jahr. Sowohl der 27-jährige Rowby-John als auch der 20-jährige Rusty-Jake haben schon häufig genug bewiesen, dass sie großes Potenzial besitzen. Man denke an die starken Auftritte von Rowby-John in diesem Jahr beim World Cup, als er ein entscheidender Faktor für den Finaleinzug der Österreicher war.
Oder man denke an die überragenden Leistungen von Rusty-Jake auf der Development Tour. In der Geschichte gab es dort fünfmal einen Average über 110, dreimal war Rusty-Jake dafür verantwortlich. Das zeigt, dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist, bis der Durchbruch auf großer Bühne kommt.
Ist es vielleicht bei der WM soweit? Beide haben ähnliche Auslosungen. Nach einem machbaren Auftakt (Rowby-John gegen Nick Kenny / Rusty-Jake gegen Ben Robb) würden starke Gegner warten (Luke Humphries vs. Rowby-John / Chris Dobey vs. Rusty-Jake), die an einem normalen Tag noch eine Nummer zu groß erscheinen. Was aber nicht heißt, dass ihnen ein großes Ding nicht zuzutrauen wäre.
Elmar Paulke: "Alle Rodriguez-Brüder sind selbstbewusste Jungs. Rusty-Jake hat bei mir beim Grand Slam zuletzt sehr gut gefallen. Es gibt nicht viele Spieler außerhalb der Top-50, die so ein hohes Niveau spielen können wie er. Das ist schon bemerkenswert. Ja, es fehlt noch die Konstanz, aber an einem guten Tag kann er praktisch jedem Gegner wehtun. Und für Rowby-John war es nach dem Verlust der Tourkarte auch ein ganz wichtiges und lehrreiches Jahr. Das musst du erstmal schaffen, ohne Tourkarte dich als Nachrücker so durchzubeißen, dass du es zur WM schaffst."
Namen, über die wir sprechen müssen: Gary Anderson, Raymond van Barneveld und Fallon Sherrock
Gary Anderson (PDC Order of Merit: 6)
Der Flying Scotsman ist immer noch die Nummer sechs der Welt, aber er war nicht mal einen Gedanken wert, hier im Power Ranking zu den Top-8 gehören zu können. So tief ist Anderson gefallen. So schlecht war der Schotte in diesem Jahr. Selbst die größten Anderson-Fans hatten über weite Strecken körperliche Schmerzen beim Zuschauen, so weit ist der 50-Jährige von dem Gary Anderson entfernt, der zweimal die WM gewann und mit seiner atemberaubenden Art und Weise, Darts zu spielen, so viele Fans begeisterte.
Dass Anderson bei der letzten WM das Finale erreichte, glich schon einem kleinen Wunder, dieses Mal scheint das komplett ausgeschlossen. Da ändern auch einige wenige gute Auftritte zuletzt beim Grand Slam nichts. Interessant: In Runde zwei könnte es sofort zu einem echten Kracher gegen Adrian Lewis kommen. Anderson vs. Lewis - so hieß zweimal das WM-Finale, jetzt sehen sich die beiden eventuell in Runde zwei und beide kommen als totales Fragezeichen daher.
"Ooooh, Gary, Gary, Gary, Gary, Gary, Gary Anderson!" Nicht auszuschließen, dass wir im Ally Pally zum letzten Mal die berühmten Anderson-Gesänge hören, eine große Karriere neigt sich immer mehr dem Ende zu.
Elmar Paulke: "Egal, welche Probleme er hatte, Anderson war immer in der Lage, noch ein oder zwei Highlights zu setzen, wie im vergangenen Jahr bei der WM und beim World Match Play. Dazu ist er nicht mehr imstande, dazu fehlen ihm einfach die Turniere und die Matchpraxis. Ich finde, dass du es ihm im Gesicht und in den Augen ansiehst, dass er selbst weiß, dass er nicht gut spielen wird. Bis auf ganz wenige Ausnahmen schafft er es einfach nicht, in ein gutes Gefühl hereinzukommen, das er dann zelebrieren könnte. Ich traue ihm nichts Großes zu."
Raymond van Barneveld (PDC Order of Merit: 68)
Was genau ist eigentlich der Plan von Raymond van Barneveld? Nach seinem zwischenzeitlichen Karriereende ist Barney zwar wieder da, irgendwie aber auch nicht. Er hat beim Grand Slam zwar keinen schlechten Eindruck gemacht, aber einer Legende wie van Barneveld kann es nicht darum gehen, keinen schlechten Eindruck zu machen.
Barney wird im nächsten Jahr 55 Jahre alt, will er vielleicht im kommenden Jahr auf die neue Seniors Tour wechseln und es mit seinem alten Kontrahenten Phil Taylor aufnehmen? Auf der PDC Tour ist er aktuell im Niemandsland gefangen. Er müsste eigentlich die Ochsentour machen und sich mühevoll wieder in der Weltrangliste nach oben arbeiten, aber will er sich das wirklich nochmal antun?
Die WM wird wegweisend sein. Denn: Nach einem machbaren Auftakt gegen Lourence Ilagan würde Ex-Weltmeister Rob Cross warten - da muss Barney zeigen, was er noch draufhat.
Elmar Paulke: "Das ist wirklich eine gute Frage, was Barneys Plan ist. Ich weiß es auch nicht. Ich glaube fast, dass er einfach nochmal auf einen echten Paukenschlag hofft, am besten bei der WM. Er hofft wahrscheinlich auf ein fettes Ding, vielleicht auch, um dann mit einem besseren Gefühl seine Karriere beenden zu können. Dieses fette Ding traue ich ihm aber nicht zu."
Fallon Sherrock (PDC Order of Merit: 94)
Fallon Sherrock ist ein Phänomen. Wenn die 27-Jährige am 19. Dezember in der Abend-Session gegen Steve Beaton antritt, wird ihr Match das Match des Abends sein. Und zwar ganz eindeutig. Die Fans werden ausrasten, wenn die "Queen of the Palace" auf die Bühne marschieren wird, der Hype wird wieder keine Grenzen kennen. Ein mögliches Drittrundenmatch gegen Gerwyn Price wäre wohl das Traumszenario für alle TV-Anstalten.
Und wenn man daran denkt, wie grandios Sherrock beim Grand Slam aufzockte, ist der Hype sogar berechtigt. Ihre Finishes gegen Clemens waren eine absolute Sensation, genauso wie ihre beeindruckende Leistung bei ihrer knappen Viertelfinal-Niederlage gegen Wright.
Allerdings war der Grand Slam 2021 einer von gerade mal zwei Auftritten auf der großen Bühne. Das ist praktisch nichts. Sherrock hält aktuell nicht mal eine Tourkarte und ist lediglich die Nummer 94 der Welt. Dennoch wird sie von so manchem in die Premier League geredet, weil sie marketingtechnisch jetzt schon so ein enormes Zugpferd ist.
Es wird spannend zu sehen sein, wie ihr Weg bei der WM und danach weitergeht.
Elmar Paulke: "Rein sportlich geht Fallon als Favoritin in das Match gegen Steve Beaton, wenn wir ihre Leistungen beim Grand Slam zugrunde legen. Aber unterschätzt mir den Bronzed Adonis nicht. Der wird das Publikum ganz easy händeln und sich nicht ins Höschen machen, der ist da ganz entspannt, zumal er selbst eine Legende ist und jedes Jahr nur noch mehr abgefeiert wird. Das wird ein heißes Match. Ich bin gespannt, wie Fallon mit den eigenen Erwartungen umgeht, die werden sich verändert haben. Kann sie dieses Niveau wirklich halten, das ist die entscheidende Frage, da bin ich echt gespannt."
Das Power Ranking zur Darts-WM: Die Top-8
8. Dimitri Van den Bergh (PDC Order of Merit: 5)
Van den Bergh konnte - wohl auch etwas geschwächt von einer Coronainfektion - zuletzt zwar nicht vollends überzeugen, dennoch sollte man mit ihm rechnen. Zumindest mehr als mit den anderen Kandidaten wie Jose de Sousa, Nathan Aspinall, die alle nicht on fire sind. Oder auch mehr als mit einem Luke Humphries, der so ein großes Potenzial besitzt, dass er für den achten Spot im Ranking zwar eine Überlegung war, am Ende reicht es aber noch nicht für Cool Hand Luke.
Was für Van den Bergh spricht? Punkt 1: Der 27-Jähriger ist für die größten Bühnen gemacht, bei der WM stand er schon zweimal im Viertelfinale, er wird unabhängig der letzten Resultate mit guten Vibes in den Ally Pally kommen. Punkt 2: Die Auslosung hat es gut mit ihm gemeint. Hempel oder Schindler, dann vielleicht Petersen, dann vielleicht Ratajski oder King - alles mehr als machbar bis mindestens ins Viertelfinale. Punkt 3: Der Belgier ist Anfang Dezember Vater geworden, das wird den Strahlemann noch mehr pushen und mit einem Glücksgefühl im Gepäck zur WM kommen lassen.
Elmar Paulke: "Den WM-Titel traue ich Dimi zwar momentan nicht zu, aber er gehört für mich in die Top-8. Neben seinem Faible für die großen Bühnen sollten wir den privaten Faktor nicht unterschätzen. Für manche kann das auch in die andere Richtung gehen, aber nicht für Dimi. Den pusht das, der will jetzt seine Tochter stolz machen. Aufgepasst auf den Dream Maker!"
7. Rob Cross (PDC Order of Merit: 11)
Rob Cross is back! Der Weltmeister von 2018 drohte nach einer echten Krise fast schon etwas in der Versenkung zu verschwinden, ehe er sich in diesem Jahr eindrucksvoll zurückgemeldet hat. Vor allem blieb Cross an einem ganz entscheidenden Punkt seiner Karriere mental stark.
Bei einem schlechten Abschneiden bei der European Championship wäre Cross aus den Top-20 gefallen, aber was macht Voltage? Der gewinnt das Ding einfach, schlägt im Finale Michael van Gerwen und ist mit einem Schlag wieder an den Top-10 dran.
Sollte Cross die wahrscheinlich auf ihn zukommende Aufgabe gegen van Barneveld meistern, ist der Weg ins Viertelfinale (Anderson oder White im Achtelfinale) eigentlich frei, dort könnte es dann zu einem erneuten Duell mit MvG kommen.
Elmar Paulke: "Cross hat wirklich wahnsinnig viel Druck gehabt und das toll überstanden. Barney ist natürlich ein tougher Gegner, gerade im Set-Modus, aber so ein früher Prüfstein kann auch sehr gut sein. Cross weiß, dass er sofort da sein muss, es geht sofort voll zur Sache - oft ist das besser für den Verlauf eines Turniers als ein vermeintlich leichtes Match zum Start."
6. Michael Smith (PDC Order of Merit: 9)
Es ist und bleibt die ewige Frage: Wann holt dieser so unfassbar talentierte Bully Boy, der an guten Tagen die Sterne vom Himmel spielt, endlich seinen ersten großen Titel? Smith stand in allen großen Finals (WM, World Match Play, Premier League), aber der ersehnte große Titel fehlt nach wie vor.
Die gute Nachricht für alle Smith-Fans: Der 31-Jährige scheint nach einem durchwachsenen Jahr genau rechtzeitig zur WM in Fahrt zu kommen. Ende Oktober holte er sich seinen zweiten Pro-Tour-Erfolg der Saison, im November folgte der Halbfinal-Einzug beim Grand Slam.
Die schlechte Nachricht für alle Smith-Fans: So gut es die Auslosung zu Beginn des Turniers mit ihm meinte (der am Boden oder sogar darunter liegende Glen Durrant wäre laut Setzung der mögliche Drittrundengegner), so schwierig wird sie im Lauf des Turniers. Smith müsste wohl erst Clayton und dann Price schlagen, um überhaupt ins Halbfinale zu kommen. Kann er das? Sicher! Ist das wahrscheinlich? Nein...
Elmar Paulke: "Ich habe den Glauben an den Bully Boy noch nicht verloren. Ich habe ihn nicht abgeschrieben und glaube, dass er diesen großen Titel noch holen kann. Auch deshalb, weil ich finde, dass man schon gesehen hat, dass er mental besser geworden ist. Er ist ruhiger geworden und wird auch in schlechten Phasen nicht mehr so negativ. Er schluckt diese Phasen besser runter, er verdaut sie besser. Allerdings muss ich auch sagen, dass dieser große Titel schon bald kommen müsste meiner Meinung nach. Dass es jemand zehn Jahre lang nicht packt, aber dann im 13. Jahr? Das passiert eigentlich nicht. Die Zeit läuft ihm deshalb schon so ein bisschen weg."
5. James Wade (PDC Order of Merit: 4)
Nach den Top-4 folgt ein klarer Cut. Aber wenn man dann beim "Best of the rest" ist, muss sofort der Name James Wade fallen. The Machine ist die aktuelle 4 der Welt, er holte in diesem Jahr bei den UK Open seinen elften Major-Titel der Karriere. Nach Phil Taylor ist Wade erst der zweite Spieler in der Geschichte, der in drei Dekaden Major-Titel gewonnen hat. Ach ja, und Wade stand zuletzt im Halbfinale beim Grand Slam - die Form stimmt also auch.
Dennoch spricht gefühlt niemand über Wade. Ein Fehler! Auch deshalb, weil Wade in dem Viertel des Draws gelandet ist, bei dem er der Favorit für das Halbfinale sein muss. Van der Voort, dann Cullen oder Whitlock, dann womöglich Van den Bergh - Wades Weg in sein erstes WM-Halbfinale seit 2013 ist definitiv offen. Und vielleicht ja sogar mehr. Einen möglichen WM-Titel würde Wade auf jeden Fall über die Doppel-10 checken, so viel steht fest.
Elmar Paulke: "Ich habe das Gefühl, bei Wade könnte es schnackseln. Er hat mir im Interview gesagt, dass er weiß, dass er noch einmal bei der WM zuschlagen wird. Es ist dieser WM-Titel, der Wade fehlt, um zu den ganz Großen in der Geschichte zu gehören. Alles andere hat er auf der Habenseite, es fehlt nur dieser Ritterschlag."
4. Jonny Clayton (PDC Order of Merit: 8)
2020 ging die unglaubliche Reise des Jonny Clayton los. An der Seite von Gerwyn Price holte er für Wales den World Cup und irgendwie war dieser Moment ein Auslöser für ein überragendes Jahr 2021, in dem der 47-Jährige über weite Strecken schlicht und ergreifend "unstoppable" war.
Masters: Gewonnen. Check. Premier League: Gewonnen. Check. World Grand Prix: Gewonnen. Check. World Series of Darts Finals: Gewonnen. Check. Clayton war so on fire, dass es eine Phase gab, in der jedes Finish der Welt auf dem Scoreboard hätte stehen können, man hätte immer gedacht: der Clayton checkt das.
So ganz konnte The Ferret die Form zuletzt nicht mehr konservieren, es wäre ehrlich gesagt auch etwas zu viel des Guten gewesen. Dennoch muss man mit Clayton, der verrückterweise nach wie vor seinem ganz normalen Job als Verputzer nachgeht, natürlich alles zutrauen - auch den WM-Titel. Der potenzielle Weg ins Halbfinale (Clemens, Smith, Price) hat es allerdings in sich - ein Duell mit seinem Kumpel Price im Viertelfinale hätte das Potenzial zum Match des Turniers.
Elmar Paulke: "An Claytons atemberaubender Phase kann man ganz gut festmachen, dass sich Darts gar nicht so sehr im Scoring nochmal so verbessert hat, aber im Checken. Claytons Doppelquote war ja irrwitzig gut und lag teilweise bei über 70, 80 Prozent. Wir erinnern uns, wie er die 170 und 164 nacheinander ausgemacht hat beim Grand Prix, als gäbe es kein Morgen. Das war schon ein sehr ungewöhnlicher Lauf, den er dort geschoben hat. Er hat auch eine tolle Haltung bekommen auf der Bühne. Er ist selbstbewusst, aber ohne arrogant zu wirken. An ihm kannst du dich überhaupt nicht reiben, er verhält sich immer total korrekt, aber trotzdem hat er den Killerinstinkt."
3. Michael van Gerwen (PDC Order of Merit: 3)
Unfassbar, aber wahr: Michael van Gerwen hat seit über einem Jahr (Players Championship Finals 2020) kein Major-Turnier mehr gewonnen. Null. Nada. Niente. Es dauerte auch bis Anfang November, ehe MvG wenigstens mal wieder auf der Pro-Tour erfolgreich war und so seine Durststrecke beendete.
Das heißt aber nicht, dass der 32-Jährige schlecht spielt. Im Gegenteil: Wenn man nur danach gehen würde, wer in den vergangenen Monaten die besten Averages spielt, dann müsste van Gerwen im Ranking an der Eins stehen. Er spielt gut und ist ohne Zweifel auch wieder einer der Topfavoriten für die WM, aber warum auch immer bringt er sein Spiel noch nicht wieder über ein ganzes großes Turnier zusammen.
Es muss den Niederländer innerlich zerreißen, nicht an der Spitze der Weltrangliste zu stehen und dabei zuschauen zu müssen, wie seine großen Rivalen die großen Trophäen abräumen. Er kann es aktuell wohl selbst nicht greifen, woran es liegt, dass er in entscheidenden Phasen und Matches nicht mehr die Dominanz früherer Tage ausstrahlen kann.
Es sollte eigentlich mindestens ins Halbfinale (potenziell gegen Wright) gehen, aber wenn MvG im Achtelfinale an Humphries scheitern würde, würde das auch keinen schocken. Das beschreibt van Gerwen im Dezember 2021 vielleicht ganz gut.
Elmar Paulke: "Mir geht es bei van Gerwen wahrscheinlich wie vielen anderen. Ich sehe ihn zwei, drei Runden spielen und denke mir: MvG ist wieder da! Und dann sehe ich sein nächstes Match und stelle fest: okay, doch nicht. Er hat in jedem Turnier diese unerklärlichen Aussetzer. Matches, bei denen überhaupt nichts zusammenläuft, bei denen er nicht einmal dazu kommt, laut zu werden, sondern teilweise sang- und klanglos verliert. Früher hat er sich auch mit seinem B-Game durch Matches gefummelt, wenn es nicht sein bester Tag war, das gelingt ihm nicht mehr. Dennoch ist er spielerisch insgesamt top drauf. Ich glaube, dass er sehr aufmerksam sein wird bei jedem Match bei der WM, weil er weiß, dass er aufpassen muss, nicht die Kontrolle zu verlieren. Vielleicht hilft ihm das."
2. Peter Wright (PDC Order of Merit: 2)
Nachdem Snakebite sich im Sommer auf beeindruckende Art und Weise den Titel beim World Match Play holte, schlitterte der Schotte in eine einigermaßen veritable Schaffenskrise. Ein Hauptgrund dafür waren sicherlich die schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme am Rücken von Ehefrau Joanne. Wright hatte Wichtigeres im Kopf als Darts - Motivationsprobleme waren die Folge.
Zuletzt war Joanne aber wieder bei Turnieren dabei und schon war - fast - der alte Snakebite wieder da. Beim Grand Slam verlor er noch das Finale gegen Price, aber danach folgte bei den Players Championship Finals genau rechtzeitig vor der WM der Triumph, der den 51-Jährigen mit einem sehr guten Gefühl in den Ally Pally kommen lassen wird.
Es war der fünfte Major-Sieg für den Weltmeister von 2020 innerhalb der letzten zwei Jahre.
Elmar Paulke: "Snakebite hat genau rechtzeitig die Kurve bekommen. Er hat gezeigt, dass er da ist, auch wenn es noch nicht sein A-Game war. Das wird aber bei der WM kommen, da bin ich sicher. Bei ihm finde ich vor allem interessant, wie er sich als Typ verändert hat. Früher war er ja derjenige, der zu allen nett war, sehr introvertiert und zurückhaltend, wenn er nicht kostümiert in seine Rolle schlüpft. Aber jetzt ist er viel selbstbewusster geworden, er geht Konflikten nicht aus dem Weg, sondern sucht sie eher, indem er in Interviews provoziert und sagt, dass MvG kein Turnier gewinnen wird. Auch bei den Reibereien zuletzt mit Lewis war es mein Eindruck, dass es Wright war, der Lewis damit aus der Konzentration bringen wollte. Er wurde jetzt auch schon ein paar Mal ausgebuht, das ist alles sehr ungewöhnlich. Aber vielleicht tut es seinem Spiel gut."
1. Gerwyn Price (PDC Order of Merit: 1)
Ein Jahr, nachdem sich Price durch einen 7:3-Erfolg im Finale gegen Anderson seinen ersten WM-Titel holte und zur neuen Nummer eins der Darts-Welt wurde, steht der Waliser nach wie vor an der Spitze der Rangliste und muss auch als Topfavorit für einen erneuten Triumph gelten.
Der überzeugende Sieg im Grand-Slam-Finale gegen Wright (16:8), sein erster Major-Titel seit der WM, war wichtig für den Iceman. Dass er bei den Players Championship Finals früh rausflog, sollte man nicht zu hoch hängen. Price beklagte sich im Anschluss über die - kalten - Bedingungen, er hätte auch keine Heizung auf seinem Zimmer gehabt. Das war wohl alles nix. Der 36-Jährige war froh, abreisen zu können. Die Niederlage wird ihn keine Sekunde mehr beschäftigt haben.
Interessanter ist da sein Umgang mit den Fans. Wie aggressiv wird sich Price bei der WM geben? Wie werden die Fans auf ihn reagieren? Price selbst machte es über seine Social-Media-Kanäle zum Thema, er scheint offenbar nicht mehr so recht seiner Intuition zu trauen und versuchte zuletzt, seine Aggressionen bewusster einzusetzen und nicht immer steil zu gehen.
Würde er sich aber zu sehr entgegen seiner Natur zurücknehmen, kann das seinem Spiel nur schaden. Auf der anderen Seite ist der 36-Jährige immer für ein Eigentor gut, wie zuletzt beim World Grand Prix gesehen, als er die Fans im Interview auf der Bühne beschimpfte. Dann kannst du dich natürlich auch nicht beschweren, wenn du ausgebuht wirst...
Elmar Paulke: "Price ist für mich deshalb die Nummer eins im Ranking, weil ich bei ihm das Gefühl habe, dass er sein Spiel zusammenbekommt, wenn es wichtig wird. Wenn er da sein muss, ist er da. Er wirkt sehr stabil auf mich, im Unterschied zu Wright und van Gerwen hat er diese Ausreißer nach unten nicht. Er wird es auch genießen, als Titelverteidiger in den Ally Pally zu kommen, das wird ihn nicht belasten, das wird ihn beflügeln."
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