Flops
Jelena Issinbajewa
Es gibt Menschen, von denen wünschte man sich, sie würden sich auf ihr sportliches Tun beschränken und sich ansonsten möglichst still verhalten. Seit wenigen Tagen befindet sich auch Jelena Issinbajewa auf dieser Liste. So begeisternd ihr Sieg im Stabhochsprung mit anschließendem doppeltem Flickflack war, so enttäuschend waren manche ihrer Worte. "Männer sollen Frauen lieben und umgekehrt", befand sie, angesprochen auf das umstrittene "Anti-Homosexuellen-Gesetz".
"Wir verstehen uns als traditionelles Volk. Wenn wir all diese Dinge auf unseren Straßen zulassen, würden wir Angst um unsere Nation haben." Ihr Wunsch, dass dieses "Problem" nicht die olympischen Winterspiele belasten solle, war im mindesten Fall naiv, in jedem Fall eine Frechheit und definitiv ein klarer Flop.
Unsäglich zudem, dass die Stabhochsprung-Queen nach einer Welle der Empörung halbgar zurückruderte: "Ich bin gegen jede Diskriminierung von Homosexuellen." Issinbajewas Ausrede: "Englisch ist nicht meine erste Sprache. Ich bin wohl missverstanden worden gestern." Klar. Den Beweis gibt's im Video.
Der Zeitplan
So manche Entscheidung der Veranstalter warf während der WM Fragen auf. Darunter jene, das Halbfinale und das Finale des 100 m Hürdenlaufs der Frauen am selben Tag und mit nur 90 Minuten Pause zu veranstalten. Oder die, dass am ersten Tag die Frauen ihren Marathon in der brütenden Mittagshitze und Stunden vor der offiziellen Eröffnungsfeier - praktisch vor einer Geisterkulisse - absolvieren "durften".
Ebenso fragwürdig: die Terminierung am Schlusstag. Zwischen dem letzten Halbfinale der 4x100m-Staffeln und DEM Finale hatten die Sprinterinnen, darunter die deutschen, nur knapp mehr als eine Stunde Zeit zur Erholung. Logisch, dass das DLV-Team, das nicht über eine ähnliche Kadertiefe verfügen wie die Jamaikaner, im Finale die schwächere Zeit liefen. Logisch aber auch, dass Fraser-Pryce und Co. nicht wie avisiert den Weltrekord zu Fall brachten.
Das Publikum
Mit den Zuschauern wurden viele Athleten auch nach neun Tagen noch nicht so richtig warm. Das lag zum einen an der emotionalen Distanziertheit der Russen gegenüber nicht heimischen Athleten, zum anderen daran, dass das Stadion bis auf wenige Ausnahmen an allen Wettkampftagen deutliche Lücken in der Befüllung aufwies.
"Ich bin es gewohnt, dass das Stadion aus allen Nähten platzt, wenn ich zum 100m-Finale antrete", stellte etwa Usain Bolt fest. "Anfangs haben die Leute hier gar nicht gelacht, immerhin sind sie nach und nach entspannter geworden."
Während sich also in Kingston auf der anderen Seite der Welt Fanmeilen mit gelb-grün-schwarzen Fahnen und tanzendem Partyvolk füllten, verschob der müde Bolt seine Feier. Auf später. In die Heimat. Rio dürfte dem Jamaikaner wohl wieder besser liegen...
Die Kampfrichter
Mehr als einmal gerieten die Kampfrichter (unfreiwillig!) in den Mittelpunkt des Geschehens. David Storl hätte eine falsch getroffene Entscheidung beinahe um den verdienten Lohn seiner Arbeit gebracht, weil die übereifrigen Kampfrichter seinen Siegesstoß über 21,73 m fälschlicherweise als übertreten werten wollten. London calling? Der Vergleich mit der Posse um Betty Heidlers erst falsch und dann angeblich gar nicht gemessener Hammerwurf-Weite beim olympischen Bronze-Versuch drängte sich auf.
Auch die deutschen Sprinterinnen wurden um ein Haar Opfer einer solchen Fehleinschätzung. Im Halbfinale sollte die Staffel über 4x100m zunächst aufgrund eines angeblich fehlenden Stabes beim Zieleinlauf, dann wegen Verlassens der Bahn disqualifiziert werden. Am Ende stellte sich heraus, dass die Deutschen eigentlich gar nichts verbrochen hatten. Richtig lagen die Richter immerhin beim Ausschluss der britischen Männerstaffel.
Der verfluchte zweite Tag
Es hätte der Tag der deutschen Athleten werden können. Gleich fünf Medaillenhoffnungen gingen ins Rennen. Am Ende war es jedoch ein Tag zum Vergessen. Einzig Michael Schrader verhinderte mit seiner Silbermedaille im Zehnkampf ein vollständiges Debakel aus deutscher Sicht. Die übrigen deutschen Medaillenkandidaten um Nadine Müller (Diskus), Sosthene Moguenera (Weitsprung), Rico Freimuth und Pascal Behrenbruch (beide Zehnkampf) gingen dagegen leer aus.
Müller wurde wenigstens noch Vierte. "Im Finale kann ich bestimmt zwei bis drei Meter draufpacken", hatte sich Müller, Vizeweltmeisterin von 2011 nach einer souveränen Qualifikation noch optimistisch gezeigt. Zu optimistisch. Behrenbuch stürzte an seinem sonst so starken zweiten Tag übel ab. Moguenara reiste mit einer neuen Bestleistung von 7,04 m als Nummer zwei der Welt nach Moskau, wurde im Finale aber mit indiskutablen 6,42 m Letzte.