Ich bin verärgert. Es war überhaupt nicht mein Wettkampf", sagte Storl in der ARD mit Leichenbittermiene: "Es war technisch nicht sauber, ich habe auf dem Weg ins Stadion die Linie verloren. Deshalb bin ich froh, dass ich noch Silber geholt habe." In einem packenden Wettkampf im Vogelnest rückte Storl mit 21,74 m im vorletzten Versuch zwar noch von Platz vier auf zwei vor, Gold und seinen ersten großen Titel sicherte sich Kovacs mit 21,93. Bronze ging überraschend an den Jamaikaner O'Dayne Richards (21,69).
Schnell verließ 22-m-Stoßer Storl das Olympiastadion von 2008, die Enttäuschung saß zu tief. "Ich wollte meinen Titel natürlich verteidigen und habe mir 22 Meter schon zugetraut. Es war aber schwierig umzusetzen", sagte Storl. Am Montag folgt noch die Siegerehrung, bereits am Dienstag geht es für Storl wieder nach Deutschland zurück. Dort wartet Arbeit auf ihn. "Ich muss jetzt schauen, dass ich das schnell verarbeite und den Blick auf Rio lenke", sagte Storl.
Plötzlich Rang vier
Zur Halbzeit musste sich Storl an der rechten Wade behandeln, danach auch den "Kiwi" Walsh vorbeiziehen lassen. Er haderte mit seiner Leistung, Als sich dann Kovacs auf 21,93 steigerte, stand Storl plötzlich sogar ohne Medaille da, schlug dann aber im fünften Versuch zurück.
Der sächsische Modell-Athlet, der mit im Juli in Lausanne erzielten 22,20 m als Nummer zwei der Welt hinter Kovacs (22,56) nach Peking gekommen war, landete zum vierten Mal bei einer großen Meisterschaft auf dem Silberrang: Bei Olympia 2012 lag er drei Zentimeter hinter dem Polen Tomasz Majewski, bei der Hallen-Weltmeisterschaften 2012 und 2014 hinter dem Amerikaner Ryan Whiting.
Storl mit Schmerzen
Für Storl spiegelt WM-Silber ein Jahr der großen Erfolge, aber auch der großen Schmerzen wider. Anfang Juli hatte der Modellathlet in Lausanne mit 22,20 m als dritter Deutscher endlich die 22-Meter-Marke geknackt, der er fast vier Jahre lang hinterher gejagt war.
Allerdings hatte Storl auch durch die gesamte Saison mit Knieschmerzen zu kämpfen, musste sich regelmäßig spritzen lassen - eine Knie-OP im vergangenen Herbst hatte keine Linderung gebracht. "Die entzündete Sehne ist doppelt so dick wie im vergangenen Jahr", sagte Storl. Für die Jagd nach Gold betrieb er Raubbau am eigenen Körper.
Die körperlichen Probleme hielt er mit der ihm eigenen Gemütsruhe aus. Einer Ruhe, die auch Coach Sven Lang mitunter zur Weißglut treibt. So verpasste Storl vorvergangene Woche den Flieger ins WM-Trainingscamp nach Südkorea - er hatte den Reisepass daheim in Chemnitz vergessen. Storl flog dem Team auf eigene Faust hinterher, und kam nur zwei Stunden nach den Kollegen an.
"Das war eine Nummer", sagte Lang: "Aber manche sind eben nur auf der Welt, um Glück zu haben." Das Glück reichte diesmal aber nicht ganz.