Er ist 18 Jahre alt, sorgt in der Formel 3 für Furore und gilt insgesamt als eines der größten deutschen Motorsport-Talente: Maximilian Günther. Ein Gespräch über Michael Schumachers Sohn Mick, den Traum von der Formel 1, Fernando Alonso und den Stress mit dem Abitur.
SPOX: Herr Günther, Sie sind eins der hoffnungsvollsten Motorsport-Talente aus Deutschland, stecken aber gerade mitten im Abi-Stress. Wie liefen die Prüfungen bisher?
Maximilian Günther: Ich denke, es lief gut. Bisher habe ich Deutsch und Mathe geschrieben und es ist mir bislang nichts vorzuwerfen. Es ist natürlich eine Herausforderung: Durch den Rennsport hatte ich einige Fehltage, aber das ist der Kompromiss den man eingehen muss. Ich habe mich so gut es ging darauf vorbereitet. Nach dem Rennen in Ungarn habe ich zum Beispiel die Zeit noch einmal genutzt, um vor allem Mathe zu pauken.
SPOX: Sie fahren derzeit in der Formel-3-EM. Die Saison lief für Sie gut an. Nach den ersten beiden Rennwochenenden in Paul Ricard und am Hungaroring sind Sie der Gesamtführende. Sind Sie zufrieden?
Günther: Es war ein wirklich guter Saisonstart mit meinem neuen Team Prema. Es ist sicherlich positiv, wenn man nach den ersten beiden Wochenende auf Platz 1 in der Meisterschaft ist. Die Saison ist aber noch lang. Man hat aber durch meine Pole-Positions gesehen, dass wir gut dastehen. Es ist eine Kombination aus Fahrer und Team. In der Formel 3 ist die Leistungsdichte sehr hoch, da muss alles passen. Ich denke, dass wir momentan einfach ein sehr gutes Paket haben. Das gibt mir ein gutes Gefühl für die weiteren Aufgaben.
SPOX: Dass alles nach Plan lief, kann man trotzdem nicht sagen. In den bisherigen sechs Saisonrennen wurden Sie zwei Mal in Führung liegend abgeschossen. Wie sehr ärgern Sie sich darüber? Sie hätten schon zu diesem frühen Zeitpunkt ein ordentliches Punktepolster haben können.
Günther: Natürlich ist es ärgerlich. Aber es gehört im Motorsport einfach dazu. In Frankreich war es ein Startunfall, da war nichts zu machen. Wenn einer kurzzeitig die Kontrolle verliert, kommt es zu einer Kettenreaktion. Ich war halt genau an der Stelle, wo das passiert ist. Allerdings war mein Start auch nicht optimal. Vielleicht wäre ich bei einem besseren Start gar nicht in der Position gewesen. In Ungarn habe ich George Russell auf der Innenseite genug Platz gelassen, aber er ist zu schnell in die Kurve gefahren und hat mich abgeräumt. Da war für mich wieder nichts zu machen. Sowas muss man unter unglücklichem Rennverlauf abhacken. Hätte, wäre, wenn bringt nichts und es macht einen stärker, wenn man solche Rückschläge weggesteckt hat. Im Großen und Ganzen lief es bisher sehr gut. Jetzt ist es wichtig, auf diesem Weg weiter zu arbeiten und nach vorne zu schauen.
SPOX: Sie kommen aus Rettenberg in der Nähe von Oberstdorf. Wäre da nicht eine Karriere im Wintersport nahe liegender gewesen?
Günther: (lacht) Absolut. Der Wintersport wäre etwas nahe liegender gewesen, ich habe mich aber für den komplizierteren Weg entschieden. Rennstrecken gibt es in der Nähe nicht wirklich, Hockenheim ist mit drei Stunden Anfahrt schon meine absolute Heimstrecke.
SPOX: Einige Rennfahrer sagen, dass Ihnen der Wintersport auch auf der Strecke hilft.
Günther: Ich mache natürlich Wintersport und schöpfe die Möglichkeiten aus. Aber das sind schon zwei Paar Schuhe. Generell geht es in beiden Sportarten um Speed und Linienwahl, deshalb ist es ein interessanter Vergleich. Es gibt Parallelen, aber ich muss wegen dem Verletzungsrisiko etwa aufs Skifahren verzichten. Langlauf mache ich gerne, das hilft bei der Ausdauer.
SPOX: Sie müssen für den Traum von der Formel 1 auf einiges verzichten. Bleibt überhaupt Freizeit?
Günther: Neben dem für den Motorsport wichtigen Fitnesstraining ist bei mir natürlich der Sport im Vordergrund. Ich fahre gerne Rennrad, das ist meine zweite große Leidenschaft. Ansonsten gehe ich mit meinen Freunden oder meinem Vater squashen. Wenn es mal etwas ruhiger zugehen soll, gehe ich golfen, auch wenn ich leider nicht oft dazu komme. Ab und zu spiele ich natürlich auch mit Freunden auf der Playstation.
SPOX: Im Alter von neun Jahren haben Sie erstmals an Kartmeisterschaften teilgenommen. Wann ist die Entscheidung gereift, Rennfahrer zu werden?
Günther: Mit sechs Jahren habe ich das erste Mal im Kart gesessen. Bei uns in der Nähe gibt es einen Kart-Slalom-Verein. Ich hatte direkt Spaß daran und die Leidenschaft ist entbrannt. Schon sehr früh hatte ich dann den Traum, Formel 1-Fahrer zu werden. Im Kart-Slalom lief es sehr gut und dann bin ich nach ein paar Jahren auf die Rundstrecke gewchselt. Da war ich der Jüngste. Das war eigentlich immer so, wenn ich in eine neue Serie aufgestiegen bin. Die Erfolge haben sich überall eingestellt und es nahm alles seinen Lauf.
SPOX: Sie haben unter anderem die ADAC-KF3-Meisterschaft 2010 gewonnen. Schwelgen Sie in Erinnerungen, wenn Sie daran zurückdenken?
Günther: Es war sicherlich das schönste Jahr für mich im Kartsport. Auch hier ist es so, dass das Team gut funktionieren muss. Als Fahrer sieht man beim Kart alles, daher hat man, obwohl man noch recht jung ist, schon Einfluss auf die Abstimmung, auch wenn ich an den Rennwochenenden nur selten selbst rumgeschraubt habe.
SPOX: Spätestens in der ersten Saison in einem Formelauto im Formel BMW Talent Cup 2011 wurde mit dem zweiten Platz in der Gesamtwertung Ihr Talent offensichtlich. Wie schwierig war die Umstellung aufs Formelauto?
Günther: Es war auf jeden Fall die größte Umstellung bisher. Wenn man vom Kart kommt, hat man eine bestimmte Fahrweise, was zum Beispiel die Ideallinie betrifft. Allerdings verändern sich die Abläufe im richtigen Auto komplett. Das fängt bei der Schaltung an und geht über eine andere Sitzposition bis zur Aerodynamik. Da ändern sich einige Parameter wirklich grundlegend.
SPOX: Nach einem Jahr Vorbereitungsphase Sind Sie 2013 in die ADAC Formel Masters gewechselt. Auf dem Lausitzring gelang direkt der Hattrick aus Pole, Sieg und schnellster Rennrunde. Am Ende stand dann wie in der Folgesaison Platz zwei. Warum hat es nicht für den ganz großen Wurf gelangt?
Günther: 2012 war ich schlichtweg zu jung für die Formel Masters und durfte keine Rennen fahren. Also habe ich eine Saison lang getestet. Der Einstieg in die Serie ist mir recht gut gelungen, ich hatte beispielsweise die meisten Pole-Positions. Im zweiten Jahr war das Ziel den Titel zu holen, aber Platz zwei war wieder das Maximum. Leider war unser Gesamtpaket nicht stark genug.
SPOX: Nach dem Aufstieg in die Formel 3 im nächsten Jahr sorgten Sie schnell für Furore. Haben Sie mit einer so guten Saison gerechnet oder wäre es sogar noch besser gegangen?
Günther: Es war auf jeden Fall eine gute Rookie-Saison mit einigen Highlights wie dem zweiten Platz beim Grand Prix de Pau in Frankreich oder dem Sieg auf dem Norisring. Es war wichtig für mich, zu zeigen, was drin ist und dass ich auf Anhieb gut zurechtkomme. Das Paket war leider nicht stark genug, um ganz nach vorne zu kommen. Von daher war der achte Platz in der Gesamtwertung das Maximum für mich - auch wenn das nicht mein Ziel ist. Aber es war ein lehrreiches Jahr mit vielen Zweikämpfen, die mich stärker gemacht haben.
SPOX: Beim Sieg auf dem Norisring haben Sie sich von Startplatz 12 ganz nach vorne gearbeitet. Welche Chancen hatten Sie sich nach der Qualifikation noch ausgerechnet?
Günther: Wenn man von Startplatz zwölf ins Rennen geht, dann sind Punkte das Ziel. Mit dem Podium oder einem Sieg habe ich überhaupt nicht gerechnet. Der Rennverlauf war aber sehr gut. Ich habe dank eines guten Starts schon in der Anfangsphase einige Plätze gutgemacht. Dann kamen ein, zwei Manöver dazu in denen ich mehrere Fahrer überholt habe. Das Rennen hat unglaublich Spaß gemacht. Auf diese Art und Weise seinen ersten Sieg zu feiern, ist natürlich etwas Besonderes.
SPOX: Im Hintergrund gab es allerdings ungewöhnliche Veränderungen. Bis kurz vor Saisonende sind Sie für Mücke Motorsport gefahren, beim Saisonfinale waren Sie für ein neues Team unterwegs. Sie haben erwähnt, dass das Paket für Sie nicht stark genug war. War der Wechsel eine Entscheidung mit Blick auf Ihre Zukunft?
Günther: Vor dem vorletzten Rennen auf dem Nürburgring haben wir die Partnerschaft in beidseitigem Einvernehmen beendet. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Ich habe in Hockenheim direkt die Chance bekommen, mich bei Prema zu beweisen. Die gute Leistung war die Basis, um das Cockpit für diese Saison zu bekommen.
SPOX: Nach Ihrem Wechsel meinte RTL-Experte Kai Ebel, bei Mücke konnten Sie gut fahren, bei Prema müssten Sie es. Wie gehen Sie mit dem Druck um, in jedem Rennen konstant Leistung abrufen zu müssen?
Günther: Die Situation, in der ich mich befinde, gefällt mir ehrlich gesagt recht gut. Jetzt habe ich das Paket, um konstant gute Leistung abliefern zu können. Für mich ist es angenehmer als die Jahre zuvor, weil ich weiß, dass alles passt. Der Druck ist natürlich höher, aber so wie die Saison begonnen hat, möchte ich das auch weiter durchziehen. Ich wandle die Erwartungen in positive Energie um.
SPOX: In gewisser Weise ist Mick Schumacher Ihr Teamkollege bei Prema. In der Formel 4 bekommt er noch größere Aufmerksamkeit als Sie in der höheren Klasse. Werden Sie ab und an neidisch?
Günther: Um ehrlich zu sein, finde ich es cool, dass wir Teamkollegen sind. Ich habe ihn bei den Media-Tagen des Teams kennengelernt. Ich komme wirklich gut mit ihm klar, er ist ein netter Kerl. Man hat auf jeden Fall seinen Spaß mit ihm. Bei Prema ist es generell sehr gut, dass man als ganzes Team harmoniert und die einzelnen Klassen keine getrennten Lager sind. Aber ich konzentriere mich darauf, in der Formel 3 meinen Job zu machen, deshalb macht es für mich keinen Unterschied, wer mehr im Rampenlicht steht.
SPOX: Zum Abschluss ein kleiner Ausblick: Wann dürfen wir Sie in der Formel 1 begrüßen?
Günther: (lacht) Im Optimalfall so schnell wie möglich, das ist natürlich mein Ziel. Aber ich weiß auch, dass alles passen muss. Ich konzentriere mich jetzt erstmal auf die Formel 3 und will hier eine gute Saison abliefern. Planen kann man im Motorsport nur bedingt, deshalb muss ich mich auf der Strecke weiter beweisen, um meinem Traum näher zu kommen.
SPOX: Max Verstappen hat vorgemacht, wie es geht. Nach seiner Debütsaison in der Formel 3 im Jahr 2014 wechselte er direkt in die Königsklasse. Nach einem Jahr und vier Grand Prix stieg er in der vergangenen Woche ins Topteam Red Bull auf. Sie sind im selben Alter wie er. Was halten Sie davon?
Günther: Max macht einen wirklich guten Job in der Formel 1. Er ist sehr jung reingekommen und konnte jetzt knapp eineinhalb Jahren seine Erfahrungen machen. Es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, wenn junge Fahrer in die Formel 1 kommen und direkt überzeugen können. Das spricht dafür, wie hoch die Leistungsdichte bei uns im Nachwuchsbereich ist.
SPOX: Hand aufs Herz: Ist Verstappen ein Vorbild für Sie?
Günther: Mein Lieblingsfahrer ist Fernando Alonso. Es gibt keinen perfekten Fahrer, aber er verfügt über ein extrem gutes Gesamtpaket. Er ist im Qualifying sehr schnell auf eine Runde, dazu im Rennen sehr erfahren und taktisch clever. Zu ihm kann man auf jeden Fall aufschauen.