Rocky, Rambo und die Watergate-Affäre

SPOX
01. August 201312:21
Mike Rockenfeller macht nicht nur im Audi eine gute Figurdtm
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Halbzeit in der DTM! Fünf von zehn Rennen haben BMW, Mercedes und Audi hinter sich gebracht. Wer hat überzeugt? Bei welchem Team gab es Enttäuschungen? SPOX zieht ein Zwischenfazit, bevor es am Wochenende zum Debüt nach Moskau geht (So., 13.30 Uhr im LIVE-TICKER).

Tops:

Mike Rockenfeller: Spengler. Oder Paffett. Vielleicht auch Green. Aber mit Rockenfeller als Gesamtführender nach fünf Saisonrennen hätte wohl kaum jemand gerechnet, trotz Platz vier in der letztjährigen Meisterschaft.

Bruno Spengler im Interivew: "Das ist wie eine Droge"

So schwer sich Audi auch in dieser Saison tut, so überzeugende Leistungen liefert der 29-Jährige bislang ab. Nach dem achten Platz zum Auftakt in Hockenheim sprechen seine Ergebnisse für sich: Sieg in Brands Hatch, ein zweiter Platz auf dem Lausitzring und jeweils Platz vier in Spielberg und beim Stadtrennen auf dem Norisring.

Vor allem in Nürnberg ließ der Audi-Pilot sein Können aufblitzen. Nach dem verpatzten Qualifying und einem Getriebewechsel hätte man das Wochenende eigentlich schon abhaken können. Doch Rockenfeller kämpfte sich aus der letzten Startreihe bis auf Platz fünf vor und ließ damit sogar den ärgsten Meisterschaftsrivalen Spengler hinter sich.

"Wenn man so ein bescheidenes Qualifying hinlegt und am Ende als Fünfter das Ding beendet und sogar noch mehr Punkte hat als die Konkurrenten in der Meisterschaft - super!", so "Rocky" gegenüber "Motorsport-Magazin.com".

Großspurige Ansagen vermeidet er aber weiterhin tunlichst: "Ich mache mir da keine Gedanken in dem Sinne: 'Oh, ich bin Meisterschaftsführender, ich muss da jetzt irgendetwas machen!' Ich gehe zum Rennen und versuche mein Bestes. Wenn es geht, geht es, und wenn es nicht geht, dann nicht."

Marco Wittmann: Der BMW-Rookie hat die Erwartungen bislang mehr als erfüllt. Bis auf den Ausrutscher auf dem Lausitzring, als es allerdings für das komplette Team nicht nach Plan lief, fuhr Wittmann immer in die Punkte.

Mit 33 Zählern liegt er auf Platz sieben in der Meisterschaft, nur knapp hinter keinem Geringeren als Gary Paffett. Ebenfalls bemerkenswert: Im Duell mit seinem Teamkollegen und Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock hat der 23-Jährige klar die Nase vorne.

Das größte Ausrufezeichen setzte Wittmann aber in Spielberg, als er beim Dreifachsieg der Münchner auf Platz zwei raste. "Das ist ein historischer Triumph für BMW. Erstmals seit unserem DTM-Comeback haben wir es mit drei BMW-Fahrern auf das Podium geschafft. Ich bin sehr stolz auf die ganze Mannschaft", so BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquardt.

Dass Wittmann aber noch viel größere Ziele hat, zeigte sich bei seinem Heimrennen auf dem Norisring. Trotz eines weiteren Top-Ten-Ergebnisses war er nicht zufrieden und kritisierte gegenüber "Motorsport-Total.com" sogar die Strategie seines MTEK-Teams. "Da war der Mut nicht da, es so zu machen wie die, die am Ende vor uns standen", spielte Wittmann auf die defensive Taktik in den Safety-Car-Phasen an.

STIHL / AMG Mercedes: Gary Paffett und dann lange nichts. So schien das Motto von Mercedes vor der Saison zu lauten. Doch die bisherigen Rennen belehrten alle Experten eines Besseren. Nicht Paffett ist der beste Mercedes-Pilot, sondern Christian Vietoris, der mit Robert Wickens eine starke Doppelspitze bei STIHL / AMG Mercedes bildet.

Mit 55 bzw. 45 Punkten liegen die "jungen Sterne" in der Meisterschaft auf Platz drei und fünf. Zusammen sind sie damit momentan sogar das stärkste Team in der DTM.

Und die Entwicklung der beiden Piloten soll noch lange nicht zu Ende sein. "Natürlich habe ich mich verbessert. Ich denke, jeder Fahrer wird von Jahr zu Jahr besser, solange bis er vielleicht ein Alter erreicht hat, in dem es ihm egal ist", erklärte Wickens gegenüber "Motorsport-Total.com". SPOX

Auch Vietoris hat ein klares Ziel: die Formel 1. Der 25-jährige schränkt allerdings ein: "Lieber in der DTM vorne, als in der Formel 1 hinten mitfahren."

DTM-Zukunft: Während es auf den Strecken um Punkte und Titel geht, werkeln die DTM-Macher abseits der Rennen fleißig an der Zukunft. Die Expansion der Rennserie schreitet mit großen Schritten voran.

Passenderweise wurde vor der bevorstehenden Premiere in Moskau die DTM-Rückkehr nach China verkündet. "Der chinesische Markt ist für uns enorm wichtig", sagte BWM-Motorsport-Direktor Jens Marquardt. "In solchen Ländern braucht es für den Aufbau des Motorsports Leitmotive - in Zukunft wird die DTM eines davon sein."

Auch Audi blickt mit großer Vorfreude in die Zukunft. Das Rennen in Fernost sei "ein weiterer Baustein, um uns in China präsentieren zu können", sagte Dieter Gass, DTM-Leiter der Ingolstädter. "Dort zu fahren, ist für uns extrem wichtig, weil es fast keine Motorsportstruktur gibt."

Anders als die Formel 1 will die DTM ihre Ursprünge allerdings nicht vergessen. "Die Basis ist in Deutschland", betonte DTM-Chef Hans-Werner Aufrecht. "Die Zahl der Rennen wird daher nicht sinken, sondern eher wird noch ein Auslandsrennen dazukommen."

Flops: Watergate, Rambo und Options-Reifen

Flops:

Watergate: Eine Farce. Ein Witz. Der zweimalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl bezeichnete die Offiziellen in der "Bild" gar als "Krautköpfe". Das Rennen auf dem Norisring wird wohl in die DTM-Geschichte eingehen.

Eine Wasserflasche sorgte für einen der größten Skandale der jüngeren Vergangenheit. Doch was war eigentlich passiert? Mattias Ekström gewann an seinem 35. Geburtstag das Rennen in Nürnberg, konnte sich allerdings nicht lange darüber freuen.

Im Parc ferme wurde er beim gemeinsamen Jubel von seinem Vater mit Wasser übergossen, der damit angeblich das Gewicht des Schweden veränderte und somit einen Regelbruch beging. Ekström wurde disqualifiziert, der Rennsieg war futsch.

"Was ist denn passiert? Es hat doch alles dem Reglement entsprochen, das Auto war sogar sieben Kilo zu schwer", verteidigte Röhrl Audi. "Und dann wird Ekström disqualifiziert, weil ihn sein Vater aus Freude nassspritzt oder um ihn bei der Hitze zu kühlen? Also, das ist unverhältnismäßig und Irrsinn."

Auch Glock konnte die Strafe gegenüber "Motorsport-Magazin.com" nicht wirklich nachvollziehen: "Wenn die DTM nicht aufpasst, fängt man an, sich lächerlich zu machen." Audi legte folgerichtig Berufung ein, das Berufungsgericht des Deutschen Motorsport Bundes wies den Einspruch jedoch ab. Obwohl man laut Audi das Urteil "im Sinne des Sports" akzeptiere, ist der Schaden für die DTM nicht mehr von der Hand zu weisen.

Roberto Merhi: Wirklich viele Freunde hat sich der Spanier in dieser Saison noch nicht gemacht. Ganz im Gegenteil: Mehri sorgte bei seinen Konkurrenten bisweilen für Angst und Schrecken.

Der Mercedes-Pilot hat sich bislang einen Namen als Crashkid gemacht. Vor allem Martin Tomczyk wurde zum Lieblingsopfer und machte sowohl in Brands Hatch als auch in Spielberg Bekanntschaft mit dem Youngster: "Ich bin das zweite Mal mit Merhi aneinandergeraten, zweimal musste ich danach das Rennen beenden. Das wird mir langsam zu blöd."

Der Meister von 2011 war dabei nicht der einzige Fahrer, der sich über Mehri beschwerte. "Der hat Tomaten auf den Augen. So jemand gehört nicht hierher, der soll mal ein paar Fahrstunden nehmen", echauffierte sich beispielsweise Timo Glock.

Zumindest erhält der 22-Jährige Rückendeckung von höchster Stelle. "Für mich sind solche Fahrer wie Merhi wichtig für unseren Sport. Wir brauchen diese jungen Rennfahrer, auch wenn sie manchmal über das Ziel hinausschießen", betonte Hans-Werner Aufrecht, der Boss des Serien-Dachverbandes ITR, gegenüber "Motorsport-Total.com".

Dass Mehri allerdings durchaus eine Daseinsberechtigung hat, bewies er mit Platz sechs auf dem Norisring: "Ein schönes Ergebnis, das Rennen von Platz 20 auf Rang sechs beendet zu haben." Nur mit Tomczyk sollte er in Zukunft vielleicht besser nicht auf Tuchfühlung gehen.

Jamie Green: Er sollte Audi mit seinen Leistungen zu altem Glanz verhelfen. Auch Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich überhäufte ihn vor der Saison mit Lob und bezeichnete ihn "als einen der besten DTM-Piloten, die es derzeit gibt."

Doch dieses Prädikat ist Jamie Green bislang schuldig geblieben. Der Brite scheint bei den Ingolstädtern noch nicht wirklich angekommen zu sein. Insbesondere von der beeindruckenden Konstanz aus dem Vorjahr, als Green als einziger Fahrer an jedem Wochenende in die Punkte fahren konnte, ist nicht mehr viel übrig.

Selbst auf seiner Lieblingsstrecke in Nürnberg war der 31-Jährige nicht bei der Musik und musste seinen Wagen nach 65 Runden wegen eines Getriebeproblems abstellen. Zumindest die Hoffnung auf bessere Zeiten hat Green aber nicht verloren.

"Meine Erwartungshaltung ist es, konstant meine Leistung zu bringen. Das klappt, wenn alles glatt läuft", stellte er gegenüber "Motorsport-Total.com" klar. Den Abschied von Mercedes bereue er trotz der schwierigen Phase dennoch nicht: "Ich bin glücklich bei Audi und lerne täglich dazu."

Options-Reifen und DRS: Mehr Spannung, mehr Action, mehr Überholmanöver! Die technischen Neuerungen sollten eine neue Ära in der DTM einläuten. Zur Halbzeit der Saison herrscht aber eher Ernüchterung im Fahrerlager.

Zugegeben: Options-Reifen, DRS und Co. haben für aufregende Rennen gesorgt. Das lag aber vor allem auf dem munteren Chaos, das auf den Strecken herrschte.

"Der Fan will ein geiles Rennen sehen. Den DTM-Leuten ist es gelungen, die Fans mit einem Gewirr von ständig neuen Vorschriften und Regeln zu verunsichern", fand Christian Danner, der in der DTM selbt 57 Mal an den Start ging, gegenüber der Münchner "Abendzeitung" deutliche Worte.

Auch die Piloten verloren ab und zu den Überblick. "Mir ist noch immer nicht klar, wie ich von Startplatz zwei losfahren konnte und am Ende Sechster wurde", resümierte Bruno Spengler nach dem Rennen in Nürnberg.

Hans-Werner Aufrecht, Vorstandschef des DTM-Rechteinhabers ITR, will davon allerdings nichts wissen: "Wir haben auch dank der Regeländerungen mit dem DRS und den Options-Reifen noch nie so viele spannende Rennen und so viele Überholmanöver wie in dieser Saison gesehen." Die Wahrheit liegt wohl - wie immer - irgendwo in der Mitte.

Die DTM-Meisterschaftsstände 2013