DTM-Pilot Mike Rockenfeller im Interview: "Sim-Racing macht süchtig"

Andreas Reiner
29. Mai 202020:12
Mike Rockenfeller gewann 2013 die Fahrerwertung in der DTM.imago images
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Rennfahrer Mike Rockenfeller (36) gewann 2005 die GT2-Wertung der FIA-GT-Meisterschaft und 2008 die LMP1-Klasse der Le Mans Series. Seit 2007 geht er in der DTM an den Start, seit 2012 für Phoenix Racing. Ein Jahr später entschied er die Fahrerwertung der DTM für sich. Aufgrund der verlängerten Winterpause ist Rockenfeller auch intensiver ins Sim-Racing eingestiegen.

Im Interview spricht er über das Sim-Racing als Ersatzdroge, seine Investitionen in einen Simulator und die Gründung einer eigenen Rennserie.

Außerdem blickt der 36-Jährige aus Neuwied auf seine Rennkarriere zurück, die auch von zwei schweren Unfällen geprägt ist sowie auf die Zukunft der DTM und Formel 1.

Mike Rockenfeller, seit Wochen bleibt Ihnen nur der eigene Simulator: Ist das eine geeignete "Ersatzdroge"?

Mike Rockenfeller: Ich habe im vergangenen Oktober damit angefangen. Meine Mechaniker haben immer davon erzählt und habe mir zusammen mit ihnen einen Simulator zusammengestellt. Man muss ganz klar sagen: Das macht süchtig, ich wurde vom Sim-Racing regelrecht infiziert. Denn die Strecken sind mega realistisch und du kannst Autos fahren, die es gar nicht mehr gibt oder die du nie fahren wirst. Und das gegen Leute, die überall auf der Welt verstreut sind.

Es gibt verschiedene Herangehensweisen an das Sim-Racing. Welche ist Ihre?

Rockenfeller: Es gibt da theoretisch keine Grenzen, sowohl was die Ausrüstung, als auch auf den Aufwand betrifft. Ich bin aber nicht derjenige, der von morgens bis abends im Simulator sitzt. Im Grunde geht es in erster Linie um Spaß, aber auch um Training. Aber es ist verrückt, und das habe ich unterschätzt: Ich bin mental im Thema drin, bin nervös, angespannt, Fehler werden bestraft, und da ist viel Adrenalin im Spiel. Es ist faszinierend, wie man seine Sinne schult.

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Wie viel haben Sie in Ihren Simulator investiert?

Rockenfeller: Ich habe knapp 6000 Euro dafür ausgegeben. Bei den Pedalen und beim Lenkrad habe ich viel investiert, weil sie sehr gut sein und auch einige Jahre halten sollen. Das ist viel Geld, aber es ist auch mein Beruf. Ein richtig teures Equipment jenseits der 10.000 Euro geht auch, macht dich aber nicht unbedingt schneller. Ich wollte für mich vor allem ein Gefühl wie in einem richtigen Rennwagen haben.

Sind die Emotionen beim Sim-Racing vergleichbar mit der Realität?

Rockenfeller: Es ist nicht so ausgeprägt, aber im Ansatz schon, es geht in die gleiche Richtung. Was klar ist: Das Fehlerpotenzial ist höher, ich bin noch nie so oft eingeschlagen in meinem Leben wie in den vergangenen Wochen. (lacht)

Rockenfeller: "Wenn das Setup nicht stimmt, hast du keine Chance"

Wie viel Ehrgeiz ist denn dabei?

Rockenfeller: Bei mir ist es weniger, weil ich zu wenig Zeit investiere. Das wäre falscher Ehrgeiz. Beim Sim-Racing ist es extrem: Wenn dein Setup nicht stimmt, und das ist wie im echten Leben auch, dann hast du keine Chance. Und dafür musst du extrem viel Zeit investieren, um das Thema zu verstehen. Dafür müsste ich mich noch mehr reinfuchsen.

Gibt es denn sportliche Ziele, die Sie sich setzen?

Rockenfeller: Nein, nicht wirklich. Wobei: In der VLN war ich hinterher schon das eine oder andere Mal enttäuscht und angefressen. Da hat sogar meine Frau zu mir gesagt: 'Dann lass es lieber sein, wenn du jetzt noch schlecht gelaunt bist, obwohl du vier Stunden in dem Ding gesessen hast.' (lacht) Wir hatten uns nicht weiterentwickelt, das Setup hat nicht gepasst, das Ergebnis war nicht gut oder ich habe einen Fehler gemacht. Insgesamt ist das alles aber relativ entspannt bei mir.

Sie haben sogar eine eigene Rennserie gegründet...

Rockenfeller: Ich bin ganz grundsätzlich von dem Thema sehr überzeugt. In der Coronakrise haben wir überlegt, etwas Positives zu gestalten und haben die #RaceHome-Serie für einen guten Zweck ins Leben gerufen. Gespielt wird auf der PlayStation 4, das Spiel Gran Turismo mit dem Audi e-Tron Vision. Mit dabei sind alle sechs DTM-Fahrer sowie Gaststarter, insgesamt 15 Fahrer. Man merkt, wie viele Leute Sim-Racing machen und wie viele Menschen man damit anspricht.

Welche Plattform macht in der virtuellen Welt am meisten Spaß?

Rockenfeller: Ich bin viel bei iRacing, ein wenig auf rFactor, bei RaceRoom auch. Jede Plattform hat ihre Eigenheiten, man darf sich da auch nicht verzetteln. iRacing finde ich cool, es hat aber auch ein paar Dinge, die nerven. Die Fahrphysik ist gut, grafisch ist es auch ordentlich. Was mir fehlt, ist die Autovielfalt, ich würde zum Beispiel gerne ältere Autos fahren. Trotzdem ist es faszinierend, wie sich das Ganze entwickelt hat, auch was die Strecken betrifft, jede Bodenwelle, jeder Kerb.

Gibt es dann noch Unterschiede zum Simulator bei Audi?

Rockenfeller: Das ist gar nicht mehr so weit weg. Im Prinzip ist es das gleiche Gerät, das ich zu Hause habe. Nur mit dem Unterschied, dass der Simulator bei Audi noch viel genauer an der Realität ist und man ein paar Kleinigkeiten mehr zur Verfügung hat wie einen Gurtstraffer zum Beispiel. Aber was das Feedback in der Lenkung angeht, steht mein Simulator dem großen in nichts mehr nach.

Rockenfeller über Sim-Racing: "Ist quasi wie in der Realität"

Haben Sie schon etwas mitnehmen können für das echte Leben?

Rockenfeller: Du schulst in Zweikämpfen und Überholmanövern permanent deinen Kopf. Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal in Austin gefahren, in der WEC für Corvette. Und da konnte ich mich in meinem Simulator auf die Strecke vorbereiten, die ich noch nicht kannte. Und das hat tatsächlich extrem geholfen.

Sie sind am Wochenende wieder in der Digitalen Langstreckenserie unterwegs. Wie nah kommt der Nürburgring virtuell dem echten Erlebnis?

Rockenfeller: Das ist quasi wie in der Realität, vor allem wenn du beim Fahren in deinem Tunnel bist. Das ist echt unglaublich und brutal nah dran.

Der Vorteil beim Sim-Racing: Fliegt man ab, drückt man Escape und gut ist. 2011 ging das nicht, als Sie in Le Mans schwer verunglückt sind. Was hat der Crash mit Ihnen gemacht?

Rockenfeller: Nicht sehr viel, muss ich sagen. Auch wenn ich extrem viel Glück gehabt habe. Im Unterbewusstsein war es dann aber vielleicht doch etwas mehr, als man zugibt. Ich bin der Typ, der nicht auf Psychologen oder Mentaltrainer zurückgreift, sondern so etwas mit sich selbst ausmacht.

Wie lange wird man davon verfolgt?

Rockenfeller: Ich bin relativ schnell wieder Rennen gefahren, aber das hat mir schon nachgehangen. Gemerkt habe ich das auf der Autobahn. In Le Mans gibt es auf der Landstraße den gestrichelten Mittelstreifen, und bei dem Unfall war das Auto ganz links, ehe es plötzlich nach rechts herüberzog, als ich zum Überholen ansetzte. Das hat etwas mit mir gemacht. Ich habe auf der Autobahn plötzlich viel mehr auf den Mittelstreifen geachtet, auf andere Autos, was sie machen. Da bin ich dann vom Gas gegangen, was ich früher nicht gemacht hätte. Auch in Le Mans ein Jahr danach habe ich im Rennen im Verkehr ein bisschen gebraucht. Ich musste mich überwinden. Im Nachhinein sage ich: Vielleicht hätte ich mir damals professionelle Hilfe holen sollen, anstatt es mit mir selbst auszumachen.

2017 hatten Sie auch einen heftigen Crash in der DTM: Wie hat der sich vom ersten unterschieden?

Rockenfeller: In der DTM hatte mich der Crash in Le Mans sowieso nie beeinflusst. Und der Unfall am Norisring hat mich nie wirklich gejuckt. Le Mans war definitiv einschlägiger, auch aus sportlicher Sicht. Man ist ja so verrückt als Rennfahrer, dass man nach dem Unfall zuerst an das Sportliche denkt. Ich habe nur gedacht: ‚Scheiße, scheiße, das Rennen ist vorbei. Das gibt es doch nicht.' Das war einfach eine große Enttäuschung. Le Mans hat mich unfassbar viele Nerven und graue Haare gekostet, mehr als Glücksgefühle. Ich liebe es trotzdem.

Muss man so eine Einstellung als Rennfahrer haben?

Rockenfeller: Die hat jeder Mensch, glaube ich. Man wächst als Rennfahrer aber auch damit auf. Ich fühle mich im normalen Leben in vielen Situationen 100 Mal unsicherer als im Rennauto. Das ist verrückt, aber das mache ich von klein auf und ich kann die Gefahren einschätzen. Ich habe in einem Rennauto noch nie, auch nach Le Mans nicht, an Gefahr gedacht.

Über einen Crah in Le Mans sagt Rockenfeller: imago images

Rockenfeller über Crash: "Weiß, dass ich damals Glück hatte"

Macht man sich denn gar keine Gedanken à la "Du hättest tot sein können?"

Rockenfeller: Doch, das schon, ich weiß auch, dass ich damals Glück hatte. Ich will das auch nicht klein reden oder auf cool machen, aber das Leben hat insgesamt viele Gefahren und birgt Risiken, das gehört einfach dazu. Als Rennfahrer ist es heutzutage überschaubarer.

Haben Sie ans Aufhören gedacht?

Rockenfeller: Ja, wenn es sportlich nicht läuft, wenn es frustrierend ist, weil nichts zusammenläuft. Da kamen die Gedanken, alles hinzuschmeißen, schon mal kurzzeitig auf. Vor allem, weil man in der DTM solche Jahre hat, in denen man die Welt nicht mehr versteht. Wie 2015 und 2016, die waren eine Voll-Katastrophe. Aber wegen des Unfalls nicht.

Haben Ihre beiden Kinder Ihre Sichtweise verändert?

Rockenfeller: In Bezug auf den Motorsport nicht wirklich, aber man relativiert viele Dinge. Was aber nicht nur an Kindern liegt, sondern auch am Alter. Aber wenn man gestresst nach Hause kommt und die Kinder warten, bist du schnell wieder zurück auf dem Boden der Realität. Lange denkt man, das perfekte Setup oder Titel sind alles, was zählt, aber irgendwann verschieben sich Prioritäten.

Glauben Sie, dass Sie mehr aus Ihrer Karriere hätten herausholen müssen?

Rockenfeller: Ja, klar, aber damit kann man sich ganz schön unglücklich machen. Es gibt einfach Dinge, bei denen du machtlos bist, wie bei meinem Crash 2011. Es war ein siegfähiges Jahr für uns, dann kommt ein Vollidiot und das Rennen ist verloren. Und du selbst kannst nichts dafür. Damit kann ich gut umgehen, man braucht für die Erfolge einfach auch Glück. Frustrierend ist es, wenn ich nicht verstehe, was falsch gelaufen ist. Aber ich schaue nicht mehr so sehr zurück, denn ich habe zu lange damit gehadert: ‚Warum nicht ich, warum die anderen?'. Ich freue mich darauf, was noch vor mir liegt.

Rockenfeller: "Habe viel von meinem Talent gelebt"

Wie schwierig war es denn für Sie, professioneller Rennfahrer zu werden?

Rockenfeller: Bei mir war nicht ganz so viel möglich wie bei anderen. Im Kart konnte ich nur begrenzt agieren, wir hatten nicht das große Budget. Dafür habe ich es gut erwischt und viel Glück gehabt, als ich zum Beispiel ein Jahr in der Formel König gewonnen habe. Ich hatte keinen Coach oder Mentor und habe viel von meinem Talent gelebt - mich vielleicht hier und da auch ein bisschen zu sehr darauf ausgeruht - aber als ich es in den Werkssport geschafft hatte, lag es nur noch an mir, da gab es keine Ausreden mehr. Ich denke, die Chancen, die ich bekommen habe, habe ich genutzt. Ich hatte aber das Glück, sie überhaupt bekommen zu haben.

Die Vorbereitung auf die Karriere war ungewöhnlich: Sie haben mit dem Traktor schon früh die Limits ausprobiert?

Rockenfeller (lacht): Wenn beide Großeltern einen Bauernhof haben, ist es unumgänglich, dass du mit allem fahren kannst, was einen Motor hat. Da hatte ich viel Freiraum und durfte als Sechsjähriger die großen Maschinen bewegen. Da habe ich früh ein Gefühl dafür bekommen, wie eine Kupplung funktioniert.

Sie sind sehr bodenständig aufgewachsen. Beeinflusst Bodenständigkeit die Karriere?

Rockenfeller: Ich denke schon. Das eine ist auf der Rennstrecke, das andere daneben. Man soll als Werksfahrer nicht nur schnell sein, sondern man ist auch ein Repräsentant der Marke und muss zuverlässig sein. Was das angeht, bin ich sehr früh erwachsen gewesen. Es geht neben der fahrerischen auch um eine menschliche Qualität. Die hat man oder hat man nicht.

Zur Bodenständigkeit gehört seit einem Jahr auch ein Leben ohne Social-Media-Account. Wie lebt es sich ohne Twitter und Co.?

Rockenfeller: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Das hat für mich auch Nachteile, und ich habe noch einmal darüber nachgedacht, es wieder rückgängig zu machen. Aber es lebt sich super damit, ich vermisse nichts, ich bin einfach nicht der Typ dafür. Wenn ich alleine meine Rennfahrer-Kollegen sehe: Die machen es toll, hängen aber auch den ganzen Tag nur am Handy rum.

Sie sagten mal, dass das alles eine Schweinwelt sei...

Rockenfeller: Da sehe ich die größte Gefahr: Dass die Jugendlichen irgendwelchen Influencern hinterherschauen. Ich will so etwas meinen Kindern nicht vorleben. Denn das Leben findet im Hier und Jetzt statt, und nicht in einer virtuellen Scheinwelt, an den schönsten Stränden und in den tollsten Klamotten. Das verabscheue ich.

Twitter, Facebook, Instagram, TikTok: Muss man sich als Rennfahrer nicht auf mindestens einer Plattform darstellen?

Rockenfeller: Ich kann nur jedem Nachwuchsfahrer empfehlen, es zu machen. Karrieretechnisch ist es kein Vorteil, wenn man auf den Plattformen nicht vertreten ist. Am Ende geht es um Follower und einen wirtschaftlichen Vorteil, dass es beim Hersteller, bei den Sponsoren oder den Fans gut ankommt. Das ist eine Größe, mit der du dann arbeiten kannst. Das ist legitim, um sich zu zeigen. Und hast du es nicht, hast du ein Problem.

Wie hat sich das bei Ihnen gezeigt?

Rockenfeller: Ein Beispiel: Ein Fahrradhersteller sagte, dass er gerne mit mir zusammenarbeiten würde und fragte, wie viele Follower ich habe und ob ich ein paar Posts machen kann. Dann sag ich: ‚Da geht leider nix.' Und dann hat sich das Thema auch gleich wieder erledigt. Deshalb habe ich überlegt, ob es nicht doch ein Fehler war. Aber man muss abwägen, denn man kann nicht alles haben. Dann muss man mit der Konsequenz eben leben.

Die Winterpause ist durch die Coronakrise länger als sowieso schon. Wie groß sind denn die Entzugserscheinungen?

Rockenfeller: Ich vermisse das Racing mehr denn je. Die Krise zeigt mir, wie sehr ich das Ganze liebe. Das habe ich lange nicht mehr gespürt, denn oft nimmt man als Rennfahrer Dinge als gegeben hin, es wird ein Stück weit normal. Das ist mir viel bewusster geworden. Du merkst auf einmal, was dir fehlt, es ist ja fast wie ein Karriereende. Ich will endlich wieder über Setups und Rennen reden, über Kurven und Hundertstelsekunden.

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DTM ohne Zuschauer? "Nicht ganz so seltsam wie beim Fußball"

Die DTM wird erst einmal Geisterrennen austragen: Was wird das für eine Saison?

Rockenfeller: Ich bin gespannt, wie Rennen ohne Zuschauer wirken, aber ich glaube, dass es nicht ganz so seltsam aussehen wird beim Fußball. Ich glaube, dass BMW aufgeholt hat. Diese Audi-Dominanz dürfte daher weg sein, es wird also spannender. Außerdem gehen die meisten davon aus, dass es die letzte DTM-Saison sein wird. Da wird nicht groß taktiert, sondern volles Rohr gefahren. Das kann eine mega geile Saison werden.

Die letzte Saison könnte es werden, weil Audi nach 2020 aussteigt. Können Sie den Schritt nachvollziehen?

Rockenfeller: Ich verstehe es total. Es war in den vergangenen Jahren immer wieder mal ein Thema. Es ist eben so: Dinge ändern sich, das Automobil ändert sich durch die E-Mobilität sowieso sehr schnell. Es ist nicht mehr so einfach, die Leute für das Auto und den Motorsport zu begeistern. Man sollte Audi nicht negativ darstellen, denn solche Schritte sind normal, gerade auch in diesen schwierigen Zeiten. Trotzdem finde ich, dass Audi Motorsport machen sollte, weil der eine Marke prägt, vor allem wenn man erfolgreich ist.

Wie finden Sie als Fahrer der etwas älteren Generation die Formel E, auf die sich Audi in Zukunft noch mehr fokussiert?

Rockenfeller: Die Formel E ist anders, sie ist nicht der klassische Weg. Ich finde sie cool, es passiert viel, teilweise zu viel, aber es ist unterhaltsam. Die Serie lebt vor allem von der Atmosphäre in der Stadt. Aber: Wenn in Hockenheim 20 Autos mit Vollgas vorbeifahren, es laut ist, spektakulär und Funken sprühen, löst das bei mir andere Emotionen aus als bei einem Kaffee in der Stadt die Formel E zu verfolgen. Ich kann mir aber trotzdem sehr gut vorstellen, dort zu fahren.

Der Vertrag von Formel-E-Fahrer Lucas di Grassi läuft aus, Daniel Abt wurde suspendiert. Gibt es unter den DTM-Fahrern ein Hauen und Stechen um einen Platz in der Formel E?

Rockenfeller: Mein Fokus liegt darauf, die DTM zu gewinnen. Und dann warten wir mal ab, ob es ein Hauen und Stechen gibt. Vielleicht kann ich mehr stechen, wenn ich den Titel hole. (lacht)

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft denn konkret aus?

Rockenfeller: Mein Hauptfokus liegt auf der DTM, denn in dieser Konstellation ist es meine letzte Chance. Und wenn ich erfolgreich bin, kann daraus etwas Neues entstehen. Ich bin schon immer gerne in den USA gefahren, bin auch gerne auf der Langstrecke unterwegs. Die WEC wäre für mich zum Beispiel ein Ziel, eine Rückkehr nach Le Mans, der Kampf um Gesamtsiege. Es gibt aber viele Fahrer auf dem Markt, und auch das Alter wird einem negativ angelastet. Aber ich finde, die Mischung macht es, es kommt auch auf Erfahrung an. Fünf, sechs sehr gute Jahre habe ich hoffentlich noch vor mir.

2008 gewann Rockenfeller die LMP1-Klasse der Le Mans Series.imago images

Rockenfeller: DTM? "Kann mir nicht vorstellen, dass es weitergeht"

Wie geht es für die DTM weiter, was halten Sie für realistisch?

Rockenfeller: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es weitergeht. Da müsste ein Wunder passieren. In den vergangenen Jahren standen die Hersteller schließlich auch nicht Schlange. Was nicht fair ist, weil die DTM besser als ihr Ruf ist. Die Formel E erlebt einen Hype, die DTM gehört zur älteren Generation Motorsport, die im Moment ein bisschen wegstirbt. Man kann nur abwarten, was die Zukunft bringt und wie es in fünf Jahren aussieht.

Was bedeuten das Aus und die Krise für den deutschen Motorsport? Muss der sich neu erfinden?

Rockenfeller: Das ist für alle schlecht, auch für den Nachwuchs, denn die DTM war ja auch immer ein Ziel für die jungen Fahrer. Das ist weg, weshalb es das Ziel für den Nachwuchs sein muss, Formel E zu fahren. Da ist der Hype, da sind die Hersteller und da kann man Geld verdienen. Aber insgesamt ist es wie ein Reset, vielleicht wird alles eine Nummer kleiner, mehr in privater Hand, in Teamhand. Aber es geht nicht nur um Hersteller, sondern auch um Sponsoren. Keine Frage: Es wird eine Durststrecke geben. Die Dinge werden sich neu sortieren, und man wird mit weniger klarkommen müssen. Dadurch reinigt sich einiges, und vielleicht entstehen dann auch neue Dinge. Vielleicht hat es das aber auch gebraucht.

Wenn Sebastian Vettel 2021 abtritt, gibt es erstmals seit 1981 keinen deutschen F1-Fahrer mehr. Wo sehen Sie die Gründe?

Rockenfeller: Es ist normal, dass so etwas in Wellen kommt. Wir sind ja auch sehr verwöhnt, wenn man bedenkt, dass 2010 noch sieben deutsche Fahrer in der Formel 1 waren. Es ist schade, aber vielleicht wird dann auch der Nachwuchssport auch mal wieder billiger. Das Niveau ist nicht mehr normal, das ist bekloppt, wenn wir über Hunderttausende von Euro reden, und das für Zwölfjährige. Das ist Blödsinn und geht völlig am Ziel vorbei. In den Formelklassen ist es genauso. Muss eine Formel 3 im Rahmenprogramm der Formel 1 fahren, damit es noch teurer wird? Das ist zu teuer und der deutsche Nachwuchs erlebt auch nicht mehr den Hype wie zu Zeiten von Michael Schumacher. Es wird sich durch Corona einiges verändern.

Was würden Sie als alter Hase einem ambitionierten Nachwuchsmann in dieser Situation mit auf den Weg geben?

Rockenfeller: Die Frage könnte ich mir bei meinen beiden Jungs vielleicht auch bald stellen. Ich würde empfehlen, Kart auf kleiner Flamme zu fahren, als Familien-Hobby. Spaß haben, die Wochenenden an der Strecke verbringen und dann schauen, wo es hinführt. Und ganz ehrlich: Parallel würde ich Sim-Racing empfehlen. Da kann man für ganz kleines Geld ganz viel lernen. Aber natürlich braucht man gleichzeitig auch das echte Racing. Und wenn es am Ende nur ein Hobby bleibt, ist es auch gut. Das Erlebte bleibt ja.

Kann das Sim-Racing in eine Lücke stoßen?

Rockenfeller: Ich glaube schon. Nicht als Ersatz, aber als parallele Disziplin. Auch für Hersteller und Sponsoren, da sehe ich eine Menge Potenzial. Es ist günstig, man kann sich präsentieren und mit Fans interagieren.