Ludger Beerbaum ist kurz vor Silvester gestürzt. Der beste deutsche Springreiter muss drei Monate pausieren und hat Zeit für andere Dinge.
Ludger Beerbaum hat plötzlich Zeit. Der beste deutsche Springreiter der letzten 30 Jahre liegt nach seinem kuriosen Sturz auch mal zu Hause auf dem Sofa und liest - ein Buch über die Geschichte der Menschheit.
"Da relativiert sich einiges", sagte Beerbaum dem SID, "meine Verletzung, aber auch der Ärger über die ausufernden Sondierungsgespräche der Politiker in Berlin".
Der monatelange Stillstand in der Bundespolitik ist dem Unternehmer und viermaligen Olympiasieger ein Dorn im Auge. Als Betreiber eines Reitsportzentrums samt Hotel, Tagungsräumen und Hengststation in Riesenbeck kann er sich eine solche Hängepartie nicht erlauben, auch nicht mit gebrochenem Oberarm, der längst nicht mehr in der Schlaufe hängt. Beerbaum: "Die habe ich schon nach einem Tag abgelegt."
Trotz aller Unruhe muss Beerbaum aufs Reiten verzichten. Normalerweise sitzt der zweimalige Team-Weltmeister täglich mehrere Stunden im Sattel, bildet Pferde aus.
"In drei Wochen wird ein Kontrollbild von meinem Arm gemacht. Dann weiß ich mehr. Aber ich gehe davon aus, dass ich wohl in den nächsten drei Monaten pausieren muss", sagt der langjährige Vorreiter.
Sturz in Mechelen
Der Sturz beim Turnier in Mechelen einen Tag vor Silvester war spektakulär und ist bei Youtube bestens zu verfolgen. Beerbaum und sein elf Jahre alter Wallach Chacon hatten den Parcours bereits beendet und die Ziellinie überquert, als das junge Pferd plötzlich noch ein Hindernis nahm. Dabei wurde der überraschte Reiter zu Boden gerissen.
"Ich habe sofort gemerkt, links hat etwas geknackt", berichtete der zweimalige Einzel-Europameister. Doch Beerbaum hatte Glück im Unglück, da die Ärzte gut an die gebrochene Stelle herankamen und erfolgreich operieren konnten. Zuvor war der Familienvater in eine Spezialklinik, 50 Kilometer entfernt von Mechelen, gebracht worden.
Auch für den erfahrenen Turnierreiter war der Sturz ein kleiner Schock. "So etwas ist mir in den letzten 20 Jahren nicht mehr passiert", meinte Beerbaum. Bei einem Turnier in Falsterbo/Schweden hatte sich der Ausnahmereiter das Schlüsselbein gebrochen, beim Zureiten eines jungen Pferdes verletzte er sich den Knöchel - doch all diese Verletzungen liegen Jahrzehnte zurück.
Ob er zum Start der grünen Saison im Mai wieder reiten kann, ist dem Routinier noch egal. Mitmischen will er mittelfristig in der Turnierszene aber weiterhin, auch wenn er nach seinen siebten Olympischen Spielen im Sommer 2016 in Rio seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalequipe bekannt gegeben hatte.
Auch deshalb sind die Weltreiterspiele im September in Tyron/North Carolina sportlich kein Ziel für den Reiter Beerbaum - für seinen langjährigen Schüler und Bereiter aber schon.
Philipp Weishaupt hat sich in den letzten Monaten zu einem der besten deutschen Springreiter gemausert und kann Ansprüche stellen.
"Wenn er und sein Pferd fit bleiben, kann er dort sogar eine Medaille gewinnen", sagt Beerbaum über Weishaupt, der seit 2003 für ihn als Bereiter in Riesenbeck arbeitet. Der Chef selbst muss sich allerdings noch einige Zeit gedulden und widmet sich dabei gerne der Lektüre über die Entwicklung der Menschheit. Beerbaum: "200 Seiten habe ich schon, 300 muss ich noch."