Am Sonntag um 11.30 Uhr fällt im niederländischen Hoogerheide der Startschuss für die Frauen-Weltmeisterschaft der Rad-Querfeldein-Spezialistinnen. Mit 15 Fahrern und zwei Titelanwärtern reist der Bund Deutscher Radfahrer zur Cross-WM nach Holland. Eine davon: die amtierende Weltmeisterin Hanka Kupfernagel.
Seit kurzem fährt Hanka Kupfernagel für ihr neues Team Itera-Stevens. Seit Ende letzten Jahres meistert sie die Radstrecken auf den neuen Hightech-Bikes der Hamburger Radschmiede. Und auch ihrer eigenen Homepage www.hanka-kupfernagel.de hat die 34-Jährige ein neues Outfit verpasst. Es hat sich in den letzten Monaten also einiges getan im Umfeld von Deutschlands bekanntester Radsportlerin.
Hanka Kupfernagel liebt die Abwechslung, sie mag es, neue Impulse zu setzen - doch eines soll doch bitte gefälligst so bleiben, wie es ist: Auf der WM-Strecke im niederländischen Hoogerheide will Kupfernagel am kommenden Sonntag ihren Status als amtierende Weltmeisterin im Radcross verteidigen.
"Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich die Strecke fahre. Eigentlich war Hoogerheide immer eine Garantie dafür, dass hier regnerisches Wetter und der Kurs dementsprechend schwer ist", sagt die gebürtige Thüringerin im Gespräch mit SPOX bei der Besichtigung der WM-Strecke.
Niederländischer Wettergott
Allerdings hat der niederländische Wettergott der Deutschen einen Strich durch die Rechnung ihrer Vorbereitungen gemacht - von Regen keine Spur: "Zurzeit sieht's ganz anders aus. Es ist trocken, die Strecke ist sehr schnell und es gibt nur eine Laufpassage", stellt Kupfernagel zähneknirschend fest. "Das kommt mir eher nicht entgegen. Ich hatte mich auf viele Laufpassagen eingestellt, das habe ich auch speziell trainiert."
Eine matschige Strecke wäre ganz nach dem Geschmack der dominierenden Athletin der letzten Jahre gewesen. So aber vergrößert sich der Kreis der Favoriten um ein Vielfaches und Kupfernagel rechnet mit zwei Lokalmatadorinnen als ärgste Konkurrenz.
Holländerinnen als Haupt-Konkurrenten
"Der Kurs ist zwar immer noch schwer zu fahren. Aber wenn es bei den trockenen Bedingungen bleibt, kommt es den beiden Holländerinnen Daphny van den Brand und Marianne Vos entgegen."
Aber egal wie das Wetter am Sonntag wird: Verstecken muss sich die Titelverteidigerin auf keinen Fall: "Die Vorbereitung lief gut und ich habe alles, was wir uns vorgenommen hatten, optimal trainieren können. Körperlich fühle ich mich topfit", sagt die Ausnahmefahrerin mit Blick auf den anvisierten fünften WM-Titel in ihrer Spezialdisziplin Radcross.
"Rund um die Bankschenke" als Startschuss
Doch nicht nur im Querfeldein-Rennen macht Kupfernagel eine herausragende Figur. Auf zwei Pedalen hat das Multitalent so ziemlich alles erreicht, was möglich ist: Olympisches Silber auf der Straße, vier Weltmeistertitel im Radcross und insgesamt über 20 nationale Meisterschaften.
Momentan hat die Modellathletin satte fünf Titel inne. Neben ihrem WM-Titel im Radcross ist sie auch Weltmeisterin im Zeitfahren auf der Straße und Deutsche Meisterin im Cross, Mountainbike und Zeitfahren.
Angefangen hat ihre Passion für den Sport auf zwei Rädern 1985, als sie elf Jahre alt war. "Rund um die Bankschenke" nannte sich ihr erstes Rennen, das sie als Drittplatzierte bei Knau, einem kleinen Ort in Thüringen, abschloss. Wenige Zeit später wurde die kleine Hanka in der Grundschule in Neustadt an der Orla von Radsport-Trainer Ulrich Kramer entdeckt.
Crossrennen als Passion
In der ehemaligen DDR war es Gang und Gäbe, talentierte Nachwuchssportler bereits von Kindesbeinen an zu fördern. In einer Sportschule wurden allerdings nur diejenigen aufgenommen, die richtig gut waren.
"Ich war gut", sagt Kupfernagel und ging mit 13 in die Sportschule nach Gera, wo sie im täglichen Training an ihrer Leistungsfähigkeit, Technik und Vielseitigkeit feilte. "Wir waren auf der Bahn, Straße und im Winter mit Crossreifen auch schon im Gelände", erzählt sie, "davon profitiere ich heute noch, deshalb bin ich so vielseitig."
Trotz ihrer Vielseitigkeit gilt ihre größte Leidenschaft der Cross-Disziplin: "Wenn ich nicht mit Crossrennen angefangen hätte, dann hätte ich das Rad schon längst an den Nagel gehängt. Denn gerade beim schlechten Wetter im Winter hatte ich schon als Jugendfahrerin immer eine Phase, in der ich am liebsten aufhören wollte. Aber durch den Crosssport ist man jeden Tag wieder gefordert und hat Erfolgserlebnisse."
Alles dreht sich ums Rad
Von jeher wird ihr Leben vom Radsport bestimmt. Das ist heute noch genauso wie damals in Neustadt an der Orla und Gera. Auch Bruder Stefan Kupfernagel war ein ambitionierter Rennfahrer, bis ihn 2005 ein schwerer Trainingsunfall zum Ende seiner Karriere zwang.
Der 31-Jährige war wie seine ältere Schwester sowohl auf der Straße mit dem Rennrad als auch im Gelände mit dem Mountainbike und dem Crossrad erfolgreich und nahm an mehreren Weltmeisterschaften teil.
Auch ihr heutiger Lebensgefährte Mike Kluge ist im Radsport-Zirkus kein Unbekannter. Der 46-Jährige war mehrfacher Deutscher Meister sowie Weltmeister im Radcross und Weltcup-Gesamtsieger im Mountainbiking. Er kreuzte Kupfernagels Weg in einer Zeit, in der es der Vorzeigeathletin alles andere als gut ging.
Kluge: "Sie hat Pickel bekommen"
Kräftezehrende Wettkämpfe, ein vollgestopftes Rennprogramm, kaum Freizeit und kurze Regenerationszeiten zwangen Kupfernagel Anfang 2005 zu einer mehrmonatigen Wettkampfpause.
Die niederschmetternde Diagnose ihres Arztes: Burnout-Syndrom!
"Wenn sie damals ein Rad gesehen hat, hat sie Pickel bekommen", sagt Kluge. Schritt für Schritt hat er der Thüringerin den Spaß am Radsport zurückgegeben.
Heute, rund vier Jahre später, ist Kluge Freund, Trainer und Manager in Personalunion - und hofft vor der Weltmeisterschaft in Hoogerheide genauso wie seine Lebensgefährtin, dass manche Dinge einfach so bleiben, wie sie sind.