Im Pressezentrum der Tour herrschte eine unheimliche Atmosphäre: Zunächst ein Riesenaufschrei, dann die totale Stille.
Auf dem Fernseher waren gerade die furchterregenden Bilder vom Col du Pas de Peyrol geflimmert. Rahmen lagen übereinander, Fahrer verharkten sich ineinander, Wasserflaschen rollten den Berg hinunter. Auf der Abfahrt war es zu einem Massensturz gekommen.Winokurow schwer verletzt
Am schlimmsten traf es Alexander Winokurow. Der Kasache, der gestern noch so beherzt attackiert hatte, musste von zwei Teamkollegen aus dem Dickicht gezogen werden.
Winokurow war an einem Abhang mehrere Meter in die Tiefe gestürzt, die verheerende Diagnose: Oberschenkelbruch sowie Haarrisse im Becken. Tour-Aus.
Ebenfalls aufgeben musste Jurgen van den Broeck. Der Omega-Kapitän kam an der gleichen Stelle zu Fall, lag minutenlang benommen am Boden und zog sich einen Bruch des Schulterblatts zu.
Insgesamt mussten acht Fahrer das Rennen vorzeitig beenden.
Pressefahrzeug sorgt für Eklat
Für den Eklat des Tages sorgte aber ein Pressefahrzeug von "FranceTV". Im letzten Drittel der Etappe wollte der Wagen die Spitzengruppe überholen. Um nicht mit einem Baum zu kollidieren, zog das Fahrzeug abrupt nach rechts - und räumte Juan Antonio Flecha per "Car-Check" ab.
Der Spanier stürzte und brachte dabei auch Johnny Hoogerland zu Fall. Der Niederländer krachte kopfüber in den Stacheldrahtzaun am Straßenrand. Blutverschmiert und mit starken Schmerzen konnten beide die Etappe fortsetzen.
"Enttäuschung und der Schock sitzen tief"
"Die Enttäuschung und der Schock sitzen tief, es ist noch zu früh, um Vorwürfe zu machen. Johnny ist am ganzen Körper verletzt und hat tiefe Schnittwunden", sagte Hoogerlands Teamchef Michel Cornelisse.
Als "Trostpreis" bekamen beide von der Rennleitung die rote Rückennummer für den kämpferischsten Fahrer zugeteilt. Zudem fuhr sich Hoogerland heute ins Bergtrikot.
Blog von MySpox-User UnrealFabian: Die erste Woche der Tour
Voeckler fährt ins Gelbe Trikot
Im Schatten der dramatischen Stürze sicherte sich Thomas Voeckler das Gelbe Trikot. Der Europcar-Profi war Teil einer Ausreißergruppe, die mit rund vier Minuten Vorsprung auf das Feld der Favoriten ins Ziel kam.
2004 hatte Voeckler schon einmal zehn Tage das Maillot Jaune getragen und war zum französischen Nationalhelden avanciert.
Zum ganz großen Coup aus Gelb und Tagessieg reichte es für Voeckler allerdings nicht. Der Franzose musste im Finalsprint Luis Leon Sanchez den Vortritt lassen.
Der Spanier vom Team Rabobank sicherte sich mit einem explosiven Antritt auf den letzten 500 Metern seinen insgesamt dritten Etappensieg bei der Tour de France.
Klöden im Krankenhaus
Ebenfalls zu den Sturzopfern der Etappe zählte Andreas Klöden. Der Deutsche konnte das Rennen sofort wieder aufnehmen, verlor im Ziel allerdings acht Sekunden auf Cadel Evans, Alberto Contador und die Schleck-Brüder.
Nach dem Rennen wurde der RadioShack-Kapitän zum Röntgen in ein Krankenhaus gebracht, wie Teamchef Johan Bruyneel via Twitter mitteilte. Die erste Diagnose: Klöden hat ein paar schwere Blutergüsse am Rücken davongetragen, gebrochen sei aber nichts.
Gesamtwertung: Klöden auf Rang acht
Martin Seite an Seite mit Contador
In glänzender Verfassung präsentierte sich Tony Martin, der an der Seite von Contador und den Schlecks das Ziel erreichte und sich auf den sechsten Gesamtrang vorschob.
Allerdings hatte auch der Cottbuser unfreiwillig Bodenkontakt im Massensturz: "Ich hatte arge Schmerzen im Knie und Angst, dass etwas Schlimmeres passiert sein könnte. Es hat sich nach zehn Kilometern aber wieder gegeben."
Die Trikotträger nach der heutigen Etappe:
Gesamtwertung: Thomas Voeckler (EUC)
Sprinter: Philippe Gilbert (OLO)
Bergtrikot: Johnny Hoogerland (VCD)
Bester Jungprofi: Robert Gesink (RAB)
Auf Seite 2 gibt's das Rennen im Re-Live zum Nachlesen