Als "Übergangsetappe in die Alpen" wurde der 16. Tagesabschnitt nach Gap von vielen Experten abgetan. Doch was sich am Anstieg zum einzigen Berg des Tages abspielte, war fast schon ein Feuerwerk und ein unerwarteter Showdown der Favoriten.
Am Col de Manse meldete sich Alberto Contador zurück und setzte zu einer Überraschungsattacke an. Zunächst konnten die Schleck-Brüder sowie die anderen Favoriten den Angriff noch parieren.Contador meldet sich zurück
Doch der Spanier ließ nicht locker und konnte eine kleine Lücke zwischen sich und der Konkurrenz reißen.
Während die Schlecks vergeblich um den Anschluss kämpften, konnten lediglich Cadel Evans und Sammy Sanchez dem dreimaligen Toursieger folgen.
Abfahrtsschwäche der Schlecks
"Erst ging es noch ganz gut", erklärte Schlecks Teamchef Brian Nygaard im Etappenziel. "Aber dann haben wir bergab sehr viel Zeit verloren."
Was Nygaard so nüchtern analysierte, zeigt sich als größte Schwäche der Schleck-Brüder, die sie womöglich um den Toursieg bringen könnte: ihre mangelnden Abfahrtqualitäten.
In Richtung Gipfel verlor Andy rund 26 Sekunden auf Contador, weitere 40 Sekunden kamen auf der Abfahrt dazu. Fränk kam 18 Sekunden nach dem Spanier ins Ziel.
Weylandt-Tod als Blockade
Es ist kein Geheimnis, dass Andy und Fränk nicht zu den Spezialisten gehören, wenn es bergab geht. Das weiß auch Vater Johny und fügt hinzu: "Nach dem Tod von Wouter Weylandt fahren sie noch schlechter ab."
Zugegeben: Wenn man hautnah den Tod eines Freundes miterlebt, ist es nur allzu menschlich, dass man in den rasanten Bergab-Passagen einen Gang herausnimmt und - vielleicht auch unbewusst - weniger Risiko auf sich nimmt. Zudem waren die Straßen nass, die Gefahr eines Sturzes groß.
Wer siegen will, muss abfahren können
Doch wenn man sich den Sieg bei der Tour de France auf die Fahnen geschrieben hat, dann muss man eben auch abfahren können.
Allerdings bleibt auch die Frage nach Schlecks Teamkollegen. Linus Gerdemann war vor der Tour eigens dazu eingeteilt, die Schlecks quasi als Navigator die schwierigen Abfahrten hinunter zu geleiten. Doch vom Deutschen war weit und breit nichts zu sehen. Etappenplatz 94. 12:14 Minuten Rückstand.
Evans schlüpft in Favoritenrolle
Ähnlich wie Schleck erging es Ivan Basso. Der Italiener kam zwar 15 Sekunden vor Andy ins Ziel. Auf Evans verlor Basso allerdings satte 54 Sekunden.
Während sich Contador eindrucksvoll zurückmeldete und die Schlecks ihr Waterloo erlebten, rückte Evans in die Rolle des Top-Favoriten. Der Australier meisterte die Abfahrt als ehemaliger Weltklasse-Mountainbiker souverän und nahm selbst Contador im Ziel noch drei Sekunden ab.
Mit Blick auf das Zeitfahren in Grenoble am Samstag ist Evans der Mann, den es in den Alpen abzuhängen gilt.
Gesamtwertung: Voeckler noch in Gelb, aber Evans lauert
"Evans ist wahnsinnig solide"
"Es war eine gute Attacke, also ein guter Tag", sagte Evans. Dessen Sportdirektor John Lelangue fügte hinzu: "Es ist alles offen. Wir wussten, dass wir den Schlecks Zeit abnehmen können".
Noch deutlicher wurde Evans' deutscher Teamkollege Marcus Burghardt: "Wenn er so weiter fährt wie heute, sieht es gut aus. Er ist wahnsinnig solide und hat ein unheimliches Selbstvertrauen."Norwegischer Doppelsieg in Gap
Im Schatten der Favoriten-Attacken bejubelte Thor Hushovd indes im Ziel seinen nächsten Etappensieg. Der Norweger verwies seinen Landsmann Edvald Boasson Hagen und Teamkollege Ryder Hesjedal auf die folgenden Plätze.
Hesjedal hatte sich am Col de Manse aus einer zehnköpfigen Spitzengruppe abgesetzt, doch Hushovd und Boasson Hagen schlossen kurz nach dem Gipfel auf. Auf der Zielgeraden zog Hesjedal Hushovd den Sprint an, Hagen konnte nicht mehr vorbeifahren.
"Es ist unglaublich. Wir sind nur zwei Norweger im Feld, und dann beide ganz vorne", sagte Hushovd nach seinem Erfolg: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wir gewinnen das Teamzeitfahren, ich erobere das Gelbe Trikot, gewinne eine Etappe und heute wieder. Das ist eine tolle Sache."
Die Trikotträger nach der heutigen Etappe:
Gesamtwertung: Thomas Voeckler (EUC)
Sprinter: Mark Cavendish (THR)
Bergtrikot: Jelle Vanendert (OLO)
Bester Jungprofi: Rigoberto Uran (SKY)