Der Höllenritt des Andy Schleck

Von Torsten Adams
Andy Schleck siegt am Galibier und holt seinen insgesamt dritten Tour-Etappensieg
© Getty

Die Konkurrenz in Grund und Boden gefahren: Mit einem Husarenstreich distanziert Andy Schleck alle Mitfavoriten (das Ergebnis der Etappe). Der große Verlierer des Tages: Alberto Contador!

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"Andy hat den Stift in die Hand genommen und Geschichte geschrieben." Die Twitter-Nachricht von Brian Nygaard, Teamchef von Leopard, trifft den Ablauf der Etappe auf den Punkt.

Ein wahrer Husarenritt kombiniert mit einer taktischen Meisterleistung bescherte Andy Schleck nicht nur den Tageserfolg am legendären Galibier, sondern brachte den Luxemburger seinem großen Ziel ein Stückchen näher: der Sieg bei der Tour.

"Ein Traum ist wahr geworden. Das ist der schönste Etappensieg, den ich erreichen konnte. Viele haben an meiner Form gezweifelt, ich aber nicht. Ich bin sehr, sehr stolz", sagte Schleck nach seinem Triumph.

Soloflucht mit Ansage

Schon 60 Kilometer vor dem Ziel hatte sich der jüngere der Brüder am Col d'Izoard abgesetzt. Von den Mitfavoriten fühlte sich niemand verantwortlich, Schleck zu folgen. Gegenseitiges Anschauen und Schulterzucken allenthalben.

"Alles lief perfekt", freute sich Bruder Fränk, der als Zweiter den Doppelsieg der Schlecks perfekt machte. "Andy hat schon vor drei Tagen davon gesprochen, dass wir auch mal was riskieren müssen."

Während des Rennens gab es eine Absprache zwischen den Brüdern, bei der Andy seine Soloflucht ankündigte: "Er hatte mir vorher gesagt, dass er früh angreifen will, damit die anderen arbeiten müssen", verriet Fränk. "Wenn wir ihn eingeholt hätten, dann hätte ich es probiert."

Trumpfkarte Monfort als Relais-Station

Doch dazu sollte es nicht kommen. Über zwei Minuten hatte Schleck bereits am Gipfel des Izoards auf die Konkurrenz herausgefahren. In der Abfahrt wartete Teamkollege Maxime Monfort auf seinen Kapitän. Der Belgier wurde früh im Rennen in der Ausreißergruppe positioniert, quasi als Relais-Station, um Schleck später helfen zu können. Die nächste Trumpfkarte der Leoparden, die stach.

Monfort schleppte Schleck bis zum Fuße des Galibier, wo der Vorsprung des Luxemburgers bereits mehr als drei Minuten betrug und er somit virtuell das Gelbe Trikot inne hatte.

"Die Attacke hat sich voll ausgezahlt", analysierte Schleck im Ziel. "Hinten haben sie gezögert. Ich habe nicht danach geschaut, ob mir jemand nachfährt. Jetzt bin ich bereit, das Gelbe Trikot zu übernehmen."

Die Favoriten zögern

Hinter Schleck herrschte im Finale zunächst Uneinigkeit unter den anderen Sieganwärtern. Keiner wollte für den anderen Arbeit leisten oder gar eine Hilfe sein.

Die Position im Wind wurde von Voeckler, Basso und Co. gemieden wie das Kopfsteinpflaster von Bergfahrern.

Diese taktische Zwickmühle ließ die Lücke zu Schleck zunächst immer größer werden. Irgendwann wurde es Cadel Evans zu bunt: Der Australier hatte das Zögern satt, trat an und holte im Alleingang Sekunde um Sekunde auf.

Contador der Verlierer des Tages

Indem Evans den kompletten Galibier von vorne fuhr, dünnte er die Gruppe hinter sich zunehmend aus. Im schwierigen Schlussteil des Anstiegs verließen Alberto Contador die Kräfte.

Der Spanier erlebte wohl eine der schwärzesten Stunden seiner Karriere, musste seine Herausforderer fahren lassen und verlor 3:50 Minuten auf Schleck und 1:35 Minuten auf Evans. Damit dürfte sich seine Mission Titelverteidigung in diesem Jahr erledigt haben.

Gesamtwertung: Voeckler spürt den Atem der Schlecks - Contador rutscht ab

Voeckler trotz Atemnot in Gelb

Dagegen hielt Thomas Voeckler bis kurz vor dem Ziel dem Tempodiktat von Evans stand, bevor auch bei ihm die Rollladen herunter rasselten. "600 Meter vor dem Ziel habe ich keine Luft mehr gekriegt", sagte der Franzose noch völlig außer Atem.

Von seinen 2:36 Minuten Vorsprung, die er vor der Etappe auf Andy Schleck hatte, rettete Voeckler 15 Sekunden ins Ziel - und darf das Gelbe Trikot auch während der 19. Etappe auf seinen Schultern tragen.

Am Freitag auf dem Weg hinauf nach Alpe d'Huez wird die Tour wohl entschieden. Wenn Evans den Schlecks folgen kann, wird er die Rundfahrt gewinnen. Denn im Zeitfahren ist der Australier deutlich stärker einzuschätzen als die Luxemburger.

Cavendish überschreitet Karenzzeit

Mit dabei sind dann auch noch Mark Cavendish und Philippe Gilbert. Die beiden Fahrer mit Ambitionen auf Grün waren mit 85 anderen Fahrern zusammen 35:40 Minuten nach Schleck ins Ziel gekommen.

Ginge es streng nach dem Reglement, würden sie damit vom Rennen disqualifiziert werden.

20 Punkte Abzug für die Nachzügler

In solch einem Fall steht der Tour-Organisation offen, Gnade vor Recht walten zu lassen. Die Jury ließ die Fahrer im Rennen und ahndete die Verspätung mit einer Punktstrafe von 20 Zählern.

Somit schrumpft Cavendishs Vorsprung auf Jose Joaquin Rojas im Kampf um das Grüne Trikot auf 15 Punkte, denn der Spanier kam nur 31:17 Minuten später als Schleck ins Ziel - und damit im Zeitlimit.

Die Trikotträger nach der heutigen Etappe:

Gesamtwertung: Thomas Voeckler (EUC)

Sprinter: Mark Cavendish (THR)

Bergtrikot: Jelle Vanendert (OLO)

Bester Jungprofi: Rein Taaramae (COF)

Auf Seite 2 gibt's das Rennen im Re-Live zum Nachlesen

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