SPOX: In Deutschland steht Rugby nicht so in der Öffentlichkeit wie in vielen anderen Teilen der Welt. Warum hinken wir denn so hinterher?
Wilhelm: Die Sportlandschaft in Deutschland muss ich nicht erklären, das ist eine Monosportlandschaft. Da haben wir natürlich noch etwas aufzuholen, vor allem im Hinblick auf die Medien. Grundsätzlich ist es so, dass sich auf alles gestürzt wird, was Quote bringt. Und Fußball bringt nun einmal Quote und das wird er auch weiterhin machen. Aber andere Länder haben eben auch gezeigt, dass es möglich ist, mit einem etwas heterogeneren Sport-Mix Quote zu bekommen, also auch andere Themen zu haben. Da gibt es für uns noch etwas zu lernen. Deutschland ist aber auch eine sehr erfolgsabhängige Sportlandschaft. Das haben wir beim Tennis mit Boris Becker oder Steffi Graf gesehen, das haben wir in der Formel 1 mit Michael Schumacher gesehen und da müssen wir als Deutscher Rugby-Verband eben auch unsere Hausaufgaben machen. Wir müssen unsere Nationalmannschaften erfolgreicher machen. Aber da sind wir auf einem guten Weg.
SPOX: Wie macht sich dieser Weg bemerkbar?
Wilhelm: Die 15er-Nationalmannschaft spielt im Februar und März die WM-Qualifikation und die Siebener-Mannschaft hat die Olympia-Quali ganz knapp verpasst. Wir müssen zusehen, dass wir diese Turniere erreichen. Und das sind dann so große Ereignisse, auch im internationalen Vergleich, dass die deutsche Medienlandschaft nicht mehr an uns vorbeikommt. Wir reden da nicht - und das meine ich überhaupt nicht despektierlich - von einer Handball-, Volleyball- oder Hockey-WM, sondern vom drittgrößten Sportereignis der Welt. Wenn wir uns dafür qualifizieren, bekommen wir auch die Aufmerksamkeit, die wir uns wünschen.
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SPOX: Wo wollen Sie anpacken, um dieses Ziel zu erreichen?
Wilhelm: Wir haben schon angepackt. Wir haben unsere Mannschaften professionalisiert und die Strukturen im Umfeld verbessert. Wir sind noch keine Profi-Mannschaft, das wird auch noch ein wenig dauern. Aber wir spielen Turniere unter professionellen Bedingungen und sind im täglichen, organisierten und angeleiteten Trainingsbetrieb. Vor zehn Jahren hätten wir davon nur träumen können. Wir schaffen für unsere Mannschaften internationale Vorbereitungsturniere. Die Siebener-Mannschaft hat bei einem Turnier auf den Fidschi-Inseln teilgenommen und das 15er-Team hatte im vergangenen Jahr mit Brasilien und Uruguay immerhin einen WM-Teilnehmer zu Gast. Uruguay konnte dabei geschlagen werden. Zuvor waren wir schon in Brasilien zu einer Vorbereitungsreise. Also wir schaffen Strukturen und tun gut daran, dass es auch so weitergeht.
SPOX: Nicht alle Spieler beim DRV sind Profis. Sind Sie hauptberuflich als Sportdirektor tätig?
Wilhelm: Genau, das wäre im Nebenberuf auch gar nicht zu schaffen. Und es sind auch einige Spieler Profis. Teilweise sind sie als Sportsoldaten bei der Bundeswehr angestellt und können sich somit voll dem Rugby widmen. Andere stehen bei unserem Premiumpartner, der Wild-Rugby-Academy, in Lohn und Brot. Sie haben also die Zeit, unter professionellen Bedingungen zu trainieren. Als reiner Amateur mit einem Job nebenher schafft es heute keiner mehr in die deutsche Nationalmannschaft. Man muss schon sehen, dass man in die duale Karriere investiert, also zum Beispiel neben dem Studium mit Unterstützung der Deutschen Sporthilfe. Oder man sollte sich eine berufliche Ausgangssituation schaffen, die Rugby als Spitzensport zulässt.
SPOX: Welche Aufgaben kommen Ihnen als Sportdirektor denn zu?
Wilhelm: In dieser Position bin ich erst seit Januar. Davor war ich Leistungssportreferent. Meine Aufgabe liegt in der sportlichen Verantwortung für die Leistungssportprogramme im Siebener- und 15er-Rugby. Dort sehe ich mich in der Schnittstelle zwischen unseren Partnern, beispielsweise dem DOSB, der Bundeswehr, der Bundespolizei oder dem Rugby-Weltverband. Da gibt es Interessen, die gebündelt und zusammengeführt werden müssen. Natürlich mit dem Ziel, das Bestmögliche für unsere Mannschaften zu erreichen.
SPOX: Zur Popularitätssteigerung tragen Spiele vor laufender Kamera bei. Denken Sie, dass Sie an dieser Stelle eher auf den Livestream zurückgreifen müssen und der Fernseher der Vergangenheit angehört?
Wilhelm: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt noch viele Sponsoren, die noch in einfacheren Strukturen denken und denen es in erster Linie um die TV-Sichtbarkeit geht. Wenn bei den Streamingdiensten sämtliche Defizite - sei es technischer Art oder Fragen bei der Verfügbarkeit auf verschiedenen mobilen Geräten - ausgemerzt sind, dann sind sie ganz klar die Zukunft. Für den Moment ist für uns ein Medien-Mix aus TV und Stream eine gute Geschichte.