Den ersten Profivertrag unterschrieb er mit 14, mit 16 ist Schwimmer Michael Andrew bereits heißer Kandidat für die Olympischen Spiele in Rio. Die Nachwuchshoffnung bricht Rekorde am Fließband, ist aber dennoch heftig umstritten. Trainingsmethoden, keine Schule, offensiv ausgelebter Glaube: Ist er lediglich ein Produkt überehrgeiziger Eltern? Mit SPOX sprach der Allrounder über die Vorwürfe der Kritiker - und verriet, warum er sich YouTube-Clips seiner Mutter anschaut.
Er könnte in den kommenden Jahren der nächste Schwimm-Superstar der USA werden, vielleicht sogar der neue Michael Phelps - oder ein warnendes Beispiel für den Nachwuchs: Mit gerade einmal 14 Jahren unterzeichnete Michael Andrew seinen ersten Sponsorenvertrag und wurde damit Profi-Schwimmer.
Mittlerweile ist der Allrounder, der mit seiner Familie in Kansas lebt, 16 Jahre alt. Und schwimmt die Konkurrenz in Grund und Boden: 78 Altersklassenrekorde hat Andrew bereits aufgestellt, über 600 Rennen absolvierte er allein in den letzten zwei Jahren. Ein Phelps war in diesem Alter nicht annähernd so weit.
Kontrovers ist allerdings nicht sein Talent, sondern vielmehr die Art und Weise, wie es gefördert wird: Michael wird von seinen Eltern gemanagt, trainiert und schulisch unterrichtet, abgeschottet von den üblichen Nachwuchshoffnungen.
Die Entscheidung, mit 14 zum Profi zu werden, hat ihm den üblichen Weg über die NCAA und ein College-Stipendium verbaut. Die Trainingsmethoden sind in Fachkreisen umstritten - und nicht zuletzt die Tatsache, dass sich die Andrews als überzeugte Christen auf einer göttlichen Mission sehen.
SPOX sprach mit dem Teenager, nachdem er von einem Meeting in Santa Clara, Kalifornien, zurückgekehrt war. Dort hatte er an einem Wochenende an acht Rennen teilgenommen, von 50 Meter Rücken über 100 Meter Schmetterling und 100 Meter Brust bis hin zu 200 Meter Lagen. An diesem Tag wird jedoch in der Stadt trainiert und nicht im heimischen 25-Meter-Pool im Garten - der ist in Abwesehnheit der Familie umgekippt.
SPOX: Michael, Ihr Programm in Santa Clara war nicht von schlechten Eltern. Sie schwimmen alle vier Stile, dazu verschiedene Distanzen. Da fehlen eigentlich nur noch Staffeln, oder?
Michael Andrew: Ja, ich schwimme alle Stile. Staffeln sind nicht möglich, weil ich der einzige in unserem Team bin. Wir haben aber daran gedacht, eine Art nationales "USRPT"-Team aufzustellen, um dann Staffeln zu schwimmen. Das wäre sehr cool!
SPOX: Sie haben es gerade erwähnt: "USRPT". Dabei handelt es sich um ein neues Trainingskonzept. Was ist daran so revolutionär?
Andrew: "USRPT" steht für "Ultra Short Race Pace Training". Das heißt: Alles was wir im Wasser machen, orientiert sich spezifisch an den späteren Wettbewerben. Es ist eine ganz andere Art zu trainieren und basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen. Es wurde alles genauestens getestet.
SPOX: Während anderswo nach der Maxime trainiert wird: Je mehr Kilometer man im Training abreißt, desto schneller schwimmt man.
Andrew: Man macht es so, wie es eben immer gemacht wurde. Wir versuchen, einen neuen Weg aufzuzeigen. Wir wollen beweisen, dass es auch einfacher geht, dass man auch ein Leben außerhalb des Pools haben kann. Gewöhnlich ist der Ablauf immer gleich: schwimmen, essen, schlafen - und wieder von vorn. Bei mir heißt es: schwimmen, essen, schlafen, Bogenschießen, Videos machen, abhängen, Freunde treffen und so weiter.
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SPOX: Wie viele Stunden pro Woche verbringen Sie denn im Wasser?
Andrew: Hm, mal überlegen. Nicht mehr als drei Stunden am Tag, je eineinhalb Stunden morgens und abends. Am Samstag vielleicht eine Stunde. Aber das ist unterschiedlich: Wenn ich müde bin, dann lassen wir auch schon mal eine Einheit ausfallen oder verkürzen sie. Eineinhalb Stunden sind das Optimum, aber manchmal sind es auch nur 45 Minuten.
SPOX: Sie trainieren in einem 25-Meter-Becken. Bei Olympischen Spielen wird aber in einem 50-Meter-Becken geschwommen. Ist das ein Problem?
Andrew: Nein, es ist nicht zwingend notwendig, zu einem 50-Meter-Pool zu wechseln, weil man die Distanz im Training sehr leicht umwandeln kann. Und unser Pool steht direkt bei uns im Garten, also alles gut. Aber natürlich wäre ein 50-Meter-Becken klasse, wenn wir das nötige Geld oder die nötigen Sponsoren hätten.
SPOX: Seit zwei Jahren sind Sie mittlerweile Profi. Wie hat sich Ihre Liebe zum Schwimmen eigentlich entwickelt? Sind Sie einfach mit drei oder vier Jahren in den Pool gehüpft - und es war Liebe auf den ersten Blick?
Andrew: Nein (lacht). Ich habe mit sieben angefangen und ein Jahr später die ersten Wettbewerbe bestritten. Mit neun hat dann mein Vater angefangen, mich zu coachen. Von da an habe ich mit einem Ziel vor Augen trainiert - und es einfach geliebt, im Wasser zu sein, im Wasser schneller zu sein als alle anderen. Das ist definitiv eine Gabe, die mir Gott geschenkt hat. Er ist sozusagen meine Superkraft.
SPOX: Was ist Ihr ultimatives Ziel? Eine olympische Goldmedaille? Zwei? Fünf? Zehn?
Andrew: Über eine bestimmte Medaillensammlung habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Mein großes Ziel ist auf jeden Fall Rio 2016. Man muss sich über die Trials qualifizieren, da werde ich gerade 17 geworden sein. Das wird sehr schwierig, aber ich weiß, dass ich eine Chance habe. Wenn es Gottes Wille ist, dann wird es klappen. Im August will ich mich für die Junior-Weltmeisterschaften in Singapur qualifizieren und dort für die USA antreten. Ich bin davon überzeugt, dass ich das schaffen kann und freue mich sehr darauf.
SPOX: Sie haben bereits erwähnt, dass Sie von Ihren Eltern trainiert werden. Hat das Vorteile - und vielleicht auch Nachteile?
Andrew: Mein Vater trainiert mich, meine Mutter ist meine Managerin - und meine Schwester quasi die Familienköchin. Meinen Dad als Trainer zu haben, ist unglaublich, weil ich weiß, dass er mich mehr liebt als irgendjemand sonst. Er wird mich also nicht einfach mittelprächtig trainieren, sondern mich pushen. Und er motiviert mich. Er ist mein bester Trainingspartner, weil er das Beste aus mir herausholen kann. Bei meiner Mom ist das genauso. Unsere Familie ist eine enge Gemeinschaft, wir machen alles zusammen und haben die gleichen Ziele und Träume. Da gibt es also keine Nachteile. Natürlich geraten wir manchmal aneinander und haben unterschiedliche Vorstellungen, was das Training angeht.
SPOX: Und dann?
Andrew: Dann stehen wir das durch. Wir sprechen darüber und lösen das Problem. Wir werden immer ein großartiges Team sein. Viele denken, dass man nie von den eigenen Eltern trainiert werden sollte, weil es einfach nicht funktioniert. Aber in diesem Fall funktioniert es eben.
SPOX: Sie gehen auch nicht zur Schule, sondern werden zu Hause unterrichtet.
Andrew: Ja, bis zur fünften Klasse bin ich in die Schule gegangen. Im Moment bin ich an der Liberty University eingeschrieben. Die ist eigentlich in Virginia, aber man kann auch online Kurse belegen. Außerdem ist es auch eine christliche Schule, das gefällt mir sehr gut.
SPOX: Lassen Sie uns über Ihren Glauben reden. Über den sprechen Sie sehr offen - was nicht immer gut ankommt.
Andrew: Nein, das tut es nicht. Ich werde nicht oft öffentlich deswegen angegangen, aber ich bekomme schon mit, dass andere abfällig darüber reden. Ich wusste aber, was mich erwartet. Viele Menschen beobachten mich, wollen wissen, was ich mache und wer ich bin. Jesus ist ein Teil von mir - wenn sie also mehr über mich wissen wollen, dann erfahren sie auch mehr über Jesus. Das Schwimmen ist meine Aufgabe, mein Dienst. In diesem Dienst kann ich anderen von meinem Glauben erzählen.
SPOX: Sie sagten, dass das Schwimmen in Ihren Augen Ihre Gabe ist. Ist das gleichzeitig auch eine Last? Verspüren Sie Druck, diese Gabe nicht zu verschwenden?
Andrew: Es gibt immer eine Menge Druck, wenn man Wettbewerbe schwimmt. Als ich mit 14 Profi wurde, habe ich mich selbst unter enormen Druck gesetzt. Ich musste perfekte Rennen schwimmen, der Beste sein und überall gewinnen, sonst war ich dieser Gabe nicht würdig. Aber nach und nach habe ich gelernt, dass mich der Erfolg in meinem Sport nicht definiert. Ich bin ich - wichtig in meinem Leben ist meine Beziehung zu Jesus Christus und nicht, wie schnell ich durch das Becken komme. Natürlich ist der Druck da, ich will meine Gabe ja auch nicht vergeuden, sondern verantwortungsbewusst damit umgehen. Aber jetzt motiviert es mich, härter zu trainieren und an meine Grenzen zu gehen. Das macht es auch sehr aufregend.
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SPOX: Kritik bleibt da nicht aus: Sie sind so früh Profi geworden, gehen nicht zur Schule, sind sehr religiös, werden vielleicht von Ihren Eltern kontrolliert... Die Blase wird ganz sicher bald platzen, glauben einige.
Andrew: Ja, viele denken, dass ich in dieser geschützten Blase lebe und nicht frei darüber entscheiden kann, was ich mache. Gerade weil ich so früh Profi geworden bin. Aber: Jede Entscheidung, die wir als Familie getroffen haben, kam von mir. Natürlich stehen mir meine Eltern mit Rat und Tat zur Seite, aber Profi zu werden war allein meine Wahl. Ich wollte Profi-Sportler werden.
SPOX: Warum nicht die übliche College-Karriere, wie es auch ein Michael Phelps gemacht hat?
Andrew: Wir haben darüber diskutiert, aber mit den Vorgaben der NCAA und mit den in der in Frage kommenden High Schools waren wir nicht einverstanden. Also dachten wir: Hey, warum kann ich nicht einfach Profi werden, wenn wir die passenden Sponsoren bekommen? Wir haben lange darüber nachgedacht und gebetet, weil wir sicher sein wollten, dass es die richtige Entscheidung ist. Und wir haben sie noch nie bereut.
SPOX: Was die Sponsorensuche angeht, haben Sie kürzlich einen langfristigen Vertrag mit Adidas unterschrieben. Es gibt da einen Clip, in dem Sie anderen die korrekte Aussprache der Firma erklären.
Andrew: Ja, in den USA sagen ja viele "A-dieh-das". Als wir dann in der Firmenzentrale waren, stand dort eine Statue vom Gründer Adolf Dassler. Da ist uns klar geworden: Die Firmenname kommt von seinem Spitznamen Adi Dassler. Man setzt es zusammen - und dann erklärt sich die Aussprache von ganz allein.
SPOX: War das in der US-Zentrale?
Andrew: Nein, in Deutschland. Wir kamen von einem Trip nach Südafrika zurück, sind nach Paris geflogen und von dort fuhren wir nach Herzog... wissen Sie, wo es ist?
SPOX: Ja. Herzogenaurach. Nicht ganz leicht.
Andrew: Genau, so heißt die Stadt. Wir haben sie dann einfach nur "Herzog" genannt...
SPOX: Welchen Unterschied wird der Deal machen?
Andrew: Einen riesengroßen Unterschied. Durch diese Unterstützung kann ich weiter das tun, was ich liebe, ohne dass die finanzielle Belastung für meine Familie zu groß wird. Sie wissen, dass wir weiter als Familie zusammenarbeiten werden und respektieren und unterstützen das. Und ihre neu entwickelten Anzüge sind der Hammer.
SPOX: Werden Sie in Zukunft also auch mit anderen Adidas-Schwimmern trainieren? Vielleicht mit Cesar Cielo oder Alison Schmitt?
Andrew: Erst einmal nicht, weil unser Training so unterschiedlich ist. Wobei Cesar Cielo recht ähnlich trainiert: kurze, auf den Sprint ausgerichtete Intervalle. Vielleicht in Zukunft, das wäre richtig cool.
SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss zu einem anderen Thema übergehen: Essen! Auf Instagram haben Sie ein Foto mit einem ganzen Berg voller Burger und Pommes gepostet. Es gibt ja fast schon mythische Geschichten über die Kalorienmengen, die ein Michael Phelps im Training verdrückt. Wie sieht es denn mit Ihren Essgewohnheiten aus?
Andrew: Lustig, dass Sie das fragen. Nach dem Meet in Santa Clara habe ich bei In-n-Out tatsächlich drei "Triples" gegessen, also richtig große Burger. Aber das war ein "Cheat Day". Normalerweise halte ich mich von Kohlenhydraten eher fern und esse sehr protein- und fettreich. Fett gibt langsamer Energie ab als Kohlenhydrate, es kommt also nicht so schnell zum Crash.
SPOX: Wie sieht denn eine normale Mahlzeit aus?
Andrew: Also zum Frühstück gibt es drei bis sechs Spiegeleier, je nachdem wie hungrig ich bin. Dazu so viel Bacon, wie ich essen kann, und dann macht meine Schwester noch Bananen-Pfannkuchen. Die bestehen nur aus Banane und Eiern.
SPOX: Eier und Speck - könnte schlimmer sein. Wie sieht es mit Hobbies aus?
Andrew: Jede Menge! Ich liebe es zu photographieren, vor allem Actionbilder. Ich habe eine Drone, die ich bei einem Besuch in Peking auch schon über die Chinesische Mauer habe fliegen lassen. Mit meinem Vater und Michaela spiele ich Tennis, sie möchte Tennisprofi werden. Und als Alternative zu Training mit Gewichten gehen wir Wakeboarden auf einem See in der Nähe.
SPOX: Letzte Frage: Ihre Mutter war früher bei den American Gladiators, stimmt das?
Andrew: Nicht ganz: Sie war in den 90ern bei den UK Gladiators, also der englischen Version. Sie war "Laser". Ab und zu schauen wir uns auf YouTube ihre Videos an. Mein Vater sagt, dass sie kein einziges Spiel verloren hat, deshalb hatten alle mächtig Angst vor ihr. (lacht)
SPOX: Wäre das auch etwas für Sie?
Andrew: Als Gladiator? Ich weiß nicht. Meine Mutter hat mir erzählt, wie die Arbeit eines Gladiators aussah, das scheint... nicht sehr spaßig zu sein. Aber als Kandidat wäre es eine coole Herausforderung!