Der Schickste, bitte vortreten!

Florian Regelmann
21. November 200918:49
Die acht Teilnehmer der ATP World Tour Finals beim Fotoshooting vor dem Turnierstart Getty
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In London treffen sich die acht besten Tennisspieler zum großen Saisonfinale. SPOX-Redakteur Florian Regelmann outet sich vorher als Murrayaner und stellt sein ganz persönliches Ranking auf.

SPOX

Der ZDF-Videotext bietet ja viel mehr, als wir allen denken. Es gibt nicht nur alle Sportergebnisse zum schnellen Aufsaugen, es gibt auch die Seite 801. Klatsch-News. Letztens stand dort zu lesen, dass Hollywood-Schauspieler John Travolta gerne mitten in der Nacht auf dem Tennisplatz steht.

"Der Haus-Manager und die Person, die sich um die Instandhaltung seines Anwesens kümmert, stehen ihm dabei als Tennis-Partner zur Verfügung", wurde erklärt. Um Mitternacht mal eben auf den eigenen Tennisplatz um die Ecke gehen und auf die Kugel dreschen? Eine göttliche Vorstellung. Wer wäre - in dieser Beziehung - nicht mal gerne John Travolta?

Kommen wir zum Sportlichen: Es geht um die ATP World Tour Finals. Früher hieß das Masters-Cup, ganz früher einfach ATP-WM. Zu Frankfurter Zeiten war das noch eine große Nummer mit großem Flair und großen Matches, aber spätestens in den letzten vier Shanghai-Jahren interessierte das Turnier nicht mehr so wirklich. Bei allem Respekt für Asien, das lag auch am Standort.

Tag 1 im LIVE-TICKER: Sonntag, 15 Uhr

Es ist davon auszugehen, dass ab diesem Jahr mit dem Wechsel nach London in die O2 Arena wieder neuer Zug in die Veranstaltung kommt.

So, und hier ist jetzt mein Top-8-Ranking. Jede andere Meinung ist erlaubt und willkommen. Gerne in den Kommentaren.

1A: Andy Murray (Match-Bilanz 2009: 64:10)

Ob Murray oder Federer die Nummer 1 dieses Rankings sein soll? Ganz schwierige Kiste. Aber wer Murrayaner ist, muss dazu stehen. Ich kann mich mit der Attitüde, die Murray auf dem Platz verkörpert, mit all dem, was Murray auf dem Platz macht, sehr gut identifizieren. Mit seinen Selbstgesprächen, seiner impulsiven und teils mürrischen Art, auch seiner Lethargie.

Vor allem verdient aber Murrays Art und Weise Tennis zu spielen Anerkennung. Selbst Roger Federer lobt immer wieder, dass es kaum einen größeren Taktiker auf der Tour gibt. Murray haut nicht drauf, Murray spielt seine Gegner aus. Dabei kann er aus einem großen Schlagrepertoire schöpfen, er hat unglaublich viel Gefühl im Händchen, sein Slice ist extrem gefährlich und seine beidhändige Rückhand ein Traum.

Es gibt keinen jungen Spieler, der das Tempo so gut variiert und so kreativ Tennis spielt wie der Schotte. Wenn er in den Big Points noch aggressiver und entschlossener wird, sind ihm keine Grenzen gesetzt. Er wird Grand Slams gewinnen.

1B: Roger Federer (Match-Bilanz 2009: 64:10)

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Der beste Tennisspieler aller Zeiten. Nuff said. Das war er auch schon, bevor er den Rekord von Pete Sampras gebrochen hat. Pistol Pete strahlte eine angsteinflößende Unbreakbarkeit aus, aber bei Federer liegt die Sache noch mal anders. Jeder Schlag von ihm ist ein Kunstwerk. Seine Eleganz, seine Leichtigkeit des Seins, sein Improvisationstalent, sein Shotmaking - das wird es nie mehr geben.

Nehmen wir als Beispiel den Schlag bei den US Open. Das war kein Tennisschlag, das war aus Gegner-Sicht eine Frechheit. Oder nehmen wir die Jahre 2005 und 2006. 173 Siege - 9 Niederlagen. Es gibt im Männer-Tennis kein einziges leichtes Match. Jeder, der da auf der Tour herumläuft, kann richtig gut Tennis spielen. Diese Bilanz ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Die vielleicht faszinierendste Stärke beweist der Schweizer jedes Mal beim Abwehren von Breakbällen. Es kommt durchaus mal vor, dass er 0:40 oder 15:40 hinten liegt, sich aber dann mit seinem besten Tennis befreit. Und es dabei noch spielerisch aussehen läst. Last but not least ist Federer auch modisch ganz weit vorne - auch ein wichtiges Kriterium.

3. Robin Söderling (Match-Bilanz 2009: 47:19)

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Rückte für den am Knie verletzten Andy Roddick ins Feld und sofort in die Top 3. Warum? Weil Söderlings gerades Speed-Tennis Spaß macht. Da ist mal so was von überhaupt kein Spin in den Schlägen drin. Kommt zugegeben relativ eindimensional daher, hat aber im Erfolgsfall geniale Züge.

Er trifft den Ball unglaublich clean - wenn er noch öfter ans Netz nachgehen würde, wäre er noch besser. Söderling hat ein tolles Jahr hinter sich und könnte auch in London überraschen.

Er ist mit Sicherheit nicht annähernd so ein Mr. Nice Guy wie es Stefan Edberg war, aber dass er der Ober-Unsympath ist, ist auch Quatsch. Ist er nicht. Er hat einmal gekonnt Rafael Nadal während eines Matches nachgemacht, aber der Spanier braucht nun auch mal viel zu viel Zeit vor einem Aufschlag. Alles halb so wild. Übrigens unglaublich, dass Söderling aktuell der einzige Schwede in den Top 240 der Welt ist. Wir denken an Wilander, Edberg, Enqvist, Björkman und Co....

4: Juan Martin Del Potro (Match-Bilanz 2009: 51:14)

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Die Salzstange. Der US-Open-Champion. Die Vorhand. Die kommende Nummer eins. Wer das US-Open-Finale gegen Federer nicht gesehen hat, hat etwas verpasst. Viele hatten es Del Potro nicht zugetraut, dass er in einem solch großen Moment schon mental soweit ist, um Federer zu schlagen, aber er hat alle vom Gegenteil überzeugt. Wenn er im Rollen ist, hält ihn niemand mehr auf.

Dass Del Potro für seine Vorhand einen Waffenschein braucht, darüber müssen wir nicht diskutieren. Wenn die Vorhand einschlägt, dann schlägt sie ein. Es hat selten einen fast 2-Meter-Mann gegeben, der sich trotz seiner Größe so geschmeidig bewegt und so eine gute Balance bei seinen Schlägen hat. Auch taktisch ist er in der Lage, Punkte klug aufzubauen und ein Spiel zu dominieren.

Del Potro hat das komplette Paket - und er ist bei all seinem Erfolg bislang wohltuend bescheiden geblieben. Er hat eine gewisse Demut im Erfolg. Und er mag Däninnen. Auch das macht ihn nicht unsympathisch.

Hier geht es zu den Plätzen 5-8 und zum London-Tipp

5: Rafael Nadal (Match-Bilanz 2009: 64:11)

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Ein schwieriger Fall. Menschlich gibt es gegen den Spanier nichts zu sagen. Allein sein respektvolles Verhalten gegenüber Federer war schon einige Male sehr beeindruckend. Nun ist es aber so, dass man mit Nadals Tennis nicht unbedingt etwas anfangen können muss, wenn man auf Filigranes steht.

Wenn man dagegen auf Leidenschaft und Kampfkraft pur steht, dann schon. In dieser Beziehung ist Rafa einzigartig. Nicht umsonst schießt einem beim Stichwort Nadal in den Kopf, wie er vor einem Match in der Kabine vor dem Spiegel steht und sich heiß macht. Dass er irgendwann in der Rally einen Fehler machen könnte, scheidet bei einem Nadal in Bestform als Option für einen Punktgewinn quasi aus. Er spielt die unglaublichsten Bälle aus der Bedrängnis und dabei nicht selten die absurdesten Winkel.

Aber Fakt ist eben auch, dass sich sein Spiel über Kraft definiert. Und nicht über Finesse. Es ist schwer vorstellbar, dass Nadal mit 30 Jahren noch Grand Slams gewinnt. Rein körperlich ist seine Art Tennis einfach zu heavy, um das lange durchzustehen.

6: Novak Djokovic (Match-Bilanz 2009: 52:22)

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Das erste von der ATP registrierte Match bestritt Djokovic als 16-Jähriger bei einem Future-Turnier in München. 5:7, 6:7 gegen Alex Radulescu. Genau, der Radulescu, der 1996 aus Versehen in Wimbledon im Viertelfinale stand. Ist seither ganz schön weit gekommen, der Djokovic. Wäre mal interessant zu wissen, wie oft Djokovic in seiner Karriere vor dem Aufschlag den Ball aufgetippt hat.

Viel mehr als seine bekannten Imitationsfähigkeiten fasziniert beim Serben seine Fähigkeit, Spiele zu gewinnen, auch wenn es alles anderes als gut läuft. Beim Turnier in Basel stand Djokovic vor kurzem einige Male vor dem Aus, zog den Kopf aber immer aus der Schlinge. Und im Finale ließ er dann Roger Federer bei dessen Heimspiel keine Chance. Der Djokovic hat auf jeden Fall Eier.

Und er kommt nach seinem Sieg in Paris-Bercy als der heißeste Spieler nach London. Ist ein sehr sympathischer lustiger Zeitgenosse, der ohne Frage überragendes Grundlinien-Tennis spielt, aber rein spielerisch niemand, der einen komplett vom Stuhl reißt.

7: Fernando Verdasco (Match-Bilanz 2009: 52:22)

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Verdasco ist der einzige Neuling beim Saisonfinale. Über seinen Status als Frauenheld (viele Grüße an Ana Ivanovic und Gisela Dulko) wurde schon viel erzählt. Der Fernando macht das alles schon richtig. Fakt ist, dass er tennistechnisch gesehen in dieser Saison einen Riesensprung gemacht hat.

Wer an Verdasco denkt, denkt an sein Fünfsatz-Match gegen Rafael Nadal bei den Australian Open. 7:6, 4:6, 6:7, 7:6, 4:6 - 5 Stunden, 14 Minuten - eines der unfassbarsten und brutalsten Matches, die es wohl je gegeben hat.

Dass es Verdasco verloren hat, ist ein bisschen typisch, denn seine Schwäche bei Big Points hat er zwar verbessert, aber noch nicht abgestellt. Neben seinem Power-Tennis positiv: Verdasco ist einer der wenigen Spanier, die so was wie Spielwitz haben. Und vollieren kann er auch. Guter Typ.

8: Nikolai Dawydenko (Match-Bilanz 2009: 53:16)

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Es war 2007 bei den US Open, da hatte Tommy Haas mal wieder nur Frust. Über zwei Stunden musste er gegen diese langweilige Ballwand antreten. Diese langweilige Ballwand, die von einer Seite zur anderen rennt und einen mit seinem trockenen Tennis auf Vor- und Rückhandseite so zermürbt, dass man unschöne Gedanken bekommt.

"Wenn man ihn auf der Anlage so rumlaufen sieht, kann man nicht glauben, dass er einer der besten Spieler der Welt ist", hat Haas mal treffend über Dawydenko gesagt. Der Russe wird es nie ganz nach oben schaffen, weil ihm dafür die Brillanz fehlt.

Aber wenn der ein oder andere nicht sein A-Game bringt, dann würde es niemanden überraschen, wenn Dawydenko in London ins Halbfinale kommt. Auch wenn niemand für sein Tennis Eintritt bezahlen würde. Deshalb Rang acht.

Mein London-Tipp

Gruppe AGruppe B
1. Roger Federer1. Novak Djokovic
2. Andy Murray2. Robin Söderling
3. Juan Martin Del Potro3. Rafael Nadal
4. Fernando Verdasco4. Nikolai Dawydenko
Halbfinale
Federer over Söderling
Djokovic over Murray
Finale
Federer over Djokovic

Die ATP-Weltrangliste