In New York beginnen die US Open. SPOX nimmt die Favoriten für das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres unter die Lupe und verrät, wer das Zeug hat, den Arrivierten ein Bein zu stellen. Wer kann Novak Djokovic stoppen? Was machen Roger Federer und Rafael Nadal? Und wie stehen die Chancen für Andrea Petkovic und Sabine Lisicki? Das Power-Ranking.
1. Novak Djokovic
Der Serbe ist und bleibt der überragende Mann der Saison, daran hat auch der Wechsel auf die Hartplätze nichts geändert. In Montreal gewann er im Finale gegen Mardy Fish seinen fünften Masters-Titel des Jahres - Rekord! Damit hängte er Rafael Nadal und Roger Federer ab, die 2005 bzw. 2005 und 2006 jeweils vier der neun Turniere der 1000er Kategorie gewonnen hatten.
Nick Bollettieri exklusiv: "Djokovic ist der kompletteste Spieler aller Zeiten"
Eine Woche nach dem Triumph folgte eine Schrecksekunde: Djokovic musste im Endspiel von Cincinnati beim Stand von 4:6, 0:3 gegen Andy Murray die Waffen strecken. Grund war eine Blessur in der rechten Schulter. "Ich konnte nicht aufschlagen und keine Vorhand spielen", erzählte Nole im Anschluss. Eine gute Erklärung für die erst zweite Niederlage des Jahres - bei 57 Siegen!
Prognose: Djokovic kann nur der eigene Körper stoppen.
Blog-Vorschau zu Djokovic und Federer
2. Andy Murray
GettyMurray ist der einzige der Big Four, der noch keinen Grand-Slam-Titel auf dem Konto hat. In den entscheidenden Momenten, da sind sich Experten wie Nick Bollettieri und Boris Becker einig, fehlt ihm die mentale Stärke. Sein Angriffsspiel ist häufig nicht aggressiv genug.Vor New York jedoch sind die Vorzeichen andere: Der Schotte ist wohl der Fitteste der Big Four. Nach seinem blamablen Aus in Montreal (3:6, 1:6 gegen den Südafrikaner Kevin Anderson) berappelte sich der lange Schlacks und gewann Cincinnati. Die Aufgabe des Djokers im Endspiel ist nicht das Entscheidende: Murray spazierte durch dieses hervorragend besetzte Vorbereitungsturnier, schlug David Nalbandian, Alex Bogomolov Jr., Gilles Simon sowie Mardy Fish und gab dabei keinen einzigen Satz ab.
Prognose: Kann der Schotte den Schalter auf Angriff umlegen und seinen Bällen zielstrebiger nachgehen, ist das Finale drin.
3. Mardy Fish
Finale Montreal (mit Satzgewinn gegen Djokovic), Halbfinale Cincinnati (gegen Murray) - der US-Amerikaner ist der klare Aufsteiger der Hartplatzsaison. Früher meist als Highschool-Kumpel von Andy Roddick belächelt, hat der starke Aufschläger sein Repertoire erweitert.
Einen Nadal mit drei und vier in einem Viertelfinale heimzuschicken - keine Kleinigkeit! Fish kann man ernsthaft zutrauen, ein Halbfinale der Big Four zu sprengen.
Prognose: Fish muss konstant an sein Limit gehen, aber dann erreicht er die Semis.
4. Roger Federer
Gerade 30 geworden, hat der Schweizer in den letzten Wochen oft die Frage beantworten müssen, wie lange er denn noch weiterspielen will. Höflich lächelnd wie immer referierte der Rekord-Grand-Slam-Champ daraufhin über seine Olympia-Pläne mit Martina Hingis und Turnier-Teilnahmen über den Sommer 2012 hinaus.
Nach dem überraschend frühen Aus in Wimbledon spielte Federer ein paar ordentliche Hartplatzmatches, bei Jo-Wilfried Tsonga (Achtelfinale Montreal) und Tomas Berdych (Viertelfinale Cincy) war aber Endstation. Doch Flushing Meadows ist sein Ding, 2004 bis 2008 gewann er die US Open, 2009 war er im Finale, letztes Jahr verlor er in den Semis einen Fünf-Satz-Krimi gegen Djokovic.
Prognose: Abschreiben darf man den Rekord-Mann nie, ein Finaleinzug wäre aber schon eine kleine Überraschung.
5. Rafael Nadal
Der Spanier ist in diesem Sommer nicht er selbst. Die Schmerzen an der Ferse sind vielleicht ein Grund. Entscheidend aber ist: Nadal hat während der unheimlichen Siegesserie von Djokovic seine Ruhe und Dominanz verloren. Der Serbe hat ihn in dieser Saison zum ersten Mal abgehängt, und das gleich deutlich - es scheint, als könne Nadal den Verlust der Nummer eins nach 57 Wochen seiner Regentschaft schlecht verknusen.
Blog-Vorschau zu Rafael Nadal
Fünf Wochen nach seiner Finalniederlage gegen Djokovic in Wimbledon kehrte Nadal auf die Tour zurück, um gleich gegen Ivan Dodig den Kürzeren zu ziehen. In Cincinnati quälte er sich gegen Julien Benneteau und Fernando Verdasco - Fish war einfach zu stark. Der "alte" Nadal hatte eine Breakball-Verwertungsquote zum Fürchten, gegen Fish vergab er alle vier und kassierte im siebten Spiel gegen den US-Profi die erste Niederlage.
Prognose: Für den Spanier wird es schwer, seinen Stammplatz unter den letzten Vier einzunehmen.
Man to watch: Jo-Wilfried Tsonga
Eine Wundertüte: Der Franzose pendelt zwischen Weltklasse und Leichtsinnsfehlern. In dieser Hartplatzsaison schlug er Roger Federer, Marin Cilic und Bernard Tomic, unterlag allerdings auch einem Alex Bogomolov Jr.
Der Viertelfinalsieg gegen Federer in Wimbledon hat dem 26-Jährigen zweifellos Selbstvertrauen verliehen, doch sein altes Problem mit der fehlenden Konstanz ist er noch immer nicht ganz los.
Prognose: Minimiert Tsonga seine Fehler, ist alles möglich.
Blog: Noch ein Man to watch: Juan Martin del Potro
Aussichten der Deutschen: Mies
Der Achtelfinal-Einzug von Philipp Kohlschreiber in Cincinnati (nach starken Auftritten gegen Andy Roddick und Feliciano Lopez) kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die DTB-Herren auf Hartplatz noch nach ihrer Form suchen. Es hagelte Erstrundenniederlagen.
Florian Mayer kann davon ein Lied singen: In New York immerhin an Position 26 gesetzt, scheiterte der Mann mit der Riesen-Vorhandfelge in Cincinnati und Montreal jeweils an der Auftakthürde - sie hießen immerhin Ivo Karlovic und Richard Gasquet.
Philipp Petzschner kappte seine schwarze Serie nach vier Pleiten in Runde eins erst in Montreal, nur um das nächste Match zu verlieren. Überraschende Erfolgsmeldungen von Tobias Kamke, Michael Berrer oder Matthias Bachinger sucht man ebenso vergebens.
Prognose: Nur mit viel Glück erreicht ein Deutscher die dritte Runde, dass einer die zweite Woche erlebt, ist illusorisch.
Seite 2: Das Power-Ranking zu den Damen
1. Serena Williams
Unfassbar, wie Serena nach ihrer langen Verletzungspause (Fußsehne, Lungenembolie) auftrumpft: Siege in Stanford und Toronto haben die US-Amerikanerin aus der Rekonvaleszenz direkt in die Favoritenrolle katapultiert.
Dass sie wegen Schmerzen im Zeh in Cincinnati zurückzog, war wohl eine Vorsichtsmaßnahme. "Leute! Alles wird gut!", beschwichtigte die dreifache US-Open-Siegerin ihre Fans per "Twitter". Böse Zungen behaupteten, Williams habe sich die Auszeit lediglich gegönnt, um auf der Glamour-Hochzeit von Kim Kardashian zu tanzen.
Prognose: Alles andere als der Finaleinzug wäre eine Überraschung, der vierte Titel ist drin.
2. Maria Scharapowa
GettyDie Russin ist zurück und vielleicht stärker denn je. Trotz einer rätselhaften Aufschlagschwäche im ersten Finalsatz von Cincinnati hat Scharapowa beim größten Vorbereitungsturnier gnadenlos abgeräumt. Aus der herben Viertelfinalpleite gegen Serena in Stanford (1:6, 3:6) wird die 24-Jährige wichtige Schlüsse gezogen haben.Im Cincy-Endspiel bewies sie zudem, dass sie sich - selbst wenn mal etwas richtig schief läuft - nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt. Stattdessen zerrt sie in diesen Situationen mit viel Biss, ihrem Spitzenreturn und der gewohnten Geräuschpalette so lange an den Nerven der Gegnerin, bis sie sie doch noch niederringt.
Prognose: Sie ist die einzige Frau im Kreis der Favoritinnen, die Serena Williams in Sachen Willensstärke und Erfahrung das Wasser reichen kann.
3. Sabine Lisicki
Halbfinale in Stanford, Viertelfinale in Carlsbad, Sieg in Dallas - und in Sachen Power können ihr sowieso die wenigsten Gegnerinnen das Wasser reichen: Was soll da schief gehen für die 21-jährige Deutsche?
Sabine Lisicki im Interview: "Einfach nur Spaß haben und kämpfen"
Dass ihr ein Ausreißer nach unten nach wie vor passieren kann, hat die Wimbledon-Halbfinalistin in der ersten Runde von Cincinnati erfahren müssen: Gegen eine durchschnittlich agierende Shahar Peer spielte Lisicki haarsträubend und wachte erst bei 4:6, 0:5 auf. Sie stoppte die Fehlerflut, ging sensationell mit 6:5 in Führung - um postwendend den Tiebreak und das Match abzugeben.
Dieses Erlebnis hat sie wohl nicht zu sehr ins Grübeln gebracht. Falls doch, hat Lisicki die richtigen Schlüsse gezogen: Getreu dem Motto "Neue Woche, neues Glück" trat sie in Dallas ihren Siegeszug an.
Prognose: Wenn sie aus dem Drama von Paris (Aufgabe wegen Ganzkörperkrämpfen), dem Halbfinal-Erlebnis in Wimbledon und ihrem Ausrutscher in Cincinnati die richtigen Lehren gezogen hat, kann sie dank ihrer Power wieder die Top Four knacken.
4. Wera Swonarewa
Früher war Swonarewa mit dem Image des Seelchens und vielen Wuttränen auf der Tour unterwegs, jetzt hat sich die Russin inzwischen auf Platz zwei der Weltrangliste festgesetzt. 2010 erreichte sie bekanntlich bereits die Endspiele von Wimbledon und der US Open.
Swonarewa macht wenig Fehler, ist ruhiger geworden und spielt dennoch aggressiv. Zudem agiert sie variabler als die meisten Konkurrentinnen, hat ein hervorragendes Auge für die Nachlässigkeiten der Gegnerinnen und nutzt diese Chancen sicher. Ihre Hartplatzsaison verlief exzellent: Sieg in Baku, Finale in Carlsbad, in Toronto das Achtel- und in Cincinnati das Halbfinale. Einfach stark!
Prognose: Konserviert die 26-Jährige diese Form, kann sie jede schlagen.
5. Victoria Asarenka
Exzellentes Hartplatztennis, doch den entscheidenden Big Point noch immer nicht gelandet: Seit einer kleinen Ewigkeit wird die Weißrussin als Next-Grand-Slam-Champion gehandelt.
Dass es in Flushing Meadows auch in diesem Jahr wohl noch nicht so weit ist, liegt zum Teil an dem riesigen Ehrgeiz, den die 22-Jährige auch während ihrer Matches zur Schau stellt. Konzentration und Fokus schön und gut, nach Spaß sieht es bei Asarenka meist nicht aus.
Prognose: Wenn sie ihre Verbissenheit in Aggressivität und Freude auf dem Platz ummünzen kann, kratzt sie an den Semis.
Woman to watch: Petra Cetkovska
Beim Rückblick auf Cetkovskas Karriere nach dem Durchbruch bei den French Open 2008 (Achtelfinale) von einer Durststrecke zu sprechen, wäre eine heftige Untertreibung. Verletzungen warfen die Tschechin zurück, sie sammelte in den fünf folgenden Grand Slams Erstrundenniederlagen. Die Hauptfelder der nächsten sieben Majors fanden gleich ganz ohne sie statt. Kein Experte hätte wohl mehr einen Pfifferling auf Cetkovska gesetzt.
Doch still und heimlich berappelte sie sich, wechselte den Coach und zog nach Paris. Inzwischen grüßt sie mit 26 Jahren wieder von Platz 32 der WTA-Rangliste, es soll nur eine Durchgangsstation sein. Ans Aufgeben, sagt sie, hat sie in der schwierigen Zeit nie gedacht. Ein Schlüsselerlebnis: Das Achtelfinale in Wimbledon 2011 als Qualifikantin. In New Haven hat sie letzte Woche das Finale erreicht, dabei Li Na und Marion Bartoli ausgeschaltet.
Prognose: Eine Frau, die für Arrivierte ein Stolperstein sein kann - dank ihres aggressiven Spiels und der Erfahrung aus elf Profi-Jahren. Das Viertelfinale ist möglich.
Aussichten der Deutschen: Bestens
Für die an Position 10 gesetzte Andrea Petkovic steht und fällt alles damit, wie sie ihren Meniskusriss in den Griff bekommt. Geht es nach Spielstärke, mentaler Toughness und ihren starken Ergebnissen in Carlsbad (Halbfinale), Toronto (Viertelfinale) und Cincinnati (Halbfinale), gehört die 23-Jährige in die Runde der letzten Acht.
Julia Görges kam nach Wimbledon zunächst nicht in Schwung, aber mit einer 6:1, 6:3-Demonstration gegen Jelena Jankovic und der knappen Pleite gegen Serena Williams in Toronto, wo sie die haushohe Favoritin in den Tiebreak zwang, ließ sie aufhorchen. In der ersten Runde trifft sie im deutschen Duell auf Kristina Barrois, die sie im Griff haben sollte. Danach braucht sie mehr Kampfgeist als zuletzt, wo knappe Matches der 22-Jährigen meist als Drei-Satz-Niederlagen endeten. Die zweite Woche wäre ein Riesenerfolg.
Angelique Kerber überzeugte beim (wenn auch weniger gut besetzten) Vorbereitungsturnier in Dallas. Die 23-jährige Linkshänderin ist für eine Überraschung gut! Für Mona Barthel ist jede überstandene Runde ein Erfolg - die 21-Jährige braucht noch mehr Matchpraxis auf diesem Niveau, ihr Potenzial hat sie mit Runde zwei bei den French Open bereits angedeutet.
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