SPOX: Erst einmal noch nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Wimbledon-Sieg im Mixed mit Ihrer Partnerin Iveta Benesova. 1999 der Titel bei den Junioren, im letzten Jahr der Doppel-Triumph mit Philipp Petzschner, jetzt das Mixed, Respekt.
Jürgen Melzer: (lacht) Danke. Wenn mir am Anfang meiner Karriere jemand gesagt hätte, dass ich dreimal Wimbledon-Sieger werde, auch wenn nicht der ganz große Einzeltitel dabei war, hätte ich das sofort unterschrieben. Klar kann es immer noch mehr und noch besser sein, aber insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meiner Karriere.
SPOX: Glauben Sie denn noch, dass es auch mit dem Einzel-Grand-Slam-Titel klappen könnte?
Melzer: Ich war bei den French Open im vergangenen Jahr im Halbfinale, da haben mir dann nur noch zwei Siege gefehlt, ich war also relativ nahe dran. Deshalb bleibt es schon ein Traum, mal den ganz großen Wurf zu schaffen. Aber wenn das nicht gelingt, bin ich auch total zufrieden, wie es für mich in meinem Tennisleben gelaufen ist.
SPOX: So einfach ist es ja auch nicht, bei den Herren einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Selbst wenn man in den Top 10 steht, hat man kaum Chancen, weil es die Herren Nadal, Djokovic und Federer gibt.
Melzer: Das stimmt. Murray muss man auch dazu zählen - und von den Top 4 sind ja im Prinzip immer mindestens drei im Halbfinale bei den Slams. Es ist zwar für uns andere Topspieler immer mal möglich, weit zu kommen, ich war im Halbfinale, jetzt war es eben Tsonga, aber an all diesen Jungs vorbei zu kommen, ist natürlich schwer.
SPOX: Das Gute für Sie: Nimmt man die Positionen in der Einzel-Weltrangliste (18) und Doppel-Weltrangliste (13) zusammen, sind Sie mit Abstand der beste Kombinations-Spieler der Welt. Praktisch alle Topstars konzentrieren sich aufs Einzel, nur Sie nicht. Warum?
Melzer: Es macht mir einfach brutal Spaß. Schon immer. Ich möchte das Doppel spielen nicht missen. Natürlich muss man schauen, welche Turniere man spielt und man muss mit den Kräften haushalten, aber ich glaube überhaupt nicht, dass ich bessere Ergebnisse im Einzel erzielen würde, wenn ich mich total darauf konzentrieren würde. Im Gegenteil. Das Doppel bringt mir ja noch was für das Einzel, wenn man zum Beispiel an Aufschlag, Return oder das Volleyspiel denkt. Ich spiele es gerne und es kostet nicht monstermäßig Kraft.
SPOX: Sie gehören ohne Zweifel zu den eleganteren Spielern auf der Tour. Da macht sich auch der Einfluss Ihrer Vorbilder bemerkbar, oder?
Melzer: Bestimmt. Stefan Edberg, Michael Stich, Patrick Rafter - das waren die drei Jungs, die mir aufgrund ihrer Spielweise sehr gut gefallen haben.
SPOX: Wo es bei Ihnen und Edberg dann aber krass auseinander geht, ist die Emotionalität auf dem Platz. Edberg war die Ruhe in Person, Sie sind als Hitzkopf bekannt. Jetzt haben Sie im Mai die 30er-Grenze erreicht. Wird man da entspannter?
Melzer: Man wird schon ruhiger und ein bisschen gescheiter. Aber auf der anderen Seite bin ich nun einmal ein emotionaler Spieler und das wird sich auch nie ändern. Die Emotionen, die ich außerhalb des Platzes vielleicht zu wenig habe, habe ich auf dem Court zu viel. Ich versuche, es so gut es geht im Griff zu haben, aber so schlimm ist es ja jetzt auch wieder nicht. Man ärgert sich mal, man zerhackt mal einen Schläger - es muss einfach raus. Ich habe schon oft genug probiert, es drinnen zu lassen, aber das geht nicht.
SPOX: Und dann rappelt es eben mal und man zahlt die fällige Strafe der ATP...
Melzer: In dem Moment, wo ich fluche oder einen Schläger zerstöre, denke ich ja nicht: "Hoppla, Strafe." Es passiert im Affekt. Klar gibt es Strafen und die sind irgendwo auch richtig, weil wir eine Vorbildfunktion haben. Aber Emotionen müssen trotzdem sein, sonst schaut es sich auch niemand mehr an.
SPOX: Ganz jung sind Sie mit 30 jetzt nicht mehr, haben Sie sich schon mit der Karriere nach der Karriere beschäftigt?
Melzer: Wenn man sich mit dem Aufhören beschäftigt, sollte man auch aufhören. Das ist kein Thema für mich. Ich verschwende gar keine Gedanken daran, wann Schluss ist, oder was danach kommt. Das sehe ich dann noch früh genug. Hey, ich hatte in der letzten Saison mein bestes Jahr überhaupt, da muss ich doch nicht ans Aufhören denken, oder? (lacht)
SPOX: Nein, passt schon. Zumal Sie ja auch viel Spaß auf der Tour haben. Bei den Mädels hört man immer wieder von Zickereien, aber bei den Jungs scheint sich der Großteil blendend zu verstehen, gerade unter den Top-Stars herrscht ja ein sehr entspanntes Verhältnis.
Melzer: Ich denke, es ist im Allgemeinen so, wenn man Frauen und Männer vergleicht, dass bei den Mädels viel mehr hinterrücks abläuft. Ins Gesicht lachen und dann mit der Hacke ins Kreuz - das gibt es bei uns nicht. Es gibt vielleicht ein paar Spieler, die man nicht so gut leiden kann, das ist ganz normal, aber insgesamt verstehen wir uns sehr gut. Es wäre eine einsame Welt, wenn du auf der Tour keine Freunde hättest.
SPOX: Sie sind jetzt auch schon lange dabei. Was ist bei Ihnen besonders hängen geblieben in all den Jahren?
Melzer: Ich habe mal ein Erdbeben miterlebt, 2001 in El Salvador. Mit tausenden Toten. Beim Einschlagen vom Finale ging es los, so etwas vergisst man sein Leben lang nicht. Es war Wahnsinn.
SPOX: In Ihrer Zeit wurden auch einige Veränderungen vorgenommen, man denke nur an das Hawk-Eye oder den Champions Tiebreak im Doppel. Gibt es eigentlich etwas, das Sie total nervt?
Melzer: Ich finde, dass man das Netz abschaffen könnte. Also nicht das Netz an sich. (lacht) Sondern das Netz beim Aufschlag. Es passiert so oft, dass die Maschine ohnehin nicht funktioniert, man sollte einfach weiterspielen. Das wäre eine gute Änderung.
SPOX: Abschließend muss mit dem Fußball-Fan Melzer auch noch über das runde Leder gesprochen werden. Welches ist denn Ihr Team?
Melzer: In Österreich bin ich Anhänger der beiden Wiener Vereine, aber im Grunde bin ich vor allem ein riesengroßer FC Bayern-Fan. Mein Lieblingsspieler war immer Michael Ballack, jetzt mag ich eigentlich die ganze Bayern-Mannschaft.
SPOX: Nach dem Titel der Dortmunder muss da in dieser Saison was kommen...
Melzer: ... in dieser Saison geht es wieder so richtig los, so schaut's nämlich aus!
SPOX: Am meisten Schlagzeilen macht in der Bundesliga aus österreichischer Sicht aber Marko Arnautovic. Was sagen Sie zu ihm?
Melzer: Ich kenne ihn nicht, deshalb will ich mir kein Urteil erlauben. Ich habe selbst am eigenen Leib erfahren, dass man nicht immer alles glauben soll, was in der Presse so geschrieben wird. Er ist sicher ein extrovertierter Typ, der oft über das Ziel hinaus schießt. Man wird ja nicht ohne Grund vom eigenen Nationalteam verbannt. Aber im Endeffekt ist er ein super Fußballer und man kann nur hoffen, dass er sich auf das Wesentliche konzentriert. Das wäre wichtig für den österreichischen Fußball.
Der Stand in der ATP-Weltrangliste