1. Novak Djokovic
Boris hin, Becker her - im ganzen Medienhype um die Trainerfunktion der deutschen Tennislegende und Nadals Traumsaison scheint Novak Djokovic selbst fast ein wenig ins Hintertreffen geraten zu sein. Dabei scheint schon jetzt klar, dass der Weg zum Titel nur über den Serben und Rafa Nadal gehen kann. Das Momentum bei einem möglichen Traumfinale scheint dabei auf der Seite des Djoker zu liegen.
Nach der 4-Satz-Niederlage im Finale von Flushing Meadows trafen beide letzte Saison nochmals im Finale des ATP-Masters in Peking und beim Weltmeisterschaftsfinale von London aufeinander. Dabei schien Djokovic mit den beiden relativ glatten Finalsiegen dem Spanier den Zahn gezogen zu haben. Dem kürzlichen Sieg beim Showturnier in Abu Dhabi werden zwar weder Nole noch Becker gesteigerte Bedeutung zugemessen haben, doch dem Selbstvertrauen des Duos dürfte es kaum geschadet haben.
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Zumal die Rod-Laver-Arena in den letzten drei Jahren zu so etwas wie dem zweiten Wohnzimmer des Djokers avancierte. Drei Titelgewinne in Folge sprechen eine deutliche Sprache auf einem Belag, der Allrounder Nole eigentlich besser liegt als Nadal. In Melbourne liegt es nun an Djokovic zu beweisen, dass er nach zwei Finalniederlagen in Folge wieder einen Grand-Slam-Titel gewinnen kann.
Djokovics fünfter Titel in Melbourne würde ihn zudem zum Rekordgewinner der modernen Australian-Open-Geschichte machen. Es wird spannend zu beobachten sein, inwiefern Becker ihm dabei die berüchtigten fehlenden ein bis zwei Prozent zurückgeben kann.
2. Rafael Nadal
Eine Matchbilanz von 75-7, 10 Turniersiege, darunter zwei Grand-Slams und die Rückkehr auf den Tennisthron. Kein Zweifel - Rafael Nadal war der überragende Spieler der vergangenen Saison. Abgesehen von der Halbfinalniederlage von Abu Dhabi führte Rafa diesen beängstigenden Trend mit seinem Turniersieg in Doha gleich nahtlos fort.
Auch wenn sich Nadal erst kürzlich über den erstaunlich schnellen Hartplatz-Belag beschwerte und die Australian Open nicht gerade als sein liebstes Grand-Slam-Event bekannt sind, kann sich der Mallorquiner auf dem Weg ins Finale eigentlich nur selbst schlagen. Angesichts der Fragezeichen hinter Konkurrenten wie Andy Murray und Roger Federer scheint einzig Novak Djokovic zwischen dem Mallorquiner und seiner zweiten Norman-Brookes-Trophy zu stehen.
In einem möglichen Traumfinale sind die Vorteile dann aber wohl eher beim König von Melbourne. Gut möglich, dass vor allem der Belag, aber auch die Zuschauer gegen Publikumsliebling Djokovic zum Verhängnis werden. Doch egal wie das Turnier ausgeht: Weltranglistenerster wird Nadal auch nach den Australian Open bleiben.
3. Juan Martin del Potro
"Finals sind nie leicht, aber ich war überrascht, auf welch hohem Niveau ich heute gespielt habe. Ich glaube, ich habe großartig gespielt: Die Vorhand funktionierte perfekt, ich schlug viele Winner und Asse. Dazu kamen auch noch einige gute Slices", zeigte sich Juan Martin del Potro nach seinem Finalsieg im Vorbereitungsturnier in Sydney von sich selbst beeindruckt.
Wenn sich der Argentinier jetzt schon selbst über sein Leistungsniveau wundert, hat die Konkurrenz allen Grund, die Ohren zu spitzen. Dass del Potro alle Fähigkeiten hat, um ein Traumfinale zwischen Nadal und Djokovic zu crashen, ist hinlänglich bekannt. Leider auch, dass Form und Gesundheit dem Argentinier oftmals in die Quere kommen. Nun scheint beides nicht der Fall zu sein und auch die Auslosung meint es gut mit dem Turm von Tandil.
Erst im Viertelfinale wartet mit Nadal der erste richtig große Brocken auf del Potro. Schafft er gegen die Nummer eins der Welt die Sensation, winkt im Halbfinale der Sieger aus der Partie der zuletzt schwächelnden Federer und Murray. Besonders auf Hartplatz ist mit einem starken del Potro zu rechnen - epischer Viertelfinalkampf gegen Nadal inklusive.
4. Stanislas Wawrinka
Nach dem besten Jahr seiner Karriere mit vier Finalteilnahmen und einem Turniersieg greift die Nummer acht der Weltrangliste 2014 nach Höherem. Besonders bei Grand-Slam-Turnieren will sich Wawrinka erheblich steigern. Dass der Schweizer mittlerweile viel mehr ist als der Sidekick von Roger Federer, bewies "Stan" vor allem im Herbst, als er sich bei den US Open im Halbfinale einen epischen 5-Satz-Kampf gegen Novak Djokovic lieferte.
Auch bei beim ATP-Finale in London zeigte die Nummer acht der Welt, dass er die Großen durchaus ärgern kann, als er David Ferrer in der Gruppenphase hinter sich ließ und erneut nur knapp an Djokovic scheiterte. Schafft es Wawrinka endlich in den ganz großen Duellen nicht nur gut mitzuspielen, sondern auch die entscheidenden Ballwechsel für sich zu entscheiden, erscheint eine Überraschung durchaus im Bereich des Möglichen.
Dafür wird Stan spätestens im Viertelfinale seine schwarze Serie gegen Dokovic beenden müssen. Seit 2006 konnte der Schweizer die Nummer zwei der Welt nicht mehr besiegen. Die 5-Satz-Krimis von Flushing Meadows und Melbourne geben aber etwas Hoffnung, dass sich das bald ändern könnte. Dass die Frühform auf dem Hartplatz schon stimmt, unterstrich der Eidgenosse erst unlängst durch seinen Sieg in Chennai.
5. Roger Federer
Mit 23-Grand-Slam-Halbfinals in Folge galt der Schweizer einst als Sinnbild für Beständigkeit und Konstanz auf hohem Niveau. Vor den Australian Open 2014 erwirbt er sich den unrühmlichen Titel als Wundertüte und ist plötzliche eine Art Außenseiter geworden - eine Rolle, die er zu genießen scheint. Nur ein einziger Turniersieg und bis dahin ungeahnte Leistungsschwankungen ließen Federer 2013 von Platz zwei auf Rang sechs in der Weltrangliste abstürzen. Mit Becker-Rivale Stefan Edberg soll nun das große Comeback an die Weltspitze gelingen.
Vor allem die vergangenen Turniere ließen schon vor dem Trainer-Debüt des Schweden ein wenig Hoffnung aufkommen. Mit zwei Halbfinalteilnahmen und zwei Finalniederlagen scheint sich die zuletzt abhanden gekommene Konstanz wieder zu zeigen. Gleichzeitig sorgen auch diese Ergebnisse für gewisse Ernüchterung: Federer ist aktuell zwar stets für ein Halbfinale gut, für den ganz großen Wurf scheint er momentan aber nicht bereit. Bezeichnenderweise musste er ausgerechnet beim Vorbereitungsturnier in Sydney eine Finalniederlage gegen den seit fast vier Jahre sieglosen Lleyton Hewitt einstecken.
Es ist fraglich, ob Neu-Coach Edberg diese Blockade nach so kurzer Zeit lösen kann. Ein Plus könnte für FedEx die Auslosung sein: Auf seiner Seite des Tableaus wird es erst im Achtelfinale knifflig (Jo-Wilfried Tsonga). Bei einem Sieg könnte im Viertelfinale mit Andy Murray der erste ganz große Kontrahent warten - und hinter dem steht aktuell ein noch größeres Fragezeichen als hinter Federer selbst.
Kann alle ärgern: John Isner
John Isner ist auf Hartplatz stets ein unangenehmer Gegner. Die Kombination aus extrem starken Aufschlag und dem wohl schnellsten Hartplatzbelag in Melbourne seit Jahren ergibt zwar noch keinen Titelfavoriten, auf dem Schirm haben sollte man den US-Boy aber in jedem Fall.
In Auckland unterstrich Isner bereits seine gute Frühform, als er nach hart umkämpften Partien den fünften Hartplatz-Titel seiner Karriere einheimste. In der stark besetzten ersten Hälfte des Draws könnte der Amerikaner zur großen Überraschung werden. Philipp Kohlschreiber schlug der 28-Jährige bereits in Neuseeland, wenn auch denkbar knapp.
Gelingt in der dritten Runde der nächste Sieg gegen Kohli, trifft Isner auf dem Weg ins Halbfinale nacheinander auf Andy Murray und Roger Federer. Der große Unterschied zu früheren Begegnungen: Isner reist in Bestform nach Melbourne, was man von den beiden Letzteren aktuell kaum behaupten kann.
Die Große Unbekannte: Andy Murray
Amtierender Wimbledon-Champ und Olympiasieger, Nummer vier der Welt und dennoch die große Unbekannte vor dem Turnierstart in Melbourne. Nach einer tollen Saison gekrönt vom langersehnten Wimbledon-Triumph schien Murray endgültig in die Phalanx von Nadal und Djokovic eingedrungen zu sein, wären da nicht die anhaltenden Rückenbeschwerden und deshalb eine Operation notwendig gewesen.
So musste der Schotte bis zu seinem Comeback im Januar ganze drei Monate pausieren. Wo der Schotte aktuell steht, ist schwer zu sagen. Etwas Sorgen bereiten aber die überraschende Niederlagen zu Beginn des Jahres gegen Florian Mayer und Lleyton Hewitt. "Ich trete dort nur an, wenn ich hundertprozentig fit bin", ließ Murray im Hinblick auf die Australian Open verlauten. Doch auch wenn der Vorjahresfinalist spielerisch und mental natürlich alles mitbringt, um einen Großangriff auf den Titel zu starten, wird ihm wohl vor allem die fehlende Matchpraxis Probleme bereiten.
Kleiner Hoffnungsschimmer: Bis zum Achtelfinale kann Murray gerade daran noch arbeiten. Spätestens dann sollte er gegen Hartplatz-Spezialist Isner besser voll da sein, denn ein mögliches Restprogramm gegen die Herren Federer, Nadal und Djokovic wird es in sich haben.
Die Deutschen:
Tommy Haas:
Zehn Deutsche Herren nehmen dieses Jahr an den Australian Open teil, so viele wie schon lange nicht mehr. Die besten Aussichten dürfte dabei noch Tommy Haas haben. Die Nummer 12 der Welt hinterlässt nach der Auftaktniederlage von Auckland zwar ein paar Fragezeichen bezüglich der Frühform, dank einer freundlichen Losfee scheint ein gutes Abschneiden aber durchaus möglich.
Nach machbaren Auftaktaufgaben wartet im Achtelfinale mit Tomas Berdych der erste größere Brocken, doch auch der ist bekanntlich nicht unschlagbar. Gleiches gilt auch für David Ferrer. Dennoch dürfte in einem möglichen Viertelfinale gegen die Nummer vier der Welt Endstation für Deutschlands Tennis-Oldie sein.
Florian Mayer:
Mayers Vorbereitung wurde vor allem durch den Achtelfinalsieg gegen Andy Murray in Katar überschattet. Dabei steht gerade hinter diesem Erfolg das größte Fragezeichen, da kaum einer dessen momentane Verfassung einzuschätzen weiß.
Wie die Kräfteverhältnisse gegen die Weltspitze wirklich aussehen, musste der 30-Jährige jedoch schon zwei Tage später bei der glatten Zwei-Satz-Niederlage im Halbfinale gegen Gael Monfils erfahren. In Melbourne wird es nicht zwingend leichter werden. Sollte Mayer die unangenehmen Aufgaben Youzhny und Janowicz meistern, was doch sehr unwahrscheinlich ist, wartet im Achtelfinale wohl bereits Ferrer.
Philipp Kohlschreiber:
Achtelfinale in Doha, Viertelfinale in Auckland - Philipp Kohlschreiber durchlebte einen durchwachsenen Saisonstart. Präsentiert sich Kohlschreiber in Melbourne jedoch in verbesserter Form, scheint ein gutes Abschneiden durchaus möglich. In der dritten Runde könnte dabei einmal mehr John Isner auf den Bayern warten. Gelingt Kohli dann die Revanche für die knappe Niederlage von Auckland, darf er sich im Achtelfinale am großen Fragezeichen Andy Murray versuchen.
Von den restlichen Deutschen macht ausgerechnet ein Qualifikant am meisten Hoffnung auf eine kleine Überraschung. Peter Gojowczyk machte bereits zu Jahresbeginn in Doha auf sich aufmerksam, als er Rafael Nadal im Halbfinale in einem Drei-Satz-Krimi gehörig ins Schwitzen brachte. Schafft er es auch in Melbourne Milos Raonic in der zweiten Runde zu ärgern, scheint sogar ein Achtelfinale gegen del Potro möglich.
Während den meisten Deutschen bereits in den ersten beiden Runden dicke Brocken erwarten, könnte ausgerechnet Benjamin Becker bei Boris' Rückkehr ins Tour-Geschehen für ein kleines Achtungszeichen sorgen. Seine Auslosung bescherte ihm bis zu einem möglichen Dritt-Runden-Match gegen del Potro relativ machbare Aufgaben.
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