Das Davis-Cup-Feeling is back!

Deutschland trat in Frankreich als echtes Team auf
© getty

Das deutsche No-Name-Davis-Cup-Team verliert zwar das Viertelfinale in Frankreich trotz 2:0-Führung noch 2:3, versetzt Tennis-Deutschland aber phasenweise in längst vergessene Zeiten zurück. Was jetzt wichtig ist? Den Neuaufbau konsequent fortsetzen! Ein Kommentar von Florian Regelmann.

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Es gibt kaum etwas, das mir mehr zuwider ist, als eine Niederlage schönzureden. Eine Niederlage ist eine Niederlage. Egal wo, egal gegen wen, egal wie. Nach einer 2:0-Führung ist sie sogar besonders schlimm. Aber am Wochenende ist tatsächlich ein Fall eingetreten, bei dem Tennis-Deutschland eine Verlierer-Mannschaft abfeiern darf und muss.

Wir rufen uns die Ausgangslage noch einmal ins Bewusstsein. Deutschland reiste mal wieder auf einem Tiefpunkt nach Nancy, gezeichnet von der letzten Episode der an Peinlichkeit nicht zu überbietenden "Kommunikationsprobleme". Teamchef Carsten Arriens gegen Philipp Kohlschreiber, der lügt, nein, der lügt - es war mal wieder unerträglich. Nichts und niemand konnte vor Nancy ein schlechteres Image haben als das deutsche Davis-Cup-Team. Und schlimmerweise war dieses Image auch noch jahrelang hart erarbeitet und verdient.

Aber nicht nur das: Deutschland reiste also zum Powerhouse Frankreich und im Kader standen: Tobias Kamke, Peter Gojowczyk, Andre Begemann und Jan-Lennard Struff.

Von wegen Klatsche!

Deutschland kam also gefühlt mit irgendwelchen Leuten, bei allem Respekt, nach Frankreich und das Ergebnis schien jedem klar. Klatsche. Als Kamke im Auftakteinzel gegen Julien Benneteau schnell 0:4 zurück lag, dachte man sich: Ah, alles wie erwartet. Aber was sich danach abspielen sollte, war eine der größten Unfassbarkeiten, die das deutsche Tennis seit langem gesehen hat.

Kamke machte einen geschockten Benneteau in drei Sätzen platt, im Anschluss rang Gojowczyk Jo-Wilfried Tsonga im fünften Satz 8:6 nieder. Gojowczyk hatte sich mit einer 2:6, 3:6-Niederlage gegen Takanyi Garanganga aus Zimbabwe beim Challenger in Guadalajara auf den Tsonga-Coup eingestimmt... Gegen Garanganga reichte es nicht, dafür aber gegen Tsonga. Es stand 2:0 Deutschland. Ein Wunder. Und nicht nur die Franzosen fragten sich: Sag mal, geht's noch?!

Spätestens als man Gojo im fünften Satz von Krämpfen geplagt außerirdisches Tennis spielen sah und er damit in der ganzen Tennis-Welt für Furore sorgte, fühlte man sich plötzlich an alte deutsche Davis-Cup-Glanzzeiten erinnert. Es fühlte sich für Momente an wie früher, als der Davis Cup ein absoluter Straßenfeger war, als es absolute Pflicht war, mit dem deutschen Team vor der Flimmerkiste mitzufiebern.

Fast wie früher...

Früher, als Davis-Cup-Tage Festtage waren. Die deutschen Triumphe (Mats Wilander - Charly Steeb 10:8, 6:1, 2:6, 4:6, 6:8), das Stich-Matchball-Drama, der sehr, sehr, sehr wichtige Sieg in Österreich (Goellner schlägt Skoff) und natürlich die Schlacht von Hartford! Nicht wie heute, wo du letzten Freitag in deinen Tennisclub gehen kannst und keiner weiß, dass überhaupt Davis Cup läuft...

Es war wie früher, nur mit dem Unterschied, dass der übertragende Sender etwas weiter hinten in der Fernbedienung eingespeichert ist, bei mir war es die 1291... Dort ging es im Doppel mit dem Wahnsinn weiter. Die Paarung Kamke (nicht im Entferntesten ein Doppel-Spezialist) und Begemann lieferte dem Weltklasse-Duo Llodra/Benneteau einen mitreißenden Fight, dass sie überhaupt so mithielten, war schon wieder eine Sensation.

Dass das Match am Ende verloren ging und dass es die Franzosen am Sonntag noch komplett drehten, war zu befürchten und irgendwo normal, les Bleus können eben im letzten Einzel mal eben Gael Monfils aus dem Ärmel schütteln. Aber es ändert alles nichts am überragenden Gesamtbild des deutschen Teams.

Der Wahnsinn namens Davis Cup

Dass der Davis Cup mit all seinen unglaublichen Emotionen einfach geil ist, hat das Wochenende wieder sehr schön gezeigt. Die Schweiz stand mit Roger Federer und Stanislas Wawrinka vor der Pleite gegen aufmüpfige Kasachen. Und warum? Weil ein Andrey Golubev für sein Land plötzlich wie ein Top-10-Spieler aufzockte, oder weil der amtierende Aussie Open Champ Wawrinka im Davis Cup auch mal so nervös wurde, dass er die einfachsten Bälle verschlug.

Oder wir schauen nach Neapel, wo ein Andy Murray versuchte, Großbritannien im Alleingang ins Halbfinale zu führen und du in jeder Sekunde das Gefühl hattest, dass ihm nichts auf der Welt mehr bedeutet. Es klappte aber nicht, weil Fabio Fognini von einer Atmosphäre wie im Stadio San Paolo nach vorne gepeitscht wohl eines seiner besten Matches der Karriere spielte und zeigte, warum er 2014 zu den Top 5 der Welt gehört.

Der Davis Cup ist nach wie vor Wahnsinn, Deutschland konnte das leider lange nur nicht spüren, weil es keine Mannschaft gab, die das verkörperte und transportierte. Bis zu diesem Wochenende in Nancy, das hoffentlich eine Art Wendepunkt sein wird. Es darf für das alte deutsche Davis-Cup-Team kein Zurück mehr geben, die Aufbruchstimmung kann nur in neuer Konstellation aufrechterhalten werden, das müssen alle wissen. Und das scheint Arriens auch zu wissen, wenn man seine Äußerungen hört.

Keine Zukunft für Kohli

Egal, wer letztlich auch bei allen Streitereien die Schuld trägt: Kohlschreiber muss sein letztes Davis-Cup-Match bestritten haben, für Tommy Haas gilt das gleiche. Auch wenn Hass bei aller Kritik immer ausgenommen werden muss, er hat sich für Deutschland immer zerrissen, aber Haas ist 36 und froh, wenn die Schulter ihn noch ein bisschen auf der Tour spielen lässt.

Nein, die Zukunft gehört Jungs wie Gojowczyk, der schon bei der Nominierung vor Rührung weinte, weil ein Kindheitstraum für ihn in Erfüllung ging. Der vielleicht mit 24 ein Spätstarter ist und mit dem Rückenwind aus dem Davis Cup auch auf der Tour immer weiter nach oben klettern könnte.

Wenn Gojo dieses Jahr bei den deutschen Turnieren antreten wird, werden sich Tennis-Fans an Nancy erinnern und sagen: Gojo, geiler Typ, spielt geiles Tennis, den schau' ich mir an! Allein das ist so viel wert. Gojo und Co., Hut ab, das Wochenende mit Euch hat Spaß gemacht, jetzt bitte weiter so!

Peter Gojowczyk im Steckbrief

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