Er gewann die US Open 1972, die French Open 1973, stand zwei Mal im Wimbledon-Finale und war die Nummer 1 der Weltrangliste: Ilie Nastase. SPOX traf den 69-jährigen Rumänen bei den Laureus World Sports Awards und sprach mit ihm über Deutschlands Tennis-Hoffnung Alex Zverev, Roger Federer, fehlende Typen und die Diskussionen um das Preisgeld.
SPOX: Deutschland wartet auf den ersten männlichen Tennis-Star seit Tommy Haas und Nicolas Kiefer. Kennen Sie Alexander Zverev?
Ilie Nastase: Natürlich kenne ich ihn, ein großer, noch dünner Typ. Ein guter Spieler, der mit seinen 18 Jahren schon ziemlich weit ist. Gerade ist es noch zu schwierig, ganz oben anzuklopfen: Djokovic dominiert, Federer und Nadal spielen noch auf einem guten bis ordentlichen Niveau, dazu gibt es noch Murray und dahinter noch fünf bis zehn weitere auf einem ähnlichen Level. Dennoch fehlt nicht mehr so viel, um in dem Bereich, also den Top 20, anzugreifen.
SPOX: Sie waren selbst ein großes Talent und sagten rückblickend auf Ihre Karriere, dass Sie mit 20 Jahren ein einschneidendes Erlebnis hatten, ohne das Sie womöglich nicht zur Nummer eins geworden wären. Sie machten dem damaligen Weltklasse-Spieler Manuel Santana aus Spanien die Hölle heiß. Wie kann ein Match einen solchen Unterschied machen?
Nastase: Weil es eine Erweckung für mich war, Manuel reiste als amtierender Wimbledon-Sieger mit Spanien zur Davis-Cup-Partie in Bukarest an. Und ich war sein Gegner, ich, der vorher noch nie für Rumänien im Davis Cup gespielt hat. Und dann gewinne ich zwischenzeitlich neun Spiele in Serie gegen den Wimbledon-Sieger! Manuel setzte sich zwar durch, aber im Nachhinein erzählte er mir, wie er sich über mich aufgeregt hat. Er fragte seinen Teamkapitän: "Who the fuck ist dieser junge Rumäne? Der spielt ja genauso wie ich! Der kopiert mich nur!" Ich bekam das gar nicht mit und bat damals Manuel um ein gemeinsames Foto, dass er sogar mit einer Widmung unterschrieb: "Für die zukünftige Nummer 1 der Welt, Dein Manuel." Für andere klingt es vielleicht nur wie eine kleine Episode, für mich allerdings war diese Wertschätzung etwas Besonderes. Und fünf Jahre später wurde ich tatsächlich die Nummer 1 der Welt.
SPOX: War es schon vor 40, 50 Jahren schwierig, als talentierter 18-Jähriger bei den Männern in die Weltspitze einzudringen?
Nastase: Das war, ist und bleibt die größte Herausforderung im Herren-Tennis. Schon damals gab es so viele Top-Talente auf Junior-Level, doch mit 17 bis 19 Jahren kommt bei vielen ein großer Bruch, weil der Sprung zu den richtigen Profis extrem groß ist. Für mich war es auch nicht einfach, wenn man sich als toller Junior-Spieler nicht einmal für das Hauptfeld eines Männer-Turniers qualifizieren kann. Gott sei Dank setzte sich bei mir das Talent durch - und Zverev besitzt zweifelsfrei ebenfalls sehr viel Talent.
SPOX: Zverev verkörpert den Prototypus der modernen Tennis-Generation: Er wirkt sehr fokussiert, fällt nie aus der Rolle, gibt wenige bis gar keine Interviews. Fehlt Ihnen auf der heutigen ATP-Tour etwas?
Nastase: Ich glaube nicht, dass es an den Spielern an sich liegt. Wenn ich bei einem Turnier die Trainingseinheiten anschaue, sehe ich, wie die Spieler schreien, Emotionen zeigen und Witze reißen. Aber auf dem Court haben Sie recht: Da wirken die Spieler, als ob Sie Angst hätten, zu viel Individualität zu zeigen. Das liegt - aus meiner Sicht - an den zu strengen Regeln der ATP. Wenn die ATP die Zügel etwas lockerer halten würde, könnte ich mir gut vorstellen, dass sich die Spieler wohler fühlen und das Männer-Tennis unterhaltsamer wäre.
SPOX: Sie gelten nach wie vor als einer der größten Tennis-Entertainer aller Zeiten. Vermissen Sie einen wie Nastase, der meisterhaft Sport und Spaß verbinden konnte?
Nastase: Schwierige Frage, denn jede Sportart verändert sich und es kommt immer mehr auf Athletik und Physis und weniger auf Technik und Talent an. Zudem wurde das Material viel wichtiger. Mit der neuen Schlägertechnologie schlagen selbst die Mädels heute stärker und schneller als wir Männer damals. Wenn wir schon vor 40 Jahren solche Schläger gehabt hätten, wäre es vielleicht schon damals voll abgegangen und ich wäre vielleicht nie Nummer eins geworden, weil ich über Technik und Talent kam.
SPOX: Roger Federer, der Stilist seiner Generation, wird im Sommer 35 Jahre alt und viele Experten raten ihn zu einem Rücktritt. Was denken Sie?
Nastase: Ich verstehe die Leute nicht, die fordern, dass Federer aufhören soll, solange er noch gut ist. Ansonsten würde er angeblich seinen Legendenstatus beschädigen. Da sage ich: Lasst ihn in Ruhe! Wenn er Spaß daran hat, weiter Tennis zu spielen, auch wenn er nicht mehr in den Top 10 oder Top 20 ist, dann ist es doch schön und zeigt seine Liebe zum Sport. Warum sollte man das nicht so lange auskosten, wie es geht? Tennisprofi zu sein ist ein Privileg, das man so lange wie möglich genießen sollte. Als ich damals aufhörte, konnte ich so schwer loslassen, dass ich manchmal abends unbewusst meine Tennistasche gepackt und an die Haustür gestellt habe. Als ob ich am nächsten Morgen zum nächsten Turnier fliegen müsste.
SPOX: Federer sprach sich im währenden Streit, ob die weiblichen Tennis-Spieler so viel Preisgeld verdien sollten wie die männlichen Kollegen, für die Frauen aus. Viele seiner männlichen Kollegen, inklusive Djokovic, lehnen das wegen der kürzeren Spielzeit der Frauen ab. Was denken Sie?
Nastase: Ich habe eine ganz klare Meinung: Mädels sind clever, Jungs sind dumm. Das gilt für immer und überall. Ich meine das nicht einmal lustig. Wenn die Mädels so clever sind und es so organisieren, dass sie das Gleiche bekommen wie die Jungs, dann ist das mehr als gerechtfertigt, weil sie es so klug angestellt haben. Meine ganz aufrichtigen Glückwünsche dafür. Und ich bin mir sicher, dass sie es sogar schaffen, irgendwann mehr Geld rauszuschlagen als die Männer, weil sie cleverer agieren. Von daher sollten die Männer aufhören, sich immer zu beschweren.
Die ATP-Weltrangliste im Überblick