SPOX: Wir müssen natürlich über die anstehenden Aussie Open sprechen. Angesichts der Youngster, die jetzt nach oben kommen, ist 2019 das Jahr des Wandels? Das Jahr, in dem nicht Roger, Rafa und Novak die Slams unter sich aufteilen?
Rafter: Das glaube ich nicht. Novak ist ganz klar der Mann, den es bei den Aussie Open zu schlagen gilt. Die letzten zwölf Jahre waren sehr vorhersehbar und ich denke nicht, dass sich das 2019 großartig ändern wird. Wir haben in den letzten 15 Jahren drei der unglaublichsten Spieler aller Zeiten gesehen, so eine Ära werden wir wohl nie wieder erleben.
Rafter sieht Alexander Zverev als künftige Nr.1
SPOX: Aus deutscher Sicht schauen wir bei den Herren natürlich auf Alexander Zverev. Wie sehen Sie ihn?
Rafter: Zverev wird mit jedem Jahr besser und besser. Ich bin mir sicher, dass er einmal die Nummer eins der Welt sein wird. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sein Spiel sich weiter so entwickelt und verbessert und er auch mental reifer wird. Ich sehe ihn als Nummer eins in der Zukunft, aber ich lag schon oft falsch, schauen wir mal, was passiert.
SPOX: Der Sieg bei den ATP Finals war ein großer Schritt für Zverev. Der nächste und bislang fehlende Schritt ist der Durchbruch bei den Grand Slams. Kann Ivan Lendl als Coach den Unterschied ausmachen, ähnlich wie er es bei Andy Murray gemacht hat?
Rafter: Der Coach kann nur helfen, wenn der Spieler sich zu hundert Prozent darauf einlässt, was der Coach von ihm will. Lendl war ein sehr taffer Spieler und warscheinlich einer der fittesten, der jemals einen Schläger in der Hand hatte. Wenn Sascha auf ihn hört und seinem Beispiel folgt, wird ihm das sehr helfen.
SPOX: Wenn es einen jungen Spieler gibt, der vielleicht sogar noch mehr Talent hat als Zverev, dann ist das Nick Kyrgios. Die Frage ist, ob er jemals sein Potenzial ausschöpfen wird, ob er es selbst überhaupt will?
Rafter: Ich sage jetzt seit sechs Jahren oder so, dass Nick das unglaublichste Talent besitzt, das ich jemals gesehen habe. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht, aber es ist seine größte Schwachstelle. Vielleicht wird er sein Potenzial ausschöpfen, vielleicht auch nicht. Klar ist, dass ihm die Zeit davonläuft und vielleicht will er sein Limit auch eh nicht erreichen, vielleicht will er es auf seine Art machen. Die Zeit wird uns zeigen, was passiert, aber Stand jetzt ist es so, dass er nur ungefähr 50 Prozent seines Potenzials erreicht hat.
SPOX: Als Sie Davis-Cup-Captain waren für einige Jahre, hatten sie die Gelegenheit, mit Kyrgios und auch Bernard Tomic zusamenzuarbeiten. Wie würden Sie diese Erfahrung beschreiben?
Rafter: Ich habe von Nick und Bernard nicht viel Unterstützung bekommen. Es gab ein paar flüchtige Momente, aber am Ende war ich gegenüber beiden sehr ehrlich. Das hat ihnen nicht gefallen, so kam es zum Zerwürfnis. Ich habe einfach nicht die Geduld, in meinem Leben etwas zu tun, das mir keinen Spaß macht und wobei ich nicht das Gefühl habe, etwas bewirken zu können.
SPOX: Was halten Sie von einem anderen jungen Aussie, Alex de Minaur?
Rafter: Ich kenne Alex nicht sehr gut, aber mir gefällt alles, was ich von ihm gesehen habe. Er ist ein respektvoller Junge, er ist ein harter Arbeiter und er gibt jedes Mal alles, wenn er auf den Court kommt, und gibt sich eine Chance, das Match zu gewinnen. Er mag nicht das größte Talent sein, das ich je gesehen habe, aber er hat die Mentalität einer Nummer eins der Welt. Ich mag ihn sehr. Er wird mal einer sein, der auf seine Karriere zurückschauen und sagen kann, dass er der beste Spieler geworden ist, der er sein konnte.
SPOX: Sie sind der einzige Spieler, der in mindestens drei Matches gegen Roger Federer unbesiegt ist. Also erstmal Glückwunsch dazu. Roger ist jetzt 37 und wie schon einige Male stellt sich wieder die Frage, ob er weitere Slams gewinnen kann und wird. Was ist Ihre Meinung dazu?
Rafter: Der letzte Teil von Rogers Karriere ist jetzt schon unglaublich. Ich hätte nicht gedacht, dass er in den letzten Jahren seiner Karriere so viele Grand Slams gewinnen würde, wie er es getan hat, aber wenn du der größte Spieler aller Zeiten bist, dann solltest du niemals abgeschrieben werden. Ich will nicht tippen, ob er noch weitere Slams gewinnt oder nicht. Ich will nur eines sagen: Ich liebe es, Roger spielen zu sehen und ich liebe es, Roger gewinnen zu sehen.
SPOX: Federer steht bei 20 Slams, Nadal bei 17, Djokovic bei 14. Wer hat die bessere Chance, Roger einzuholen?
Rafter: Es wird natürlich für jeden schwer, Roger einzuholen, aber sowohl Rafa als auch Novak können es schaffen, wenn sie gesund und auch mental weiter fit bleiben.
Rafter zweifelt an Davis-Cup-Reform
SPOX: Bei den Damen hofft Tennis-Deutschland auf einen weiteren Triumph für Angelique Kerber, die Aussies hoffen auf Ashleigh Barty. Wie sehen Sie die Situation bei den Damen im Moment?
Rafter: Angelique verblüfft mich immer wieder mit ihrem Spiel. Die Art und Weise, wie sie vor ein paar Jahren die Aussie Open gegen Serena gewann, war fantastisch. Sie ist einfach eine großartige Fighterin, die sich in jedem Match die Chance gibt, es zu gewinnen. Was Ashleigh angeht: Von allen Spielern auf der Tour, Damen und Herren, schaue ich ihr aktuell am liebsten zu. Sie ist meine Lieblingsspielerin. Ich hoffe, dass sie den Durchbruch schafft und ihr erstes Major im Einzel holt. Ash lernt jedes Jahr dazu und fühlt sich immer wohler mit ihrem Spiel. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie in Wimbledon ihren ersten Grand-Slam-Titel abräumt.
SPOX: Letzte Frage: Sind Sie traurig, dass der Davis Cup in der Form, in der wir ihn geliebt haben und der Ihnen auch immer viel bedeutet hat, tot ist?
Rafter: Der Davis Cup brauchte eine Veränderung, es war an der Zeit, aber ich bin nicht sicher, dass sie das richtige Format gefunden haben. Es gibt jetzt viele Team-Wettbewerbe. Es scheint so, als ob sich alles ums Geld dreht. Beim Davis Cup ging es aber nie ums Geld. Es ging darum, sein Land zu vertreten. Sobald das verloren geht, geht auch die Leidenschaft für den Davis Cup verloren. Wird das neue Format funktionieren? Ich weiß die Antwort nicht, ich habe mir darüber nicht genügend Gedanken gemacht, um das beurteilen zu können. Ehrlich gesagt habe ich in meinem Leben wichtigere Dinge zu tun, als mich mit Sportpolitik zu beschäftigen.