Kerber winkte entnervt ab und schlich mit hängendem Kopf zum Netz. 53 Tage nach ihrem Zweitrunden-Aus als Titelverteidigerin in Wimbledon hat die 31-Jährige ihre nächste bittere Grand-Slam-Enttäuschung einstecken müssen. In New York scheiterte Kerber bereits an ihrer Auftakthürde, sie verlor gegen die clevere Französin Kristina Mladenovic nach 2:24 Stunden mit 5:7, 6:0, 4:6.
"Natürlich bin ich jetzt sehr enttäuscht. Es war ein komisches Match, in dem ich meine Chancen nicht genutzt habe", sagte Kerber bei Eurosport. Ihr habe "am Ende ein bisschen das Selbstvertrauen gefehlt", resümierte sie und verwies auf die fehlende Matchpraxis der letzten Wochen.
Und Kerber weiter: "Ich werde versuchen, so gut es geht, mit dieser Situation umzugehen. Das wird jetzt ein paar Tage brauchen. Jedes Auf und Ab ist anders, das ist ein Teil meiner Karriere. Ich muss da jetzt durch und das akzeptieren."
Kerber lässt zu viele Breakchancen liegen
Die Talfahrt der dreimaligen Grand-Slam-Siegerin, die 2016 noch in Flushing Meadows triumphiert hatte, geht ungebremst weiter. Kerber brachte in der knallheißen Mittagssonne auf dem Grandstand nicht genug Konstanz in ihr Spiel, um die dritte Auftaktpleite in Serie zu verhindern. Dazu ließ sie zu viele Breakchancen ungenutzt und musste im sechsten Duell mit der früheren Top-10-Spielerin Mladenovic die zweite Niederlage hinnehmen.
Zwar gelang Kerber ein Start nach Maß, direkt ging sie 2:0 in Führung, doch dann bekam sie Mühe mit Mladenovics variantenreichem Spiel. Mal kamen die Bälle langsam und kopfhoch, mal peitschten sie die Grundlinie entlang, mal landeten sie als Stopp direkt hinter dem Netz - Gift für Kerbers so geliebtes Konterspiel. Hilfesuchend blickte sie beim Stand von 4:4 im ersten Satz zu Manager Aljoscha Thron auf der Tribüne. Einen Trainer suchte sie dort vergebens.
Nach dem Zweitrunden-Aus in Wimbledon hatte sie sich von Trainer Rainer Schüttler getrennt, danach aber kein Spiel mehr gewonnen. "Was ich in Wimbledon gesehen habe und die Wochen danach ohne Trainer und Erfolge, bereitet mir Sorgen", sagte Tennis-Idol Boris Becker bei Eurosport und fragte: "Wie lange will sie noch Tennis spielen? Weil so macht es keinen Spaß und keinen Sinn."
Mladenovic mit Problemen am Rücken
Spaß ließ sich Kerber auch gegen Mladenovic selten ansehen, immer wieder haderte sie. Die Französin ließ sich nicht abschütteln und schaffte das Break zum 6:5, die Kielerin konnte den Satzverlust trotz dreier Breakbälle im Anschluss nicht verhindern.
Doch Kerber steckte nicht auf. Auch im zweiten Satz nahm sie Mladenovic direkt den Aufschlag ab, anders als zuvor bestätigte sie das Break aber zum 3:0. Ihre Kontrahentin ließ sich im Anschluss minutenlang am Rücken behandeln, wirkte auf dem Court arg beeinträchtigt und verlor den zweiten Satz glatt.
Das Spiel hatte jedoch noch eine weitere Wendung parat, auf einmal wirkten Mladenovics Bewegungen wieder wesentlich runder und sie meldete sich mit einem Break zu Beginn des dritten Satzes eindrucksvoll zurück. Kerber schaffte zwar den Ausgleich zum 3:3, doch Mladenovic behielt die besseren Nerven und verwandelte ihren zweiten Matchball.
Kohlschreiber ausgeschieden - Köpfer weiter
Auch der 35-jährige Kohlschreiber (35) scheiterte direkt in seinem Auftaktmatch. Der Augsburger, der in den vergangenen beiden Jahren in New York jeweils das Achtelfinale erreicht hatte, musste sich dem Franzosen Lucas Pouille (Nr. 25) 3:6, 6:4, 4:6, 4:6 geschlagen geben.
Besser machte es Dominik Köpfer. Der Qualifikant aus Furtwangen, der erst zum zweiten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier im Hauptfeld steht, bezwang den Spanier Jaume Munar 6:4, 7:6 (7:2), 5:7, 7:5.
Bereits bei seinem Major-Debüt in Wimbledon hatte Köpfer überrascht und war in die zweite Runde eingezogen. In New York trifft er nun auf den US-Amerikaner Reilly Opelka, der gegen den Weltranglisten-11. Fabio Fognini (Italien) 6:3, 6:4, 6:7 (6:8), 6:3 gewann.
Am Dienstag greifen in Flushing Meadows die vier weiteren deutschen Männer ins Geschehen ein. Spitzenspieler Alexander Zverev (Hamburg/Nr. 6) bestreitet dabei sein Auftaktmatch gegen Radu Albot (Moldau).
Djokovic ohne Mühe - Federer wackelt kurz
Gar keine Blöße gab sich derweil Titelverteidiger Novak Djokovic. Der Wimbledonsieger und Weltranglistenerste aus Serbien setzte sich gegen den Spanier Roberto Carballes Baena mit 6:4, 6:1, 6:4 durch und trifft nun auf Juan Ignacio Londero aus Argentinien. Beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York hat Djokovic bereits dreimal den Titel gewonnen.
Mehr Mühe hatte hingegen Roger Federer (38). Der Schweizer Grand-Slam-Rekordsieger musste gleich den Startsatz gegen den frechen indischen Qualifikanten Sumit Nagal (Nummer 190 der Welt) abgeben, gewann nach 2:29 Stunden aber 4:6, 6:1, 6:2, 6:4. In der zweiten Runde bekommt es Federer mit Damir Dzumhur (Bosnien und Herzegowina) zu tun.
"So einen ersten Satz auszublenden, ist nie leicht", sagte Federer, der sich 57 unerzwungene Fehler (61 Winner) leistete, aber meinte: "Vielleicht ist es gar nicht schlecht, so ein Spiel am Anfang zu überstehen. Die letzten drei Sätze waren gut, das macht Mut."
Williams fegt Sharapova vom Platz
US-Superstar Serena Williams gewann unterdessen in der Nacht das mit Spannung erwartete Auftaktduell mit der früheren Weltranglistenersten Maria Sharapova deutlich. Gegen die Russin, der Williams auch schon in drei Grand-Slam-Endspielen gegenüberstand, hatte die 23-malige Major-Siegerin keine Mühe und zog durch ein 6:1, 6:1 in nur 58 Minuten in die zweite Runde ein. Dort wartet Wildcard-Inhaberin Caty McNally (USA).
Zuletzt hatte Williams beim WTA-Turnier in Toronto im Finale gegen die Kanadierin Bianca Andreescu wegen Rückenschmerzen aufgeben müssen, gegen Sharapova machte sie aber einen beschwerdefreien Eindruck und feierte im 22. Duell mit der Russin den 20. Sieg. Im Gegensatz zum skandalösen Finale gegen die Japanerin Naomi Osaka im Vorjahr zeigte sich Williams gegen die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin Sharapova auch hoch konzentriert.
Vor gut einem Jahr im verlorenen Endspiel gegen Osaka hatte sich die 37 Jahre alte Williams nach einer Verwarnung wegen illegalen Coachings mit Schiedsrichter Carlos Ramos angelegt, für ihren Ausraster wurde sie mit einer Geldstrafe belegt. In diesem Jahr wird Ramos weder Partien von Serena Williams noch von ihrer Schwester Venus leiten, wie der veranstaltende nationale Tennisverband (USTA) im Vorfeld des Turniers bekannt gab.
US Open: Ergebnisse im Überblick
Datum | Spieler 1 | Spieler 2 | Ergebnis |
26. August | N. Djokovic (1) | R. Balena | 6:4, 6:1, 6:4 |
27. August (02.15 Uhr) | R. Federer (3) | S. Nagal | 4:6, 6:1, 6:2, 6:4 |
26. August | D. Medwedew (5) | P. Gunneswaran | 6:4, 6:1, 6:2 |
26. August | K. Nishikori (7) | M. Trungelliti (Aufgabe) | 6:1, 4:1 |
27. August (19.00 Uhr) | K. Chatschanow (9) | V. Pospisil | |
26. August (22.00 Uhr) | P. Kohlschreiber | L. Pouille | 3:6, 6:4, 4:6, 4:6 |
26. August (22.00 Uhr) | D. Köpfer | J. Munar | 6:4, 7:6, 5:7, 7:5 |
Spielerin 1 | Spielerin 2 | ||
26. August | A. Barty (2) | S. Dijas | 1:6, 6:3, 6:2 |
26. August | K. Pliskova (3) | T. Martincova | 7:6 (8:6), 7:6 (7:3) |
26. August (22.45 Uhr) | E. Switolina (5) | W. Osuigwe | 6:1, 7:5 |
27. August (01:00 Uhr) | S. Williams (8) | M. Sharapova | 6:1, 6:1 |
27. August (03:00 Uhr) | M. Keys (10) | M. Doi | - |
26. August | K. Mladenovic | A. Kerber | 5:7, 6:0, 4:6 |
26. August (23.55 Uhr) | L. Siegemund | M. Frech | 5:7, 6:3, 6:4 |