Sascha Bajin war viele Jahre ein großer Teil im Team von Serena Williams. Später führte er Naomi Osaka zu den Grand-Slam-Titeln bei den US Open und Australian Open und machte die Japanerin zur Nummer eins der Welt. Im Interview mit SPOX erzählt Bajin Anekdoten aus 13 Jahren WTA-Tour und erklärt, warum er phasenweise kein eigenes Leben mehr hatte.
Außerdem gibt Bajin praktische Tipps für den verhassten Weg ins Büro und beschreibt, was Novak Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal so einzigartig macht.
Herr Bajin, Sie sindjetztseit 13 Jahren auf der WTA-Tour unterwegs, was ist das Verrückteste, das Sie jemalserlebthaben?
Sascha Bajin: Ich war zwei Wochen lang im Tourbus mit Pharell Williams unterwegs auf seiner USA-Tour. Ich war bei jeder Show auf der Bühne. Ich, der weiße halb-deutsch-halb-Jugo-Typ, der große Hip-Hop-Fan, der mit dieser Musik aufgewachsen ist und alle Texte auswendig kennt. Ich habe Snoop Dog kennengelernt, Drake hat mich zu meinem 30. Geburtstag sogar persönlich angerufen. Hallo?! Wie geil ist das denn?! In Toronto habe ich Kiki (Mladenovic) jetzt erst wieder backstage zu einem Konzert von Drake gebracht, weil wir immer noch Kontakt haben. Ich glaube, diese Jungs finden es auch cool, dass ich nicht so in Ehrfurcht erstarre wie viele andere.
Wiezeigtsich das?
Bajin: Ich bin jemand, der immer seine ehrliche Meinung sagt. Einmal hat Drake sich neue Schuhe gekauft und Serena gefragt, wie sie ihr gefallen würden. Serena wusste schon, dass ich sie nicht so toll finde, also hat sie mich gefragt. Sorry, Drake, aber deine Schuhe taugen mir nicht. (lacht) Drake dachte sich bestimmt, was denn diesem 28-jährigen Pimpf einfällt, aber er fand es geil und hat sich kaputt gelacht. Er meinte, dass ich der Einzige sei, der ihm sagen würde, dass seine Schuhe ihm nicht passen. Aber was soll ich machen, Drake? Sie taugen mir halt nicht.
gettyBajin über den Start mit Serena: "Also habe ich abgesagt"
Müssen Sie sichmanchmalkneifen, wenn Sie zurückdenken, wie Sie in München aufgewachsensind und dann so eineKarriere auf der Tennistourhingelegthaben?
Bajin: Mein Problem ist, dass ich Perfektionist bin. Perfektionisten vergessen sehr gerne das Gute, weil sie immer die schlechten Dinge verbessern wollen. Ich muss mich immer daran erinnern und mich fast dazu zwingen, die Erfolge und die schönen Momente auch zu genießen. Als Naomi (Osaka) die US Open gewonnen hat, war ich mit meinen Gedanken schon wieder beim nächsten Turnier in Tokio. In meinem Kopf ging es schon wieder darum, den Platz in Tokio zum Training zu buchen. Aber wenn du es nicht schaffst, diese Momente aufzusaugen, wozu machst du das dann alles? Ich muss mich ab und zu bremsen und mir vor Augen führen, dass ich den Augenblick wirklich genieße und mal nicht an morgen denke.
Sie warenselbsteinsehrguter Junior, warumsind Sie nicht den Weg auf die Tour gegangen?
Bajin: Es stimmt, ich war mit 14, 15, 16 in den Top 30 von Europa, das war ganz solide. Als ich 15 war, ist dann allerdings mein Vater bei einem tragischen Unfall gestorben. Sein Tod hat mich sehr getroffen. Mein Vater war bis dahin auch der einzige Coach, den ich kannte. Gerade in dieser Phase, in der es um den Sprung in den Männerbereich geht, plötzlich mit einem ganz anderen Trainer zusammenzuarbeiten, war zu schwer für mich. Ich habe dann mit 18 schon begonnen, Trainerstunden zu geben. Sobald du damit beginnst, ist deine eigene professionelle Karriere vorbei. Es war eine harte Zeit. Ich habe mir die Beine ausgerissen, um irgendwie Geld zu verdienen. Ich war Platzwart, ich habe Schläger bespannt, ich habe Netze aufgebaut - ich habe alles gemacht. Kurz vor meinem 22. Geburtstag bin ich dann mit zwei Taschen im Gepäck zu Serena gezogen. Ab diesem Moment begann meine Reise ins Ungewisse, aber ich habe einfach Ja gesagt, ohne zu wissen, was genau auf mich wartet. Ab diesem Moment war alles anders.
Wie kam es überhauptzur Chance, Hitting-Partner von Serena zuwerden?
Bajin: Ich war Samstagabend mit meinem besten Kumpel in München unterwegs, als ich um Mitternacht einen Anruf von Serenas altem Hitting-Partner bekam. "Pass auf, Serena kommt morgen nach München und will trainieren. Sie sucht wahrscheinlich jemanden und du wärst genau der richtige. Morgen 10 Uhr. Wie sieht's aus?" Ich habe geantwortet, dass ich unterwegs bin, dass ich auch etwas getrunken habe und auf gar keinen Fall morgen um 10 Uhr in der Lage sein werde, mit Serena zu spielen. Also habe ich abgesagt. 45 Minuten später hat es aber wieder geklingelt. Er hatte niemand anderen gefunden. Letztendlich habe ich gesagt: "Scheiß drauf, dann mache ich es halt." Am nächsten Tag haben wir im Olympiapark gespielt und nach vier, fünf Tagen hat es ihr offenbar so gut gefallen, dass sie mich gleich zu den French Open mitgenommen hat. Das war der Anfang von acht Jahren an der Seite von Serena.
Bajin: "Ich konnte das nur machen, weil ich kein eigenes Leben hatte"
Und es wurdeeineunglaublichinnigeBeziehung.
Bajin: Ich war selbst verwundert, wie schnell das ging. Anfangs dachte ich, dass sie einen vielleicht nicht sofort so tief in ihre Welt reinlässt, aber wir waren sehr schnell so vertraut, dass sie mir anbot, bei ihr zu wohnen. Plötzlich stand ich bei Serena im Wohnzimmer und sah die ganzen Trophäen - da war ich erstmal baff. Ich habe mir dann aber auch wirklich den Hintern aufgerissen. Ich hatte wirklich kein Sozialleben, ich war 24 Stunden am Tag für Serena da. Wenn Serena in den Urlaub geflogen ist, bin ich mitgeflogen.
Sie könnte ja Lust auf Tennis bekommen.
Bajin: Ich bin dabei für den Fall, dass sie an Tag vier des Urlaubs vielleicht ja doch trainieren will. Ich erinnere mich noch an einen Urlaub, da haben wir auf Pferden die Insel erkundet. Serena und ihr Freund wie die Turteltauben vorneweg und ich habe mich in der Zeit dahinter mit meinem Pferd unterhalten. Und, was machst du so heute Abend? (lacht) Es war irgendwie schön, aber ein Privatleben hatte ich nicht. Wenn Serena zum Einkaufen gegangen ist, bin ich auch zum Einkaufen gegangen. Wenn Serena auf ein Konzert gegangen ist, bin ich auch aufs Konzert gegangen. Ich bin für diese Zeit auch übertrieben dankbar, weil ich unglaublich tolle Sachen erleben durfte, es hat auch Spaß gemacht, aber auf Dauer kannst du so ein Leben nicht führen. Ich konnte das nur machen, weil ich kein eigenes Leben hatte. Ich habe mein Leben komplett ihr gewidmet.
Sie haben mal gesagt, dass Serena mehrüber Sie weißalsIhreeigene Mutter.
Bajin: Absolut. Mit der Zeit kann ein so enges Verhältnis auch kompliziert werden, weil man sich irgendwann unprofessioneller verhält und Sachen sagt, die man sonst nicht sagen würde. Einfach weil man so freundschaftlich verbunden ist und denkt, es sei okay. Aber dennoch war ich der Angestellte und Serena die Chefin. Aber hey, ich würde die Zeit mit Serena gegen nichts auf der Welt eintauschen und alles genau so wieder machen. Es war eine gigantische Erfahrung.
Welcher Aspektistdennals Coach der wichtigere? Eher das Tennisspezifische, odereher die Rundherumbetreuung?
Bajin: Das hängt extrem von der Spielerin ab. Es gibt Mädels, die dich nur auf der Anlage und auf dem Platz sehen, dich aber auf keinen Fall beim Abendessen dabei haben wollen. Weil sie immer automatisch an Tennis denken, wenn sie mich sehen und das vermeiden wollen. Das kann ich auch verstehen. Und dann gibt es Spielerinnen, mit denen du auch abseits des Courts viel Zeit verbringst. Als Beispiel: Naomi und ich haben uns von November 2017 bis November 2018 ganze 13 Tage nicht gesehen. 13 Tage. Selbst an freien Tagen sind wir als Team ins Kino gegangen, oder haben sonst etwas unternommen. Ich würde von mir behaupten, dass ich als Coach sehr anpassungsfähig bin und mir das immer geholfen hat, erfolgreich zu sein. Naomi wollte jeden Abend um 19 Uhr zu Abend essen. Mir war das eigentlich zu früh, aber es geht nicht um mich. Es geht nur um sie. Also habe ich meinen Biorhythmus angepasst und wir sind um 19 Uhr zum Abendessen gegangen. Ich muss als Coach bereit sein, alles meiner Spielerin unterzuordnen.
Sie sprechen die Zeit mit Naomi Osaka an, die sehrüberraschendzu Ende gegangenist Anfang des Jahres. Wie bewerten Sie das Ende und die Zeit insgesamtmitetwasAbstand?
Bajin: Ich bin unheimlich dankbar für die Zeit und auch stolz darauf, was wir zusammen erreicht haben. Wir haben außerhalb der Top 70 angefangen und innerhalb von bisschen mehr als einem Jahr ist Naomi die Nummer eins der Welt geworden. Das wird sich so schnell nicht wiederholen lassen. Wenn ich nur an das US-Open-Finale denke, genau für diese Matches und diese Momente, wenn du Teil von Geschichte wirst und auf der ganzen Welt Millionen von Fans zuschauen, lebst du auch als Coach. Ich bin dankbar, dass Naomi mir gefolgt ist und es mir erlaubt hat, ein Teil dieser tollen Reise zu sein. Wir hatten auch unsere Aufs und Abs, es gab zwischendurch auch Phasen, in denen nicht alles Sonnenschein war, aber auch das gehört dazu.
gettyBajin: "Dann gibt es eben kein Weihnachten, keinen Geburtstag, keine Hochzeit"
Es fällt auf, wieviel auf der Damen-Tour der Coach gewechseltwird.
Bajin: Ich kann es mir selbst nicht so richtig erklären, warum in den letzten vier Jahren so ein Trend entstanden ist. Wenn ich an mich denke, hatte ich einige Male auch Pech. Vika Azarenka ist schwanger geworden, Sloane Stephens hat sich verletzt, diese Dinge passieren, aber die Rotation hat zugenommen, das ist offensichtlich. Mein Ziel ist immer eine langfristige Beziehung, aber ich bin als Coach von der Entscheidung der Spielerin abhängig. Ich hatte mit Caroline Wozniacki ein tolles Jahr mit sieben Finalteilnahmen und ihrem damals größten Erfolg überhaupt mit dem Sieg bei den WTA Finals 2017, aber warum auch immer wollte sie danach nicht mit mir verlängern. Wir haben uns nicht gestritten und es war völlig in Ordnung, wie es abgelaufen ist, aber natürlich ärgert man sich dann und es trifft einen, wenn man so viel investiert hat. So viel Zeit, aber auch so viel an Emotionen. Bei jeder neuen Spielerin muss ich mich beweisen und ihr zeigen, dass ich mehr tue und härter arbeite als andere Trainer. Kiki weiß nicht, was ich alles für Naomi geopfert habe. Naomi weiß nicht, was ich alles für Caroline geopfert habe. Es weiß niemand, dass ich die Hochzeit meiner Mutter für Sloane Stephens verpasst habe.
Sind es vielleichtmanchmalzuviele Opfer, die man als Coach bringen muss?
Bajin: Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht in einem Club in Palm Beach Privatstunden gebe und so gutes Geld verdiene, aber ich fühle mich immer noch etwas zu jung dafür. Ich habe immer noch Lust, zu reisen und ich habe immer noch Lust, einer Spielerin dabei zu helfen, ihre Träume zu erfüllen. Und wenn ich diesen Job mache, dann mache ich ihn nicht wie andere Trainer nur für 25 oder 35 Wochen im Jahr. Dann mache ich ihn zu hundert Prozent. Dann gibt es eben kein Weihnachten, keinen Geburtstag, keine Hochzeit. Ich bin Mitte 30 und weit davon entfernt, Kinder zu haben oder irgendeine Art von fester Freundin. Es zehrt an mir, wenn ich die Beerdigung des Vaters einer meiner besten Freunde in Kroatien verpasse, es drückt mich nach unten, aber ich will einer der besten Trainer der Welt sein. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das nur geht, wenn ich wirklich mehr leiste und mehr opfere als andere. Das bin ich auch meinem Vater schuldig.
Bajin: "Ich habe auf der Damen-Tour als Coach einen viel größeren Einfluss"
Was macht das Coaching auf der Damen-Tour ausIhrerSichtattraktiv?
Bajin: Ich habe auf der Damen-Tour als Coach einen viel größeren Einfluss. Bei den Herren sind Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer so viel besser als alle anderen, dass es eigentlich nicht möglich ist, die Nummer 40 zu übernehmen und ihn ganz nach oben zu führen. Die Möglichkeiten, was ich mit einem Spieler erreichen kann, sind limitiert. Bei den Damen ist dagegen vieles möglich, man sieht die Resultate der Zusammenarbeit auch schneller. Bei den Damen hängt es unglaublich davon ab, ob sich eine Spielerin gerade in ihrer Komfortzone befindet und vor Selbstbewusstsein strotzt. Deshalb kann ich als Coach viel bewirken, wenn ich mich zu hundert Prozent darauf einlasse und sie emotional stark mache. Das Feld bei den Damen ist so offen, dass es für den Zuschauer einerseits spannend, für den Trainer andererseits aber auch manchmal frustrierend ist, weil in jeder Woche alles drin ist.
Wie besondersisteineSpielerinwie die erst 19-jährige Bianca Andreescu? Sie scheint das gewisseEtwaszuhaben.
Bajin: Andreescu ist das perfekte Beispiel für eine Spielerin, die mental auch mit 19 schon unglaublich weit ist. Wenn sie auf den Platz geht, ist sie total davon überzeugt, dass sie die Beste ist. Dieses Selbstbewusstsein spiegelt sich in ihrer Entschlossenheit und ihren Entscheidungen auf dem Court wider. Da ist kein Zögern erkennbar. Auch wenn sie einen Satz verliert, bleibt sie ihrer Linie treu und macht einfach weiter. Nach einer Verletzungspause zurückzukommen, ist eine der schwierigsten Aufgaben. Und was macht sie? Sie gewinnt sofort in Toronto. Wir brauchen mehr Spielerinnen wie Andreescu, ich bin sehr von ihr begeistert.
Sie scheintauchschon in jungen Jahren die Fähigkeitzubesitzen, selbstLösungenzufinden.
Bajin: Es ist eine der wichtigsten Fähigkeiten für Spielerinnen, dass sie in der Lage sind, sowohl auf als auch außerhalb des Courts mit Problemstellungen fertig zu werden. Deshalb bin ich auch so ein großer Gegner des On-Court-Coachings. Damit wird der Spielerin dieser Gedankengang der Problemlösung genommen. Dazu kommt, dass es bei einem Grand Slam ohnehin nicht erlaubt ist - und dort wollen wir doch am Ende den Titel gewinnen. Das geht nur, wenn du deiner Spielerin Selbstständigkeit beibringst. Sie muss das Gefühl haben, selbst alles überwinden zu können. Sie darf nicht abhängig von mir sein. Ich achte sehr darauf, dass ich im Training, oder auch mal im Fitnessstudio, meine Spielerin in Situationen bringe, die unangenehm sind. Ich will eine Spielerin mit schwierigen Situationen konfrontieren, damit es im Match ein bekanntes Gefühl für sie ist. Denn egal, wie sehr ich ihr helfe, am Ende ist sie auf dem Platz alleine und muss es ohne mich regeln.
Daran anschließend: Sie bringen bald in Japan Ihrerstes Buch auf den Markt, in dem es auch um Mentalcoachinggeht. Wersolltesich dieses Buch kaufen?
Bajin: Es ist an jeden gerichtet, es hat im Grunde gar nichts mit Tennis zu tun. Es geht darum, wie ich mir mein Leben leichter machen kann. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Jeder Mensch geht jeden Tag zur Arbeit und hasst schon alleine den Weg dorthin.
Vollkommenkorrekt.
Bajin: Eben. Mein Tipp lautet: Stehe doch zehn Minuten früher auf und nehme einen Umweg in Kauf, aber dann siehst du etwas Neues. Ich habe das selbst auf der Tour erlebt. Eine der größten Qualitäten der besten Spieler ist es, dass sie Langeweile perfektionieren. Wenn du drei Wochen beim Grand Slam bist und jeden Tag den gleichen Weg vom Hotel zur Anlage und wieder zurück siehst, dann macht dich das fertig. Kommen wir nach einem Grand Slam zum nächsten Turnier, habe ich oft gemerkt, wie viel größer die Motivation plötzlich wieder war. Nur, weil es eine neue Stadt war, ein neues Hotel, ein neuer Platz. Neue Eindrücke machen einen großen Unterschied.
imago imagesBajin: "Tauschen Sie mal die Lampe aus, stellen Sie anderen Fotos auf"
Alsosoll ich morgen eineandere S-Bahn nehmen?
Bajin: (lacht) Ja. Oder fahren Sie doch die ersten vier Stationen mit dem Fahrrad und steigen dann in die Bahn ein. Es kostet vielleicht ein bisschen mehr Zeit am Morgen, aber es lohnt sich. Ähnliches gilt für den Arbeitsplatz. Tauschen Sie mal die Lampe aus, stellen Sie andere Fotos auf. Oder zuhause: Wie viele Menschen wissen, was in Ihrer Matratze drin ist? Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen, wissen aber mehr über den Fernseher als über mögliche Giftstoffe in unserer Matratze. Und dann wundern wir uns, wenn wir schlecht schlafen und akzeptieren lieber Rückenschmerzen, als dass wir etwas ändern. Das gibt es doch nicht. Nach so vielen Jahren auf der Tour weiß ich genau, in welchen Hotels ich gut schlafen kann. Um solche Kleinigkeiten, die eine große Wirkung haben können, geht es in dem Buch in erster Linie.
Wenn wirbeiKleinigkeitensind: Welche Details fehlendennaktuellIhrerSpielerin Kiki Mladenovic zurWeltklasse?
Bajin: Ich bin total davon überzeugt, dass Kiki das Potenzial hat, um jede Spielerin zu schlagen und die größten Turniere zu gewinnen, sonst würde ich auch nicht mit ihr zusammenarbeiten. Daran glaube ich fest. Bei Kiki ist es so, dass sie auf gewisse Weise zu viele Waffen und zu viel Variation in ihrem Spiel hat. An sich ist das ihre große Stärke, aber manchmal wird ihre große Stärke dann auch zur Schwachstelle. Weil sie dann zu viele Möglichkeiten im Kopf hat und den Stopp in einem Moment spielt, in dem sie ihn lieber nicht spielen solte. Oder dass sie ans Netz geht in einem Moment, wo sie besser hinten geblieben wäre. Das versuchen wir gerade in die richtige Richtung zu lenken.
Bajin über die Big Three: "Du musst zur Maschine werden"
Kiki Mladenovic istmit Dominic Thiem liiert. Was trauen Sie ihm in NY zu?
Bajin: Dominic hat das Zeug, den Tennissport in Zukunft zu dominieren. Nicht nur auf Sand, sondern auch auf schnellen Hartplätzen, das hat er mit seinem Sieg in Indian Wells bewiesen. Er ist sicher einer der Favoriten für die US Open und potentiell jemand, der das Turnier auch gewinnen kann, absolut. Dominic ist aber vor allem ein geiler Typ. Ein echtes Vorbild für jeden. Es ist total schön mitanzusehen, was für eine wundervolle Beziehung Kiki und er haben und wie sie miteinander umgehen. So eine Beziehung kann man jedem nur wünschen.
Thiem ist auf jeden Fall einer der Top-Kandidaten, um die unfassbareDominanz der Big Three zudurchbrechen. Was beeindruckt Sie denn am meisten,wennSieanDjokovic,Nadal und Federer denken?
Bajin: Das Zauberwort heißt Konstanz. Und damit meine ich gar nicht die Matches oder das Training. Auch diese Jungs trainieren nicht großartig anders als alle anderen, du kannst Tennis nicht mehr komplett neu erfinden. Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Der Punkt ist, dass diese Jungs jeden verdammten Tag alles zu hundert Prozent machen. Aufwachen, richtig essen, pünktlich beim Training sein, aufwärmen, dehnen, Massage, abends rechtzeitig schlafen gehen. Keiner dieser Jungs sagt auch nur einmal: Heute lasse ich die Massage mal weg und lege mich direkt auf die Couch vor den Fernseher. Du kannst dich jeden Tag für oder gegen die Waffel entscheiden. Novak, Roger und Rafa entscheiden sich immer gegen die Waffel. (lacht) Und zwar an 365 Tagen im Jahr. Nicht an 364 und schon gar nicht nur an 363. Diese Disziplin ist mega-langweilig, aber du musst zur Maschine werden, wenn du auf dieses Niveau kommen willst. Und bei den Damen gibt es mit Serena, oder auch mit Maria Sharapova, ähnlich beeindruckende Beispiele. Das ist Wahnsinn.
Jemand, der genaudaranscheitert, und zwarkolossal, ist Nick Kyrgios. Würde Sie es reizen, ihnzutrainieren, odereher gar nicht?
Bajin: Eher im Gegenteil. Kyrgios zu trainieren, würde mich nicht reizen. Wenn ich schon so viele Opfer bringe, dann will ich das für jemanden machen, der auch bereit ist, all das zu investieren, was ich von ihm verlange. Mich interessiert der Typ, der hart arbeitet, aber aus irgendeinem Grund noch nicht so den Erfolg hat, viel mehr als der Typ, der nicht wirklich Bock hat. Ich bin in keinster Weise in einer Position, ihn zu kritisieren. Es ist sein Leben. Ich habe aber für mich mal entschieden, dass ich nicht eines Tages aufwachen will und mir wünschte, ich hätte mich doch mehr angestrengt. Wird dieser Tag für ihn kommen? Ich hoffe für ihn, er kommt rechtzeitig. Die Entscheidungen im Leben, die du am meisten bereust, sind diejenigen, die du nicht getroffen hast. Wenn du alles probiert hast, kannst du stolz auf dich sein. Aber nochmal, es ist sein Leben. Er muss wissen, was er tut.