Elf Tage hat Novak Djokovic Australien in Atem gehalten. Die Bewertung, ob das gefällte Urteil, seinen Einspruch gegen die Annullierung seines Visums zurückzuweisen, juristisch einwandfrei ist, bleibt den Fachleuten überlassen.
Das ist aber nur ein Punkt. Würde Djokovic ein Mindestmaß an Demut und Empathie in sich tragen, hätte er die Entscheidung nämlich erst gar nicht einem Gericht überlassen. Der 34-Jährige hätte für sein Handeln, sich nicht impfen lassen zu wollen, die Konsequenzen tragen und seine Teilnahme an den Australian Open absagen müssen.
Zur Erinnerung: Australien befand sich 256 Tage im Lockdown, fast 600 Tage hatte das Land die härtesten, häufig als völlig unverhältnismäßig kritisierten Einreiseregeln der Welt und seine Grenzen geschlossen. Familien waren getrennt, zehntausende Australier oder eigentlich down under lebende Menschen im Ausland gestrandet. Nur wenige erhielten eine Einreiseerlaubnis und mussten dann tief in die Tasche greifen und 14 Tage in Hotel-Quarantäne. Als die Einreisebestimmungen etwas gelockert wurden, spielten sich an den Flughäfen im ganzen Land herzzerreißende Wiedersehens-Szenen ab.
Und dann kommt ein Tennisspieler und glaubt ganz selbstverständlich, für ihn würde eine Ausnahmeregelung gelten. Noch dazu einer, der in der Vergangenheit im Umgang mit Corona schon mehrfach seine Ignoranz und Verantwortungslosigkeit unter Beweis gestellt hat.
Djokovic und seine lapidaren Entschuldigungen
So in etwa argumentierte auch der Anwalt der australischen Regierung, Stephen Lloyd, bei der finalen Anhörung in der Nacht auf Sonntag. Australien befürchtete massiven Unmut und Widerstand der Bürger gegen Corona-Maßnahmen, sollte der Impfskeptiker Djokovic im Land bleiben dürfen.
Am 16. Dezember wurde der Djoker nach dem Besuch eines Basketballspiels in Belgrad positiv auf Corona getestet. Sein Verhalten in den Tagen danach: Er besuchte eine Veranstaltung der Post, eine Podiumsdiskussion, ein Event mit jugendlichen Tennisspielern, nahm einen Interviewtermin inklusive Fotoshooting mit der L'Equipe wahr und missachtete die Regelungen seines Heimatlandes, indem er nicht in Quarantäne ging. Obendrein gab er auf seinem Einreiseformular für Melbourne fälschlicherweise an, er sei in den vergangenen 14 Tagen nicht im Ausland gewesen.
In Australien räumte der 20-fache Grand-Slam-Champion zumindest Teile seines rücksichtslosen Verhaltens lapidar mit einer "Fehleinschätzung" und "menschlichen und sicher nicht absichtlichen Fehlern" ein.
Djokovic: Wie narzisstisch kann ein Mensch eigentlich sein?
Der Djoker hätte sich aus Respekt vor den in Australien und weltweit von der Pandemie hart getroffenen Menschen ein kleines Stück weit zurücknehmen können.
Stattdessen machte er ein riesiges Fass auf, suhlte sich auf mitunter widerwärtige Art und Weise in der Opferrolle, unternahm nichts gegen die peinlichen Aufführungen seiner Familie in Belgrad, die ihn ganz bescheiden mit Jesus verglich, und nahm es sogar in Kauf, dass seinetwegen diplomatische Verstimmungen zwischen seinem Heimatland Serbien und Australien entstanden. Wie narzisstisch kann ein Mensch eigentlich sein?
"Ich fühle mich unwohl, dass ich der Fokus der vergangenen Wochen gewesen bin, und ich hoffe, dass wir uns nun alle auf das Spiel und das Turnier, das ich liebe, konzentrieren können", teilte Djokovic nach der finalen Entscheidung am Sonntagmorgen mit.
Nach den Geschehnissen der vergangenen Tage ist auch dieses Statement auf ganzer Linie unglaubwürdig.