Hier könnt Ihr das Match im Liveticker nachlesen.
Rafael Nadal knabberte schockverliebt am Norman Brooks Challenge Cup, der Superstar drückte den wuchtigen Silberpokal der Australian Open immer wieder an sich und platzte nach seinem sensationellen Comebacksieg für die Ewigkeit fast vor Glück. Mit dem magischen 21. Grand-Slam-Titel setzte der Spanier einen Meilenstein der Tennisgeschichte, auf der Tribüne knipste selbst der legendäre Rod Laver Fotos von den historischen Szenen weit nach Mitternacht in Melbourne.
"Vor einem Monat wusste ich nicht, ob ich auf die Tour zurückkehren kann, und jetzt stehe ich hier mit der Trophäe", sagte Nadal, nachdem er den Pokal um 1.30 Uhr in die Höhe gestemmt hatte. Nach dem verwandelten Matchball des 5:24 Stunden langen 2:6, 6:7 (5:7), 6:4, 6:4, 7:5-Finalthrillers gegen den russischen Weltranglistenzweiten Daniil Medvedev vergoss er Tränen der Rührung: "Das wird bis zum Ende meines Lebens in meinem Herzen bleiben."
Nadal steht nun als alleiniger Major-Rekordchampion eine Stufe über Roger Federer und Novak Djokovic, die jeweils 20 Titel vorzuweisen haben. Seine großen Rivalen gratulierten prompt in den Sozialen Medien. "Deine unglaubliche Arbeitsmoral, deine Hingabe und dein Kampfgeist sind eine Inspiration für mich", schrieb der Schweizer Federer. Der Serbe Djokovic, der vor dem Turnier ausgewiesen worden war, wertete Nadals Erfolg als "erstaunliche Leistung" und würdigte ebenfalls Nadals Kämpferqualitäten.
Der Mallorquiner, der auf der Pressekonferenz einmal mehr betonte, es sei für ihn nicht entscheidend, die historische Nummer eins zu sein, konnte kaum erklären, was ihm der Triumph bedeutet. "Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Ich bin einfach nur zerstört", sagte er bei Eurosport. Zum vierten Mal in seiner Karriere und erstmals seit 2007 war er nach einem 0:2-Satzrückstand zurückgekommen - im Finale von Melbourne war dies noch nie einem Profi gelungen.
Für Nadal, der im vieldiskutierten Rennen um die Rolle als größter Spieler der Geschichte vor allem Djokovic einen schwer zu verkraftenden Rückschlag verpasste, ist der nach großen Verletzungsproblemen unverhoffte Triumph ein echter Meilenstein. Er komplettierte auch als erst vierter Spieler nach Djokovic sowie den australischen Ikonen Roy Emerson und Laver seinen zweiten Karriere-Grand-Slam, die Australian Open hatte er zuvor einzig 2009 gewonnen.
Medvedev kritisiert Publikum: "Spiele nur noch für mich"
Es ist die Krönung einer einzigartigen Karriere, die er 2005 bei den French Open, mit dem Sieg im Finale gegen Mariano Puerta, als damals 19-Jähriger so richtig in Schwung brachte. Unglaubliche 13 Titel auf der geliebten roten Asche von Paris sind es mittlerweile, dazu vier bei den US Open, zwei in Wimbledon - und nun eben zwei in Melbourne. Eine unfassbare Leistung.
Medvedev verpasste es dagegen nach seinem Triumph in New York im vergangenen September, sofort den zweiten Majortitel nachzulegen, was noch keinem Spieler seit Einführung des Profitennis 1968 gelungen ist. Für den 25-Jährigen war es in Down Under die zweite Finalniederlage in Folge, im vergangenen Jahr hatte er klar gegen Djokovic verloren, den er auch in der Weltrangliste angreifen wollte. Doch er vergab die Chance, ganz nah an die Nummer eins heranzurücken, was ursprünglich auch der Plan des früh gescheiterten Alexander Zverev war. "Was Rafa heute geleistet hat, ist unglaublich", meinte Medvedev anerkennend.
Auf der Pressekonferenz zeigte sich der Russe aber tief enttäuscht vom Verhalten der Zuschauer, die sich hauptsächlich auf Nadals Seite geschlagen hatten und ihn teilweise mit Zwischenrufen behinderten. "Das ist enttäuschend, das ist respektlos", betonte er.
Als Kind habe er große Träume gehabt: "Das Kind hat heute aufgehört zu träumen." Er spiele von nun an nur noch für sich, seine Familie und seine Freunde: "Wenn es mal ein Hartplatz-Turnier in Moskau gibt, vor Roland Garros oder Wimbledon, dann spiele ich dort, selbst wenn ich deswegen Wimbledon oder Roland Garros verpasse." Und: "Ich weiß nicht, ob ich über meinen 30. Geburtstag hinaus spielen werde."
Nadal macht Djokovic-Posse vergessen
Am Tag nach der großen australischen Party und dem vielumjubelten ersten Heimsieg seit 44 Jahren durch Ashleigh Barty spürte Nadal sofort, wie schwer ein Erfolg gegen Medvedev werden würde. Den ersten Satz dominierte der fast fehlerfreie Russe. Das Publikum im Hexenkessel Rod Laver Arena feuerte Nadal lautstark an, der hatte im Turnierverlauf stets betont, dass der Grand-Slam-Rekord nicht über sein Glück entscheide.
Nach Monaten mit Fußschmerzen und sogar Rücktrittsgedanken hatte er schon nach dem Finaleinzug Tränen der Rührung vergossen. "Eigentlich dachte ich, dass das vielleicht meine letzten Australian Open sind", sagte er nach dem Match: "Jetzt habe ich aber viel Energie, um weiterzumachen."
Der Ausnahmespieler kämpfte verbissen darum, ins Match zu finden. Das gelang - und wie! Immer mehr spitzte sich die Begegnung zu und wurde zu einer echten Nervenschlacht, die Nadal mit großer Klasse im fünften Satz für sich entschied und anschließend hochemotional jubelte.
Das Finale bot Hochspannung und war ein glänzender Schlusspunkt eines Turniers, das zu Beginn lange im Schatten des juristischen Tauziehens um die Einreise des ungeimpften Topstars Djokovic gestanden hatte. Doch das spielte nach Mitternacht in Melbourne keine Rolle mehr.