Das erste Finale steigt für Novak Djokovic schon eine Woche vor dem Start der Australian Open - statt auf dem Centre Court erlebt er es aber in einer kargen Abschiebeeinrichtung in Melbourne.
Die Posse um die Einreise des Tennis-Topstars wird zur Hängepartie, nach dem nächtlichen Drama am Flughafen soll die Gerichtsentscheidung über das abgelehnte Visum des Serben erst nach dem Wochenende fallen. Bis dahin muss Djokovic in einem Hotel für Ausreisepflichtige ausharren.
Einige serbische Fans protestierten am Donnerstag vor dem Park Hotel im Melbourner Stadtteil Carlton gegen die Behandlung ihres Landsmannes und zündeten am Abend Kerzen an, Djokovic bedankte sich am Fenster mit Luftküssen. In der Heimat sprach Präsident Aleksandar Vucic von einer "politischen Hexenjagd" auf den größten Star des Landes, das Außenministerium beschwerte sich beim australischen Botschafter - und Vater Srdjan verglich seinen Sohn gar mit Jesus. Der wiederum kämpft nun mit seinen Anwälten gegen die Entscheidung der australischen Behörden.
Zunächst zumindest mit einem Teilerfolg. Schließlich hatten der Nummer eins der Welt bereits am Donnerstag der Heimflug und damit das Aus für die Titelverteidigung bei den Australian Open (ab 17. Januar) gedroht.
Djokovic: Schlaflose Nacht in Gewahrsam am Flughafen
Es ist nur eine von vielen kuriosen Wendungen in einer jetzt schon irren Geschichte. Mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung für Ungeimpfte wollte Djokovic beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres an den Start gehen - doch der australische Grenzschutz verweigerte dem Major-Rekordchampion die Einreise.
Nach einer schlaflosen Nacht in Gewahrsam am Flughafen mit mehreren Befragungen bekam Djokovic mitgeteilt, dass sein Visum wegen Unstimmigkeiten abgelehnt worden sei.
Djokovics Mutter Dijana zeigte sich auf einer Pressekonferenz im serbischen Fernsehen erschüttert: "Sie halten ihn wie einen Gefangenen, das ist nicht fair und unmenschlich." Die Unterbringung ihres Sohnes sei "schrecklich", erklärte sie: "Es gibt Ungeziefer, es ist dreckig und das Essen ist schrecklich." Man gebe ihm nicht die Möglichkeit, in ein anderes Hotel oder ein von ihm bereits gemietetes Haus zu wechseln.
Nadal und Zverev melden sich zu Wort
Schon die Nachricht über die medizinische Ausnahmegenehmigung für den impfkritischen Melbourne-Rekordsieger hatte in Australien hohe Wellen der Empörung geschlagen.
Superstar Rafael Nadal zeigte am Donnerstag wenig Verständnis für das Chaos rund um seinen großen Rivalen. "Ich denke, wenn er wollte, würde er hier in Australien spielen ohne ein Problem", sagte Nadal.
"Er hat einen anderen Weg eingeschlagen, er hat seine eigenen Entscheidungen getroffen. Und es steht jedem frei, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber dann gibt es Konsequenzen", führte der Spanier aus. Zwar tue ihm Djokovic auch leid, aber "es gibt Regeln, und wenn man sich nicht impfen lassen will, dann kann man Probleme bekommen". Nach Meinung des 20-maligen Major-Siegers habe die Welt "genug gelitten, um die Regeln nicht zu befolgen".
Auch Alexander Zverev äußerte sich. "Am Ende des Tages hätte es geholfen, wenn er geimpft wäre. Aber jeder trifft seine eigenen Entscheidungen. Ich kenne nicht die ganze Situation", sagte der Deutsche: "Er hat ja irgendwie das Visum bekommen, also muss ja ein Grund da sein, warum er sich nicht impfen lassen konnte. Es gab ja auch fünf andere Spieler, die eine Ausnahmegenehmigung bekommen haben, deren Namen wir aber nicht kennen."
Djokovics Vater: "Novak wird gekreuzigt wie Jesus"
Laut australischen Medienberichten sah das von Djokovic beantragte Visum medizinische Ausnahmen für Ungeimpfte nicht vor. Angeblich habe sich der 34-Jährige, der sich schon zu Beginn der Pandemie als Impfgegner positioniert und seinen Impfstatus nie veröffentlicht hatte, auf eine Corona-Infektion in den vergangenen sechs Monaten berufen. Den Behörden reichten die vorgelegten Begründungen für eine Ausnahme von der Impfpflicht aber nicht aus.
"Regeln sind Regeln, besonders, was unsere Grenzen angeht", schrieb Australiens Premierminister Scott Morrison bei Twitter und verteidigte die verweigerte Einreise: "Niemand steht über dem Gesetz."
Serbiens Präsident Vucic unterstützt Djokovic vehement und wittert gar eine Verschwörung: "Wenn man jemanden nicht besiegen kann, dann greift man zu solchen Dingen." Und Vater Srdjan sagte: "Jesus wurde gekreuzigt und hat es ertragen. Novak wird nun auf die gleiche Weise gekreuzigt, er wird durchhalten."
Djokovic-Hotel: Mutter berichtet von Kakerlaken
Mutter Dijana beschwerte sich über die "schreckliche" Unterkunft ihres Sohnes. "Wenn du eine Mutter wärst, wüsstest du, wie schrecklich ich mich fühle. Seit gestern fühle ich mich schlecht, da sie ihn als Gefangenen halten", sagte sie auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Demnach gäbe es "Kakerlaken, es ist dreckig und das Essen ist schlecht", sagte sie. Die Bedingungen im Park Hotel in Melbourne waren in der jüngeren Vergangenheit schon mehrfach kritisiert worden.
Vor den Hotel-Türen kommt es zudem immer wieder zu Protesten. "Stoppt das Folterzentrum" war auf einem der vielen Plakate zu lesen. "Sie halten ihn wie einen Gefangenen. Das ist nicht fair, das ist unmenschlich", sagte die Djokovic-Mutter.
Professorin: Djokovic könnte "für bis zu drei Jahre ausgeschlossen werden"
Eine Professorin für öffentliches Recht an der University of Sydney behauptet nun, dass Djokovic für drei Jahre aus Australien ausgeschlossen werden könnte, sollte sein Visum endgültig abgelehnt werden.
"Er hat nicht das Recht, wegen irgendetwas Berufung einzulegen - er kann nicht sagen: 'Ich bin der beste Tennisspieler, lass mich rein.' Wenn er aus Australien abgeschoben wird, besteht die Möglichkeit, dass er für drei Jahre ausgeschlossen wird", sagte Mary Crooke der australischen News-Agentur NCA NewsWire.
Djokovic müsse nachweisen, dass die Stornierung seines Visums rechtlich falsch war. Derzeit sehe es aber so aus, "als würde alles zugunsten der Regierung Australiens laufen."
Kelly: "Hier wird nicht der Schwanz mit dem Hund wedeln"
Laut der Zeitung Sydney Morning Herald soll der Verband Tennis Australia als Ausrichter des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres eine endgültige Entscheidung in der Causa Djokovic bis spätestens Dienstag wünschen. Der zuständige Richter Anthony Kelly betonte aber bereits, sich nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen.
"Wenn ich es mit dem nötigen Respekt sagen darf: Hier wird nicht der Schwanz mit dem Hund wedeln", sagte Kelly.
Der Krimi um Djokovic ist noch lange nicht am Ende.