French Open, Spieler im Fokus: Es riecht nach einer neuen Ära

21. Mai 202214:42
Iga Swiatek ist die Topfavoritin auf den Titel bei den French Open.getty
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Am Sonntag beginnen die French Open 2022 in Roland Garros. Bei den Herren gesellt sich neben Rafael Nadal und Novak Djokovic plötzlich ein junger Spanier zum Kreis der Favoriten - und das sind keine guten Nachrichten für Alexander Zverev. Bei den Frauen dominiert Iga Swiatek in bester Serena-Manier, Osaka spricht wieder mit der Presse und Angie Kerber will es noch einmal wissen. SPOX zeigt die Spielerinnen und Spieler im Fokus.

French Open 2022: Die Herren im Fokus

French Open - Novak Djokovic: Der König zurück aus dem Exil

Vor sechs Wochen hingen noch dunkle Wolken über dem Djoker: Das Australian-Open-Desaster und die monatelange, selbst auferlegte Corona-Impfverweigerungs-Zwangspause müssen wir hier nicht noch einmal durchkauen, aber die Auftaktniederlage in Monte Carlo gegen Alejandro Davidovich Fokina, als er im dritten Satz körperlich förmlich einging, war schon besorgniserregend. Wenig später kassierte er von Andrey Rublev einen Bagel im Finale von Belgrad.

Was war da los? Von einer Krankheit sprach Djokovic, gab aber keine weiteren Einzelheiten preis. Die gute Nachricht: Er scheint sie endgültig hinter sich gelassen zu haben. In Madrid zeigte er deutlich ansteigende Form und verpasste den Sieg gegen Alcaraz hauchdünn, in Rom gab er dann über das gesamte Turnier keinen Satz ab. Dementsprechend zuversichtlich präsentierte er sich anschließend: "Meine Chancen stehen gut."

Auch mit mittlerweile 35 ist der Serbe immer noch so flink auf den Beinen wie eh und je, die Vorhand klickt wieder - und der Titel im letzten Jahr gibt natürlich Selbstvertrauen ohne Ende. Das braucht er auch: Viertelfinale Nadal, Halbfinale Alcaraz, Finale Tsitsipas - schwerer hätte der Draw nicht ausfallen können.

Auslosung: In Runde 2 könnte Alex Molcan warten. Der Slowake wird mittlerweile von Djokovics langjährigem Erfolgstrainer Marian Vajda betreut.

French Open - Carlos Alcaraz: Schon jetzt der Beste der Welt?

"Er ist derzeit der beste Spieler der Welt", lobte Sascha Zverev, nachdem Alcaraz im Finale von Madrid keine Gnade walten ließ und mit ihm förmlich den Boden aufwischte (6:3, 6:1). Zuvor hatte der junge Spanier Dreisatzsiege über Nadal und Djokovic gefeiert - innerhalb von knapp 24 Stunden, keine große Sache. Sein dritter großer Titel in dieser Saison (zuvor Miami und Barcelona), und um das nochmal herauszustreichen: Carlitos feierte im Mai seinen 19. Geburtstag.

Aber weil er schon jetzt so verflixt gut ist und in den letzten Monaten einen kometenhaften Aufstieg hinlegte, ist er an Sechs gesetzt und ist bei den Buchmachern neben Nole der Topfavorit. Auf der Anlage trainierte er zuletzt übrigens mit dem Djoker höchstpersönlich - wer guckt sich da eigentlich wen aus?

Gewinnt Alcaraz tatsächlich die French Open, hätte er auf einen Satz die "NextGen" um Zverev, Stefanos Tsitsipas und Co. überflügelt - und angesichts seiner Stärken auch auf Hartplatz könnte in diesem Jahr sogar Platz eins der Weltrangliste in Reichweite sein. Noch einmal: Der Junge ist 19! Bitter nur, dass er in der oberen Hälfte mit Rafa und Nole gelandet ist.

Auslosung: In Runde 3 könnte Sebastian Korda warten. Gegen den Amerikaner verlor er überraschend in Monte Carlo.

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French Open - Rafael Nadal: Hält der lädierte Fuß?

Die körperliche Verfassung des Mallorquiners ist eine echte Achterbahnfahrt: 2021 stand er aufgrund seiner chronischen Fußprobleme schon kurz vor dem Karriereende - dann kam er zurück und gewann die Australian Open. In Rom zwickte der Fuß schon wieder dermaßen, dass er sich gegen Denis Shapovalov kaum noch bewegen konnte; sogar eine Paris-Absage stand im Raum.

"Ich habe ein paar Tage gelitten, aber jetzt geht es mir schon besser", verbreitete er auf der Anlage im Bois de Boulogne Optimismus, trainierte problemlos und schien wieder ganz der Alte. Aber die chronischen Probleme wird er im Spätherbst seiner Karriere nicht mehr loswerden - und so sicher kann mich sich nicht sein, dass sie in einem vierten oder fünften Satz plötzlich wieder aufflammen: "Was ist Rom passiert ist, passiert mir sehr oft im Training."

Kann ein Nadal in dieser Verfassung Djokovic, Alcaraz und Tsitsipas am Stück wegräumen? Im Philippe Chatrier ja. Wie sagte doch Zverev: "Irgendwas an diesem Court macht ihn 30 Prozent besser." Bei 13 Titeln ist das noch konservativ geschätzt.

Auslosung: In Runde 2 könnte Stan Wawrinka warten - der einzige French-Open-Sieger neben Nadal und Djokovic im Feld. 2017 trafen sie im Endspiel aufeinander. Nadal gewann 6:2, 6:3 und 6:1.

French Open - Alexander Zverev: Plötzlich Außenseiter

"Das war generell ein schweres Jahr für mich", sagte der 25-Jährige unlängst der Sportschau. Kein Titel, dafür die Disqualifikation in Acapulco und der schaurige Auftritt in München. Aber: Bei den großen Sandplatzturnieren lief es ganz gut. Halbfinale Monte Carlo, Finale Madrid, Halbfinale Rom. Dreimal spielte er in der Vorschlussrunde dabei gegen Tsitsipas (ein Sieg).

Eine weitere Auflage dieses Duells kann es auf der Asche in Paris leider erst im Finale geben, Fortuna war Sascha bei der Auslosung nicht hold. Schon im Viertelfinale droht Alcaraz, danach der Sieger aus Djokovic/Nadal. Da wird der Traum vom Grand-Slam-Titel wohl noch warten müssen.

Wobei er sich diesmal zumindest nicht kampflos ergeben will wie in Madrid, als sein Halbfinale erst tief in der Nacht endete und er im Finale tags darauf wie gerädert spielte. Diesmal würde auf Alcaraz ein ausgeschlafener Zverev warten, der sich vom Jungspund nicht die Butter vom Baguette nehmen lassen will. Und: Der Druck liegt beim Spanier! Es sei "interessant zu beobachten", wie Alcaraz "damit umgehen wird".

Auslosung: In Runde 2 könnte Sebastian Baez warten. Der Argentinier gewann vor drei Wochen in Estoril und steht in der Rangliste auf Platz 38. In Rom siegte Zverev im Achtelfinale (7:6, 6:3).

French Open - Stefanos Tsitsipas: Wann kommt der Durchbruch?

Im Finale 2021 führte der Grieche bereits mit 2:0-Sätzen gegen Djokovic, bevor der das Match noch drehte. Viel fehlt also nicht mehr zum ersehnten Grand Slam auf seinem favorisierten Belag. Auch die Ergebnisse der letzten Wochen waren sehr ordentlich: Sieg in Monte Carlo, Halbfinale Madrid, Finale Rom.

Die Form scheint also zu stimmen - aber ein wirklicher Fortschritt ist bei Tsitsi dann doch nicht zu erkennen. 0:6 verlor er in Rom den ersten Satz gegen den Djoker - und sah dabei richtiggehend hilflos aus.

Die gute Nachricht: In der unteren Hälfte des Draws steht der 23-Jährige fast blank da, der Weg ins Endspiel könnte auf dem Papier kaum einfacher sein. Andererseits: Nole, Nadal, Alcaraz - wer auch immer sich in der anderen Hälfte durchsetzt, wird dann doch klarer Favorit sein. Nicht zu unrecht.

Auslosung: In Runde 1 gegen Lorenzo Musetti. Der führte vor einem Jahr in Paris ebenfalls mit 2:0 Sätzen gegen Djokovic und verlor. Die beiden können ja eine Selbsthilfegruppe gründen.

French Open 2022: Die Preisgelder

AustrittsrundeEinzelDoppel (pro Team)
Sieger2.200.000€580.000€
Finalist1.100.000€290.000€
Halbfinalist600.000€146.000€
Viertelfinalist380.000€79.500€
Runde der letzten 16220.000€42.000€
Runde der letzten 32125.800€25.000€
Runde der letzten 6486.000€15.500€
Runde der letzten 12862.000€-

French Open 2022: Die Damen im Fokus

French Open - Iga Swiatek: Es riecht ein bisschen nach neuer Ära

Noch gar nicht so lange her, da schwebte Iga Swiatek im weißen Gewand halb aus dem Nichts mit unglaublicher Dominanz zu ihrem ersten Grand-Slam-Titel. Oktober 2020 war das, die berühmten verschobenen French Open. Plötzlich war sie Topspielerin - aber auf dem Damenzirkus nur eine von vielen. Letztes Jahr war im Viertelfinale Schluss.

Den Championship Belt trug derweil Ashleigh Barty, aber die ist nicht mehr dabei. Also wieder ein ausgeglichenes, weit offenes Feld? Weit gefehlt! Plötzlich ist Swiatek seit Februar ungeschlagen, gewann fünf Titel in Serie - und verteilte dabei "Bagels" (6:0) und "Breadsticks" (6:1), als gäbe es kein Morgen.

Was macht die 20-Jährige so brutal stark? Sie ist unheimlich gut zu Fuß und schafft es, aus größter Bedrängnis plötzlich in die Offensive zu wechseln. Ihre Topspin-Vorhand ist der beste Schlag auf der Damentour - und natürlich strotzt die Polin, die zwischen den Ohren schon immer extrem abgeklärt war, derzeit vor Selbstbewusstsein.

Nun wird bei den Damen best-of-three gespielt, da kann eine Gegnerin immer mal für zwei Sätze heißlaufen. Trotzdem spielt Swiatek, die auf Sand in dieser Saison einen ganzen Satz verloren hat (!), derzeit in einer eigenen Liga.

Auslosung: Liudmila Samsonova könnte in Runde 3 warten. Die Russin nahm ihr in Stuttgart in einem engen Match einen Satz ab (6:7, 6:4, 7:5).

Iga Swiateks Outfit bei den French Open 2020.getty

French Open - Naomi Osaka: Wie klappt es diesmal mit der Presse?

Der größte Star auf der Damentour ist in Paris keine wirkliche Kandidatin auf den Sieg: Nur zwei Sandplatzmatches hat sie in dieser Saison bestritten, die 24-Jährige kämpfte mit Verletzungen und mag den Untergrund ja ohnehin nicht. Auch die Auslosung hat es mit der auf Ranglistenplatz 38 abgerutschten Japanerin nicht gut gemeint (s.u.).

Spannend wird ihr Auftritt in Roland Garros aber allemal, schließlich kehrt sie an den "Tatort" des Vorjahres zurück: 2021 hatte Osaka vor den French Open verkündet, Pressekonferenzen zu boykottieren. Daraufhin gab es Kritik und Zuspruch gleichermaßen, aber der Druck wurde so groß, dass sie mitten im Turnier zurückzog, ihren Kampf mit Depressionen öffentlich machte und erst einmal pausierte.

Und wie ist es diesmal? "Insgesamt geht es mir größtenteils gut", sagte sie auf einer PK vor dem Turnierstart. Vom Turnier gibt es übrigens eine kleine Hilfestellung: Moderatoren im Presseraum, "damit sich die Spieler nicht unwohl fühlen, wenn immer die gleichen Fragen gestellt werden", wie Turnierdirektorin Amelie Mauresmo erklärte. Ziel: Hier und da "ein wenig gesunden Menschenverstand walten zu lassen."

Auslosung: Amanda Anisimova (USA/27) in Runde eins ist ein Brett. Auf die Amerikanerin war Osaka schon in Melbourne getroffen, Anisimova gewann damals ein packendes Dreisatzmatch.

French Open - Ons Jabeur: Der weibliche Fabrice Santoro

Wer hat das beste Händchen auf der Damentour? Nein, Moment: Wer hat das beste Händchen im Tennis derzeit überhaupt? Wer hier nicht mit der Tunesierin antwortet, der hat wohl schon lange keine Highlights mehr von Ons Jabeur gesehen.

Ernsthaft: Wie die 27-Jährige den Ball bei ihren Stopps einwickelt, ist einfach sagenhaft. Und das mit Vorhand und Rückhand, aus Offensive und Defensive, teilweise sogar im Return. Wunderschön - und ein Alptraum für die Gegnerinnen. Weil Jabeur sich im letzten Jahr auch in anderen Facetten ihres Spiels immer weiter gesteigert hat, hat sie sich in den Top-10 etabliert.

Wenn jemand Swiatek schlagen könnte, dann vielleicht Jabeur. Das Finale ging zwar verloren, war aber deutlich enger, als es die Scoreline (6:2, 6:2) vermuten lässt. "Ich hätte mehr an mich glauben und mehr riskieren müssen", analysierte sie anschließend. Da kommt Freude aufs Rematch auf.

Auslosung: In der 4. Runde gegen Raducanu oder Kerber - so oder so ein echter Leckerbissen.

French Open - Angelique Kerber: Abschiedsvorstellung in Paris?

Okay, die besten Jahre von Angie sind mittlerweile ein bisschen her, mit mittlerweile 34 Jahren ist das auch keine Schande. Trotzdem muss hier einfach noch einmal erwähnt werden, dass Kerber mit drei Grand-Slam-Titeln die zweiterfolgreichste Spielerin ist, die in Paris antritt (hinter Osaka/4 Slams).

Was ist von der Altmeisterin zu erwarten? Wenn es nicht läuft, ist sie mittlerweile von fast jeder Spielerin schlagbar, ein gutes Jahr hat sie nicht zu verzeichnen. Aber: Gerade läuft es wieder viel besser! Beim Vorbereitungsturnier in Straßburg holte sich Kerber nach einem unfassbaren Fight im Finale gegen Kaja Juvan den Turniersieg und kommt so plötzlich doch noch mit Selbstvertrauen nach Paris.

Von einem baldigen Karriereende wollte Angie zuletzt nichts wissen, aber ewig werden wir sie auch nicht mehr auf der Tour sehen. Deswegen: Jedes Match genießen und Daumen drücken! Bald wird Kerber nicht mehr für die deutschen Farben aufschlagen - und dann werden wir feststellen, dass die Lücke, die sie hinterlässt, um ein Vielfaches größer ist als erwartet.

Auslosung: Emma Raducanu könnte in Runde 3 warten. Ein Duell mit der US-Open-Siegerin hätte doch was.

French Open - Barbora Krejcikova: Wie geht es der Titelverteidigerin?

Viel tiefer unter dem Radar fliegen als Krejcikova kann man kaum. Um die Tschechin, die letztes Jahr so sensationell im Einzel und Doppel triumphierte und mit ihrer Würdigung von Jana Novotna zu Tränen rührte, war es zuletzt sehr still. Dabei ist sie immer noch die Nummer zwei der Welt.

Gut, still ist es um die abgeklärte Allrounderin eigentlich immer. Die Ellbogenverletzung, die sie zum Verzicht auf die Sandplatzturnier zwang, tat ihr Übriges. "Ich kann sehr gefährlich werden, wenn ich ein paar Matches gespielt habe", zeigte sie sich optimistisch. Aber: "Ich erwarte nicht viel. Große Erwartungen sind nicht gut für mich." Also: Schaun mer mal.

Auslosung: Tatjana Maria oder Jule Niemeier könnten in Runde drei warten.