Alexander Zverev weiß genau, wovon er spricht, wenn er sagt: "Es braucht viel mehr, um ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, als nur gut Tennis zu spielen." Jahr für Jahr hat er Anlauf genommen in Melbourne, Paris, London und New York - bisher immer vergeblich. Warum also sollte es in Roland Garros ausgerechnet ein Emporkömmling wie der Spanier Carlos Alcaraz schaffen?
Dass der sensationelle Teenager plötzlich zum Top-Favoriten für den Höhepunkt der Sandplatzsaison erklärt wird, stört Zverev. Das berichtete auch sein Bruder Mischa. Die Altmeister Rafael Nadal und Novak Djokovic ganz oben auf den Zetteln der Buchmacher - das lässt sich der extrem ehrgeizige Zverev noch gefallen. Aber Alcaraz? "Nein!" Nicht der auch noch.
"Das war so nach dem Motto: 'Das lasse ich mir nicht gefallen. Jetzt ist meine Zeit gekommen, jetzt möchte ich gewinnen, und ich möchte der Favorit werden und es allen beweisen", erzählte Mischa bei Eurosport. Nur mit Trotz wird es Sascha Zverev allerdings kaum zum Grand-Slam-Sieger bringen. Er muss sich in Paris steigern, denn bisher verläuft seine Saison enttäuschend.
Zwar zeigt die Formkurve nach oben, mit den Halbfinals in Monte Carlo und Rom sowie dem Endspiel in Madrid kann Zverev leben, doch ein Titel sprang bisher im Jahr 2022 noch nicht heraus - und das sei doch "ein bisschen enttäuschend", wie er zwei Tage vor dem Beginn der French Open zugab. Sein "echtes Tennis", das hofft Zverev, werde er endlich in Paris zeigen, wo er in der ersten Runde am Sonntag auf den österreichischen Qualifikanten Sebastian Ofner trifft.
Alexander Zverev möchte sein "echtes" Tennis zeigen
Sein "echtes" Tennis wird Zverev spätestens in einem möglichen Viertelfinale gegen Jungstar Alcaraz zeigen müssen, gegen den er im Endspiel von Madrid entkräftet untergegangen war. Damit wäre der Titel aber noch immer weit entfernt: Ebenfalls in seiner Hälfte des Tableaus - und damit mögliche Hürden im Halbfinale - sind Nadal und Djokovic, für Zverev ohnehin noch immer die heißesten Anwärter auf den Sieg.
"Es ist schon lustig", sagte Zverev, nachdem er den zuletzt angeschlagenen Nadal beim Training beobachtet hatte. In seinem Sandplatzreich Roland Garros, wo Nadal einzigartige 13-mal triumphiert hat, werde dessen Vorhand "plötzlich 20 Meilen schneller, und er bewegt sich leichtfüßiger. Da gibt es etwas auf diesem Platz, das ihn um 30 Prozent besser macht."
Djokovic wiederum finde zurück zu seiner Form, sagte Zverev über den Serben. "Er wird von Tag zu Tag auf Sand besser, und er hat fantastisch in Rom gespielt." Und dann lauert in der anderen Hälfte des Tableaus auch noch der Grieche Stefanos Tsitsipas, der auf Sand nicht zu Zverevs Lieblingsgegnern gehört. Kurzum: Der Olympiasieger ist nur Außenseiter im Kampf um den Coupe de Mousquetaires.
Doch genau darin sieht er eine Chance. Die eigene Erwartungshaltung habe ihn bei Majors manchmal daran gehindert, seine beste Leistung abzurufen. Der Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier sei "das ultimative Ziel", der Druck dementsprechend groß, sagte Zverev und gab diesen direkt einmal weiter an die nächste Generation. Es sei "interessant zu beobachten", wie Carlos Alcaraz "damit umgehen wird".