French-Open-Erkenntnisse: Rafael Nadal zerstört das GOAT-Rennen

Stefan Petri
05. Juni 202220:30
Coco Gauff verlor das French-Open-Finale gegen Coco Gauff.getty
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Rafael Nadal ist zum 14. Mal der König von Roland Garros - das erhoffte große Endspiel gibt es allerdings nicht. Ist das GOAT-Rennen jetzt endgültig entschieden? Bei den Damen wird Siegerin Iga Swiatek zum Problem für die Konkurrenz - aber die Damen-Tour hat noch ganz andere Schwierigkeiten. Die Erkenntnisse zu den French Open.

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French Open: Rafael Nadal und das Draw sorgen für Langeweile

Dass Nadal vor dem Finale haushoher Favorit war, war natürlich keine Überraschung, bei einer Bilanz von 13-0 in Endspielen von Roland Garros (kein einziges Mal über fünf Sätze). Ein bisschen mehr Spannung hatten sich die Zuschauer auf dem Philippe Chatrier aber dennoch ausgerechnet, schließlich hatte Casper Ruud in diesem Jahr schon zwei Sandplatzturniere gewonnen und war auf seinem Lieblingsbelag unterwegs.

Das Finale war dann aber trotz immerhin 2:20 Stunden Spielzeit in etwa so spannend wie das Endspiel der Damen 24 Stunden zuvor. Sechs Spiele ließ Nadal seinem Herausforderer über drei Sätze, Coco Gauff hatte in zwei Sätzen vier Spiele gegen Iga Swiatek gewonnen.

Wirklich strecken musste sich Rafa dabei nicht. Zwei Breaks "schenkte" er Ruud mit Doppelfehlern und uncharakteristischen Unforced Errors, ansonsten spielte er seinen Stiefel runter, garniert mit dem einen oder anderen Zauberschlag natürlich. Aber schon früh war klar, dass Ruud die Schwächen seiner Rückhand nicht würde kompensieren können. So saugte Nadal die Spannung unbarmherzig aus dem Match. Und am Ende ging Ruud dann auch die Luft aus, der Norweger verlor elf Spiele in Folge.

Man fühlte sich an das Wimbledon-Finale 2021 erinnert, als Novak Djokovic Ähnliches mit Matteo Berrettini anstellte: "Oh, du hast eine Schwäche? Dann nutze ich diese rücksichtslos aus." So wie in vielen French-Open-Endspielen zwischen Nadal und Roger Federer - nur waren die auf etwas höherem Level.

Das schmälert Nadals Leistung nicht, im Gegenteil. Auch ein durchschnittlicher Rafa ist in diesem Turnier, in diesem Stadion, einfach ein gigantisches Hindernis. Sein Spiel ist so perfekt maßgeschneidert für den Belag und 99 Prozent aller Gegner, dass sich nach Routine anfühlt, was ganz bestimmt keine Routine ist.

Wirklich strecken musste sich Nadal in diesem Turnier aber dennoch, mehrfach sogar, schließlich warteten vier Top-10-Spieler auf dem Weg zum Titel. Fünf Sätze gegen Felix Auger-Aliassime, vier gegen einen dann doch erstaunlich wackeligen Djoker und natürlich die zwei brutalen Sätze gegen Alexander Zverev, die mit dessen bitterer Verletzung endeten.

Der mittlerweile 36 Jahre alte Mallorquiner, er war in diesem Jahr definitiv schlagbar. Dass das Finale dann den Vibe und die Scoreline eines Erst- oder Zweitrundenmatches hatte und nicht Djokovic, Zverev oder auch Shooting-Star Carlos Alcaraz warteten, lag am extrem unausgeglichenen Draw, welches das Quartett in die gleiche Hälfte befördert hatte. Es gab Zeiten, da wurde die Setzliste nicht streng nach Weltrangliste erstellt - das hätte in diesem Fall für einen spannenderen letzten Turniertag gesorgt.

French Open: Iga Swiatek ist ein Problem für das Damentennis

Es ist erst vier Monate her, da war Ashleigh Barty nach ihrem Sieg bei den Australian Open das Nonplusultra im Damentennis und gefühlt zwei Level über der Konkurrenz anzusiedeln. Dann erklärte die sympathische Australierin aus heiterem Himmel mit nur 25 ihren Rücktritt - und die WTA stand plötzlich ohne Galionsfigur da.

Auftritt Iga Swiatek: Weil sich Barty direkt aus der Weltrangliste streichen ließ, übernahm sie im Februar die Spitze des Rankings. Und hat seitdem nicht mehr verloren. Ihre 35 gewonnenen Matches in Folge sind die längste Serie auf der Damentour seit Venus Williams im Jahr 2000. Es gibt Überlegenheit, es gibt Dominanz - und es gibt das, was Swiatek derzeit veranstaltet.

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Vor zwei Jahren hatte die Polin das damals im Herbst ausgetragene Turnier als ungesetzte Spielerin gewonnen, ohne Satzverlust und ähnlich überlegen. Aber damals ließ sich das noch als "Markenzeichen" der extrem volatilen WTA-Tour einordnen, wo ja immer wieder Spielerinnen aus dem Nichts zum Titel marschieren (siehe Emma Raducanu bei den letzten US Open). Und in der Tat konnte Swiatek seitdem ja auch kein Grand Slam mehr gewinnen.

Bis jetzt. Nach diesem Auftritt ist Swiatek nicht nur kein "One-Slam-Wonder" mehr, sie hat ihre Vormachtstellung bei den Damen auch eindrucksvoll untermauert. "2020 dachte ich, ich habe einfach Glück gehabt. Diesmal hatte ich das Gefühl, dass ich es mir auch verdient habe", sagte sie nach ihrem Sieg am Samstag. 2020 hatte sie in sieben Matches 28 Spiele abgegeben, im Schnitt also ein 6:2. Heuer waren es "immerhin" 33 Spiele und sogar ein verlorener Satz. Aber es gab eben auch Bagels und Breadsticks - so viele, dass sich das Internet damit mittlerweile einen Spaß erlaubt.

Wichtig wäre es für die WTA, dass sich nun eine Rivalin für Swiatek findet. Ob Serena Williams noch einmal angreifen kann, wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher, Naomi Osaka ist nur auf Hartplatz eine Bedrohung, kämpft aber derzeit gefühlt mehr mit sich selbst und dem Rummel als mit der Filzkugel. Konstanz ist bei den Damen derzeit ohnehin eher ein Fremdwort (siehe unten).

Ein besseres Aushängeschild als Swiatek könnte man sich dennoch nicht wünschen. Und: Sie ist erst 21. Gut möglich, dass die Serie auch in Wimbledon hält, selbst wenn sie dort bislang nicht über die 4. Runde hinausgekommen ist.

French Open: Rafael Nadal zerstört das GOAT-Rennen

112:3 lautet die einfach nur noch absurde Bilanz Nadals auf der roten Asche von Paris. 335:34 bei den Sätzen, 24 Sätze mit 6:0. Er ist der älteste Sieger in der Geschichte des Turniers und hat dort allein so viele Grand Slams gewonnen wie Pete Sampras in seiner Karriere. Und der hielt vor ein paar Jahren noch den All-Zeit-Rekord.

Der gehört seit den Australian Open natürlich Nadal, und jetzt hat er noch einmal vorgelegt: 22 Slams, gegenüber 20 bei Djokovic und Federer. Unfassbar, dass der Djoker im letzten September beim US-Open-Finale nach seinem 21. Slam griff - und Nadal zu diesem Zeitpunkt angesichts seiner chronischen Fußprobleme kurz vor einem Karriereende stand.

Jetzt müsste Nole schon in Wimbledon und New York zuschlagen, um ausgleichen zu können. Stand jetzt ist ja mehr als unklar, ob er bei seinem Lieblingsturnier in Australien im nächsten Jahr überhaupt an den Start gehen darf - und dann stünden ja schon wieder die French Open an.

Was Roger Federer angeht: Bei ihm wäre es schon ein großer Erfolg, wenn wir ihn überhaupt noch einmal auf der Tour sehen.

Ist das GOAT-Rennen damit entschieden? Man will den Deckel nicht zu früh drauf machen, allein schon deshalb, weil Djokovic vor neun Monaten schon mehr oder minder gekrönt war. Wer weiß, wie lange Nadal mit jetzt 36 Jahren noch spielt - und wie lange sein serbischer Rivale in der Weltspitze mithalten kann. Das eine oder andere Jährchen mit Sicherheit noch.

Aber wer würde schon dagegen wetten, dass Nadal nicht noch ein oder zwei French-Open-Titel in sich trägt - immer vorausgesetzt, sein Körper macht irgendwie mit -, von den übrigen Slams ganz zu schweigen? Stand jetzt gibt es weniger ein GOAT-Rennen, sondern einen GOAT. Und der heißt Rafael Nadal.

French Open: Das Damentennis braucht mehr Argumente

Es gibt Beobachter, denen kann man es einfach nicht recht machen: Wird die WTA-Tour von einer Spielerin dominiert, z.B. Serena Williams, ist alles viel zu vorhersehbar und deshalb langweilig. Herrscht Abwechslung vor und es finden sich in jedem Grand-Slam-Halbfinale neue Gesichter, fehlt die Konstanz - alles ist viel zu chaotisch und deshalb langweilig.

Fakt ist: Mit Iga Swiatek hat die Damentour einen potenziellen Superstar an der Hand, ein Gesicht, das den Sport prägen kann. Sie spielt nicht nur sensationelles Tennis - ultra-aggressiv, mit Härte und Spin, aber auch mit Varianten, mit nahtlosen Wechseln von Defensive zu Offensive -, sondern gibt klare Interviews, ist extrem sympathisch und hat die Nerven für die große Bühne. Seit Monaten spielt sie mit blau-gelber Schleife an der Kappe, sprach auch in ihrem Sieger-Interview über den Krieg in der Ukraine. Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab die Damen-Konkurrenz in Paris aber ein - formulieren wir es vorsichtig - wackeliges Bild ab. Eine Top-Spielerin nach der anderen strich früh die Segel, nach drei gespielten Runden war aus den Top-10 nur noch Swiatek vertreten. Klar, die WTA hat keine "Big Three" zu bieten, ohne Serena nicht einmal eine "Big One". Aber die unglaubliche Breite im Feld - und die ist tatsächlich höher als bei den Herren - lässt sich nur bis zu einem gewissen Punkt vermarkten. Es braucht Stars, die konstant abliefern - denn sonst sind es eben keine Stars, sondern nur Sternschnuppen.

Natürlich ist es doppelt bitter, wenn die ehemalige Nummer eins der WTA dann auch noch in den Rücken fällt. Als Turnierdirektorin Amelie Mauresmo danach gefragt wurde, warum die Damen in der Ansetzung in Paris eher stiefmütterlich behandelt wurden, erklärte die ehemalige Wimbledon-Siegerin deren Matches mal eben für "weniger attraktiv". Ein Sturm der Entrüstung folgte, Mauresmo musste zurückrudern.

Dafür, dass das Herrentennis derzeit die größeren Stars bietet und Rechtehalter Amazon Prime in der Night Session bei nur einem Match lieber Herren und ihre Best-of-five-Matches sehen wollte, dafür kann Mauresmo nichts. Trotzdem gehört zu ihrem Job natürlich auch Öffentlichkeitsarbeit - und die Aufgabe, 50 Prozent der gebotenen Matches bestmöglich zu verkaufen. Das gelang ihr mit Sicherheit nicht.

Umgekehrt müssen ihr die Damen natürlich auch Argumente liefern, und zwar auf dem Platz. Swiatek, nach Mauresmos Aussagen befragt, verwies darauf, dass die Unvorhersehbarkeit bei den Frauen auch Zuschauer anziehen könne. Wenn die Statistik allerdings besagt, dass es in den letzten 21 Slams (seit den Australian Open 2017) bei den Damen im Schnitt nicht einmal ein einziges Match zwischen zwei Top-10-Spielerinnen gab (0,9), lässt das tief blicken.

Die Weltrangliste ist ebenfalls unbestechlich. Dort hat Swiatek aufgrund ihrer überragenden Siegesserie mittlerweile eine riesigen Vorsprung. Aber nach den French Open wird Anett Kontaveit die neue Nummer 2 sein. Die Estin hat in ihren letzten sieben Slams kein einziges Mal die dritte Runde überstanden, in Paris war schon nach dem Auftaktmatch Schluss.

Das ist weniger Kritik an Kontaveit, sondern soll verdeutlichen: Wenn eine derartige Bilanz - ein WTA-1000-Turnier hat sie ebenfalls noch nie gewinnen können - nominell zur zweitbesten Spielerin der Welt ausreicht, hat die Tour ein Problem. Und dafür kann auch eine Mauresmo nichts.

Die wichtigsten Rasenturniere vor Wimbledon

TurnierGeschlechtDatum
StuttgartHerrenab 06. Juni
HalleHerrenab 13. Juni
QueensHerrenab 13. Juni
BerlinFrauenab 13. Juni
EastbourneFrauenab 19. Juni
Bad HomburgFrauenab 19. Juni
WimbledonHerren/Frauenab 27. Juni