SPOX: Sind Sie als Kind in den Zaubertrank gefallen?
Heinz Ollesch: (lacht) Das hat man mich schon häufiger gefragt. Aber irgendwie war es ja auch so ähnlich. Ich war schon in der Schule immer einer der Größten und Stärksten. Das war völlig normal.
SPOX: Wie ein Zaubertrank klingt auch Ihr Ernährungsplan, den Sie auf Ihrer Website veröffentlichen.
Ollesch: Das meiste davon sind Eiweißpräparate. Das ist unser Grundnahrungsmittel, weil es der Körper nicht speichern kann. Kohlenhydrate und Fette kann der Körper speichern, wenn das Eiweiß aber aufgebraucht ist, dann baut der Körper Muskeln ab. Deshalb braucht man alle drei Stunden Nachschub. Andere Präparate sind spezielle Aminosäuren und schnelle Kohlenhydrate, um die Regeneration zu beschleunigen. Denn unsere Formel lautet: Je schneller man regenerieren kann, desto mehr kann man trainieren, desto stärker wird man.
SPOX: Halten Sie sich jetzt, drei Jahre nach dem Karriereende, noch an Ihren Plan?
Ollesch: Um Gottes willen! Wenn ich heute noch so viel essen würde, wäre ich mindestens 15 Kilo schwerer, das wäre ja ein Wahnsinn! Damals hatte ich sechs volle Mahlzeiten am Tag, dazu kamen noch Power-Shakes vor und nach dem Training. Das war schon eine Menge. Wenn man im Leistungssport aber etwas erreichen will, muss man sich entsprechend ernähren.
SPOX: Schmeckt das alles?
Ollesch: Es gibt schon ein paar Dinge, die nicht so gut sind, aber das meiste schmeckt mir. Meinen Eiweißdrink mit Haferflocken trinke ich morgens schon seit über 20 Jahren - und ich bin es noch nicht leid. Ich habe aber auch immer den Vorteil gehabt, dass ich leicht zunehme. Andere Athleten haben damit Probleme und müssen das Essen reinschaufeln, obwohl sie keinen Hunger haben, um nicht abzunehmen. Dann kann essen zur Plage werden.
SPOX: Was muss man denn außer einem Ernährungsplan noch haben, um ein erfolgreicher Strongman werden zu können?
Ollesch: Der Körperbau darf nicht zu filigran und zu klein sein. Ein Läufertyp wird nie im Leben ein Strongman werden, weil der Knochenbau das gar nicht aushält. Die Belastungen sind extrem.
SPOX: Nichts für Kinder im Wachstum. Ab welchem Alter kann man überhaupt anfangen zu trainieren?
Ollesch: Das kommt auf die Art des Trainings an. Wenn jemand sinnlos trainiert, kann er sich in jedem Alter zurichten. Bei mir im Juniorcup fangen die Schüler schon mit 13 Jahren an. Aber die machen nichts auf Maximalkraft. Das wäre im Wachstum Gift. Bei denen geht es eher um Ausdauer und Geschicklichkeit. Ab 18 Jahren kann man dann mit dem härteren Training anfangen. Die Stärksten von uns sind meistens zwischen 25 und 30 Jahren alt, weil es unheimlich lange dauert, bis man eine Basis aufgebaut hat. Bei uns rechnet man mit mehr als sechs, sieben Jahren, bis man international halbwegs mithalten kann.
SPOX: Sie haben mit 17 Jahren angefangen, voll zu trainieren.
Ollesch: Stimmt, allerdings noch nicht mit dem Ziel, Strongman zu werden. Das kannte ich nur aus dem Fernsehen, und die Leistungen, die die gebracht haben, waren für mich unerreichbar. Ich wollte einfach trainieren. Arnold Schwarzenegger war damals mein Vorbild, meine Leitfigur. Aber ich habe schnell herausgefunden, dass ich fürs Bodybuilding nicht die richtige Genetik hatte.
SPOX: Gab es als Kind keine anderen sportlichen Interessen?
Ollesch: Ich habe auch Fußball gespielt, aber das war nie so richtig meins. Mit neun Jahren kam Fingerhakeln, eine typisch bayerische Geschichte, zu der ich mein Vater gebracht hat. Mit dessen Geräten habe ich dann auch angefangen, Krafttraining zu machen. Strongman wurde ich dann aber erst mit 24 oder 25.
SPOX: Ihre 3000m-Zeit ist dann wohl nicht so toll, oder?
Ollesch: (lacht) Das stimmt wohl. Wobei ich sagen muss, dass ich zu Anfang meines Trainings immer auch noch gelaufen bin. Damals war ich aber viel leichter, habe so um die 80 Kilo gewogen. Später hieß es, dass man langsamer Kraft aufbaut, wenn man Ausdauer trainiert, wir hatten ja alle noch nicht so viel Ahnung. Dadurch habe ich das Konditionstraining dann vernachlässigt. Die Kondition bekommt man aber schnell zurück, wenn man erst einmal auf Strongman trainiert. Denn ohne Kondition und vor allem schnelle Regeneration geht bei uns nichts. Dann macht man zwei Disziplinen und ist danach fertig.
SPOX: Sie haben Schwarzenegger angesprochen. Sind Sie ihm schon persönlich begegnet?
Ollesch: Schon ein paar Mal, aber leider konnte ich noch nie mit ihm persönlich sprechen. Vielleicht klappt es ja mal beim Arnold Sport Festival, einem gigantischen Sportevent, der in den USA unter seinem Namen läuft. Dort waren beim letzten Mal über 18.000 Athleten am Start, mehr als bei Olympia. Und da geht es nicht nur um Kraftsport oder Bodybuilding, es geht um alle möglichen Sportarten.
SPOX: Was ist denn der grundlegende Unterschied zwischen einem Strongman und einem Bodybuilder?
Ollesch: Wir trainieren funktionelle Kraft. Das heißt, wir trainieren im Aufbau der Maximalkraft mit weniger Wiederholungen und später gezielt unsere Disziplinen. Ein Bodybuilder macht mehr Wiederholungen und kürzere Pausen, um die Muskeln gezielt zu überlasten und dadurch aufzupumpen. Darum geht es bei uns nicht. Es geht um die pure Kraft.
SPOX: Bodybuilder haben also eher nutzlose Kraft?
Ollesch: Nutzlos würde ich nicht sagen. Bodybuilder stehen eben auf der Bühne und versuchen, einen perfekten Körper zu haben. Schwarzenegger hat seinen Körper wie ein Bildhauer gesehen und versucht, immer wieder an seinen kleinen Schwächen zu feilen. Ich kenne einige Bodybuilder und habe großen Respekt vor deren Training. Was die vor allem in ihrer Diät vor einem Wettkampf über sich ergehen lassen müssen, ist brutal.
SPOX: Wie stellen sich denn Bodybuilder bei Ihren Disziplinen an?
Ollesch: Unterschiedlich. Wir hatten schon einige bei uns zum Training, die gar nicht schlecht ausgesehen haben. Andere waren komplett verloren. Das hängt auch mit der Genetik zusammen. Die einen bauen schon Muskeln auf, wenn sie nur leicht trainieren, andere müssen richtig hart arbeiten. Die kommen bei uns natürlich besser zurecht. Außer in der Diät vor einem Wettkampf. Dann kann man alle Bodybuilder vergessen (lacht).
SPOX: Im Bodybuilding ist Doping ein großes Thema. Wie ist es bei den Strongmen?
Ollesch: Weniger. Wir haben bei allen großen Wettkämpfen Kontrollen und sind noch nie negativ aufgefallen. Bei uns würde Doping auch gar nicht jedem helfen. Wenn man die grundsätzliche Statur nicht hat, wird man nie etwas erreichen.
SPOX: Es fällt auf, dass den Strongman-Sport immer wieder bestimmte Länder dominieren. Wie kommt das?
Ollesch: Das kann ich mir auch nicht richtig erklären. In den 90er Jahren, in denen ich meine beste Zeit hatte, haben die Nordeuropäer alles gewonnen. Dann kamen die Osteuropäer, und jetzt sind es die Amerikaner. Die hatten im letzten Jahr beim World's Strongest Man fünf Athleten im Finale. Das gab es noch nie. Ich erkläre es mir mit dem Stellenwert, den der Sport im jeweiligen Land hat. In den USA bietet die Berichterstattung von ESPN ganz andere Möglichkeiten als bei uns in Deutschland. Wenn es bei uns nur annähernd so wäre wie in Polen zum Beispiel, wo der fünfmalige Weltmeister herkommt, das wäre ein Traum.
SPOX: Gibt es denn Aussichten auf mehr TV-Präsenz in der Zukunft?
Ollesch: Eurosport bringt ja schon internationale Wettkämpfe. Aber momentan laufen Gespräche mit Sport1, auch nationale Wettkämpfe zu übertragen. Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorne.
SPOX: Kann man von dem Sport leben?
Ollesch: Wenn man gut genug ist, schon. Mittlerweile gewinnt man bei den größten Wettkämpfen zwischen 40.000 und 80.000 Dollar Preisgeld. Und man hat bei entsprechender Klasse natürlich auch Sponsoren.
SPOX: Was ist das Verrückteste, das Sie jemals versucht haben?
Ollesch: Am meisten beeindruckt hat vielleicht, dass ich ein Flugzeug gezogen habe. Und es war auch mit das Schwerste. Bis auf einen Eisenbahnwaggon, der war noch schwerer. Aber leichter zu ziehen, weil auf den Gleisen keine Reibung war.
SPOX: Beim Flugzeug-Ziehen gab es aber auch eine Panne.
Ollesch: Das war bei einer Show von RTL. Meine größte Enttäuschung. Wir hatten vorher alles ausprobiert, und in der Probe habe ich das Ding auch gezogen. Dann kam die Sendung - und es ging gar nichts. Später haben sie mir dann erzählt, dass sich nicht alle Bremsen gelöst hatten. Da siehst du danach ziemlich blöd aus. Und ein paar Tage später bist du dann auch noch bei Stefan Raab und musst dir Sprüche anhören wie: "Ein Flugzeug nicht ziehen, das kann ich auch."