UFC

"Man verwechselt uns mit bezahlten Hooligans"

Nick Hein hat in Hamburg einen Sieg gefeiert
© getty
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SPOX: Gerade die körperlichen Belastungen sind ja immens. Wie groß ist das Risiko, das man mit seinem eigenen Körper eingeht, um sich alleine für einen Kampf fit zu machen?

Hein: Ich kann natürlich nur von mir selbst sprechen, aber im Vergleich zur Judo-Nationalmannschaft ist es schon ein extremer Schritt. Was ich damals gemacht habe, ist nicht annähernd zu vergleichen, mit dem was ich jetzt mache. Das gilt für die Intensität, das gilt aber auch dafür, wie das alles durchdacht ist. Ich hatte beispielsweise früher überhaupt keine Ahnung von Diät. Ich bin jetzt als Profi auf einem ganz anderen Niveau, als ich es jemals im Judo in der Nationalmannschaft war. Dazu kommt, dass ich jetzt Profi-Sportler bin. Das heißt, ich mache das wirklich jeden Tag, von morgens bis abends.

SPOX: Ein Vollzeit-Job.

Hein: Man kann es sich, glaube ich, nur schwer vorstellen, wenn man von außen drauf schaut. Ich trainiere in der Vorbereitung drei Mal am Tag und im Sparring geht es schon intensiv zur Sache. Freitags beispielsweise war es so, dass wir Sparring mit zusätzlicher Belastung und wechselnden Gegnern gemacht haben. Das ist eine unglaubliche physische Belastung. Dann hatte ich später teilweise noch Technik-Training, dabei geht es um die speziellen Situationen in den verschiedenen Positionen, die ja beim MMA teilweise unglaublich komplex sind. Abends gab es anschließend noch eine Konditionseinheit. Und vor allem ist das alles strukturiert: Wenn ich überlege, was ich mir früher in meiner Jugendzeit teilweise an Essen reingepfiffen habe - und wie diszipliniert und hochprofessionell das läuft! Natürlich ist das meine Perspektive, die nicht jeder sehen kann, auch viele andere Sportler nicht, die das nicht selbst erlebt haben. Aber das kreide ich auch niemandem an.

SPOX: Gerade aber wenn man das weiß und sich bewusst macht, wie viel Opfer dieser Sport fordert und wie sehr man sich dafür hingeben muss, stelle ich mir vor, dass es jemanden wie Sie umso mehr ärgert, wenn wieder Doping-Vergehen in Ihrem Sport publik werden.

Hein: Ganz ehrlich: Das ist mir scheißegal. Ich sorge dafür, dass ich dopingfrei bin und das ist das Einzige, was mich interessiert.

SPOX: Anderes Thema: Sie sind ja niemand, der vor den Kämpfen die Mega-Show abzieht oder große Reden schwingt. Haben Sie das Gefühl, dass auf der ganz großen Bühne die Show immer wichtiger wird und der Sport in der Folge in den Hintergrund rückt?

Hein: Hm - nicht unbedingt, weil man sich eben bewusst machen muss, dass man so Tickets verkauft. So ist es eben. Alle haben die Pressekonferenz von McGregor gesehen, wo die Flaschen geflogen sind und alle Leute wollten den Kampf sehen. Oder anderes Beispiel: Jeder hat die Promotion von CM Punk gesehen und alle sagen, dass er nicht in der UFC kämpfen sollte. Trotzdem werden sich all diese Leute den Kampf anschauen, weil sie das eben sehen wollen. Man muss das System verstehen.

SPOX: Wie sehen Sie sich darin?

Hein: Ich glaube, dass meine Rolle eine andere ist. Ich bin nicht derjenige, der die Leute polarisieren soll. Das ist nicht irgendwie abgesprochen, aber ich sehe das selbst: Ich bin nicht derjenige, der schockieren und an die Fernseher bannen soll. Man braucht eben auch in Deutschland gerade das, was ich vorhin gesagt habe: die Menschen! Deshalb gefällt es mir, dass ich authentisch sein kann. Ich muss mich nicht geben wie McGregor. Persönlich glaube ich auch gar nicht, dass der McGregor selbst so ist und viele bestätigen das auch. Das ist eigentlich ein ganz feiner Kerl, aber es ist eben eine Rolle, die er gut verkauft und die natürlich auch Verkaufszahlen in die Höhe schnellen lässt. Stellen wir uns doch mal vor, ich würde jetzt vorher sagen: "Ich reiße ihm das Herz raus und werde ihn fressen wie ein Tiger eine Gazelle." Das würde am nächsten Tag in der Zeitung stehen und damit wäre MMA in Deutschland für die nächsten zehn Jahre aber auch wieder ins Abseits gestellt.

SPOX: Gerade was das Sportliche angeht.

Hein: Ganz genau.

SPOX: In Hamburg geht es für Sie jetzt gegen Tae Hyun Bang, einen sehr offensiven Boxer mit großer Reichweite. Können Sie schon irgendetwas zu Ihrer Taktik verraten?

Hein: Also was ich sagen kann: Wir haben uns sehr intensiv auf Schwächen, die er in seinen letzten Kämpfen gezeigt hat, vorbereitet. Ich habe mir seine Videos mehrmals angeschaut - er mag zwar längere Arme haben, aber er muss sie eben auch nutzen. Und wir werden sehen, wie er das am Samstag hinbekommt.

SPOX: Angenommen Ihre Taktik geht auf: Wie groß ist Ihre Hoffnung, mit einem Sieg auf sich aufmerksam zu machen und vielleicht auch das Ranking anzugreifen?

Hein: Klar, das ist natürlich präsent. Aber am wichtigsten ist mir persönlich, dass ich einen Ort gefunden habe, an dem ich mich entwickeln kann. Vorher haben die Leute immer gefragt: "Willst du nach deinem Kampf einen Top-15-Gegner?" Aber ehrlich gesagt, habe ich mich noch gar nicht so weit gefühlt, deswegen habe ich die Antwort auf diese Frage immer vermieden. Mein Ziel ist es, mich so zu entwickeln, dass ich im Ranking auch weiter vorne mitmischen kann. Ich will nicht einfach gegen einen Top-15-Gegner antreten und auf die Fresse kriegen. Ich will so gut sein, dass ich zu Recht in der Top-15 mitspielen kann. Da ist mein Augenmerk drauf. Deswegen bin ich jetzt froh, dass ich an einer Stelle bin, wo ich mich weiter entwickeln kann. Und ich bin sicher, dass ich jetzt die Leistung über die Zeit bringen werde, um in die Top-15 zu kommen. So kann ich die Frage, denke ich, am besten beantworten.

SPOX: Zum Abschluss eine Frage abseits des Sports: Sie haben mit einem ausführlichen Facebook-Post, in dem Sie die Kölner Polizei - immerhin ihre direkten ehemaligen Kollegen - verteidigt und die Sparpolitik rund um die Polizei generell kritisiert haben, rund um die Ereignisse in der Silvester-Nacht in Köln für Aufsehen gesorgt. Hatten Sie dieses enorme Feedback, das Sie dazu bekommen haben, irgendwie kommen gesehen?

Hein: Also wer das kommen sieht, der ist ein Marketing-Genie! Wenn ich wüsste, wie Social Media funktioniert, würde ich noch mehr solche Dinger bringen. (lacht) Nein, natürlich habe ich mich darüber gefreut, aber es war nicht meine Intention, damit so ein Medien-Echo zu erzeugen. Es hat mir einige Türen geöffnet, unter anderem wird im Dezember mein Buch zum Thema "Polizei am Limit" raus kommen und das wird sicherlich für weiteren Gesprächsstoff sorgen. Denn der Facebook-Post war ehrlich gesagt nur der Anfang.

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