Die Medizinerin Alexandra Kofler wirkte sehr ernst. Es sei in der Tat "ums Überleben" gegangen, berichtete sie, die akute Lebensgefahr bei dem schwer gestürzten Ski-Rennläufer Hans Grugger sei aber vorerst gebannt.
Kofler ist die Ärztliche Direktorin am Landeskrankenhaus in Innsbruck, dort liegt Grugger seit Donnerstagnachmittag. Nach seinem Unfall beim Abfahrtstraining auf der "Streif" in Kitzbühel war er in die Uni-Klinik geflogen worden, wegen seiner schweren Kopfverletzungen wurde er dort umgehend operiert, fünfeinhalb Stunden lang und zunächst erfolgreich.
"Gesamtschaden" noch nicht absehbar
Grugger lebt, aber der "Gesamtschaden", stellte Kofler am Freitagvormittag klar, sei noch nicht absehbar. Der 29 Jahre alte Österreicher, der bei seinem furchterregenden Sturz auch noch Rippenbrüche und eine Lungenquetschung erlitt, "schwebt mittelfristig noch in Lebensgefahr". Auch Komplikationen könnten noch auftreten.
"Wir müssen jetzt abwarten. Wir kennen noch nicht das gesamte Ausmaß der Verletzungen", sagte Kofler. Ob und wie schwer das zentrale Nervensystem geschädigt sei, bleibe abzuwarten. Vorerst liegt Grugger im künstlichen Koma, "was er noch lange sein wird", sagte die Neurochirurgin.
Keine 24 Stunden nach Gruggers Sturz wurde auf der "Streif" in Kitzbühel schon wieder ein Rennen gefahren - ein Super-G. Es gab einige haarsträubende Situationen, die den Zuschauern den Atem stocken ließen - vor allem, als der Österreicher Benjamin Raich nur mit einer artistischen Einlage einen schweren Sturz im Zielhang verhindern konnte, ging ein Aufschrei durch die Menge.
Ivica Kostelic aus Kroatien gewann das Rennen und zum fünften Mal in diesem Winter. Der Österreicher Georg Streitberger belegte Rang zwei (0,23 Sekunden zurück) vor Aksel Lund Svindal aus Norwegen (0,28).
Keine Änderung des Kurses
Am Samstag soll die Abfahrt auf der vielleicht gefährlichsten Strecke der Welt gestartet werden. Eine Änderung des Kurses wird es nicht geben, auch nicht beim Sprung in die "Mausefalle" wenige Sekunden nach dem Start, der Grugger im ersten und einzigen Trainingslauf zum Verhängnis wurde.
Es gebe keinen Grund für etwaige Modifikationen, sagte Günter Hujara, deutscher Renndirektor des Ski-Weltverbandes FIS. "Es sind 59 Starter gestartet, einer ist gestürzt. Ich möchte das bei Leibe nicht bagatellisieren, es ist schlimm genug, was passiert ist. Wir sind alle noch ziemlich mitgenommen."
Kostelic übte nach seinem Sieg am Freitag allerdings heftige Kritik an den Verantwortlichen des Weltverbandes und des Rennens in Kitzbühel. "Fast jedes zweite Jahr gibt es hier einen beinahe tödlichen Unfall", sagte er. Der 30-Jährige hob hervor, dass der Automobil-Weltverband FIA nach dem tödlichen Unfall des Brasilianers Ayrton Senna 1994 Regeln geändert und die Sicherheit verbessert habe - in Kitzbühel sei man jetzt nicht in der Lage, den Sprung in die "Mausefalle" zu entschärfen. "Das geht nicht. Ich sehe darin keinen Sinn", sagte Kostelic mit ernstem Blick.
"Solche Stürze werden wir nie ganz verhindern können"
Unfälle wie jener von Grugger gehören zum alpinen Ski-Rennsport dazu, im Falle des Österreichers ging dem Sturz eine falsche Einschätzung der Anfahrt zum Sprung in die "Mausefalle" voraus.
"Es sind oft kleine Fahrfehler, die zu solchen Folgen führen. Da kann man dann in einer solchen Situation nichts mehr korrigieren. Ein Restrisiko bleibt jedem in solchen Situationen", sagte Markus Wasmeier, Doppel-Olympiasieger von 1994, in der ARD. "Solche Stürze werden wir nie ganz verhindern können", stellte die österreichische Ski-Ikone "Herminator" Hermann Maier mit ernster Miene fest.
Allein Grugger hätte den Sturz verhindern können, was die Folgen angeht, stellte sich der österreichische Mannschaftsarzt Herbert Resch die Frage, ob der Helm des Bad Hofgasteiners beim harten Aufprall des Kopfes auf die eisige Piste auch einen ausreichenden Schutz geboten hatte.
"Wir kennen sonst kaum Schädel-Hirntrauma-Verletzungen bei Skifahrern, wenn sie einen Helm tragen", sagte Resch: "Aber es ist passiert. So muss man sich vielleicht fragen, ob die Helme ausreichend sind, oder ob es Schicksal war." Hujara sagte dazu mit ernster Miene: "Es gibt physikalische Grenzen."