SPOX.com traf Geschwindner vor im Athener Teamhotel der DBB-Auswahl.
Der 62-Jährige über Christoph Kamann, Kaffee trinkende Schachlegenden und Nowitzkis nächste Evolutionsstufe.
SPOX: Ist das ein Gag oder warum sprechen Sie eigentlich Chris Kaman ganz deutsch Kamann aus?
Geschwindner: Seine Großeltern kommen aus Deutschland, Chris ist die Abkürzung für Christoph und in Amerika wurde vom Nachnamen einfach ein N abgehackt. Warum soll man ihn nicht Christoph Kamann nennen?
SPOX: Okay, Kamann also. Wieviel Last nimmt er von Dirk Nowitzkis Schultern?
Geschwindner: Es hilft enorm, wenn du jemanden triffst, der das Basketball-Alphabet genauso anständig buchstabieren kann wie man selbst. Christoph Kamann kennt einfach die Tricks und Kniffe aus der NBA, er weiß, wie professionell er sich geben muss. Das vereinfacht die Sache für Dirk erheblich.
SPOX: Ist Kaman auch der Grund dafür, dass Nowitzki im Vergleich zur letzten EM so gut ins Turnier fand?
Geschwindner: Natürlich. Seit Christoph Kamann da ist, bekommt Dirk mehr Freiheiten. Kamann ist einer der - vorsichtig formuliert - fünf besten Center der Welt. Er spielt sehr schlau und weiß seine Physis einzusetzen, zu kämpfen. Davon profitiert Dirk.
SPOX: In Nowitzkis Vorbereitung haben Sie nichts verändert?
Geschwindner: Nein. Wir haben wie geplant unseren Weiterentwicklungsplan verfolgt, damit ihm zur nächsten Saison neue Werkzeuge zur Verfügung stehen. Mindestens zwei bis drei Jahre kann er sich noch weiter verbessern.
SPOX: Was meinen Sie mit "neue Werkzeuge"?
Geschwindner: Das ist zu kompliziert, um das in fünf Minuten abzuhandeln. Es hat mit dem Gesamtkonzept, mit der umfassenden Denke der Sportart zu tun.
SPOX: Nur ein Beispiel.
Geschwindner: Wenn der Kasparow (Schachlegende Garri Kasparow, Anm. d. Red.) mit uns Kaffee trinken würde, muss man sich nur anschauen, wie er die Kaffeetasse hält oder den Zucker einrührt. Ganz anders als ein Amateur. Um solche Unterschiede geht es.
SPOX: Es ist also relevant, wie sich Nowitzki zum Beispiel vor einem Spiel die Schuhe bindet?
Geschwindner: Ganz falsch. Es geht darum, wie ein Sportler mental in ein Spiel reingeht. Schach ist ja auch ein Psychokrieg. Dirk kann etwa im 1-gegen-1 jeden schlagen, aber er hat noch Potenzial, wenn es darum geht, zwei Gegenspieler oder sogar ein ganzes Team zu vernaschen.
SPOX: Wie soll er denn Situationen gegen mehrere Gegenspieler üben, wenn er im Sommer nur mit Ihnen alleine in der Halle trainiert?
Geschwindner: Zu jeder Bewegung gehört ein Gedanke. Und zurzeit geht es um die reine Denke. Darum, dass man den Kopf trainiert - und das kann man ja auch alleine. Ist alles schwierig zu erklären.
SPOX: Vielleicht wird es einfacher, wenn Sie das an dem von Ihnen für Nowitzki entwickelten 7-Stufen-Programm veranschaulichen. Auf welcher Stufe ist er jetzt?
Geschwindner: Dirk bewegt sich in Richtung 6. Früher war es recht simpel, weil es um grundlegende Dinge wie Defense ging, an denen wir gearbeitet haben. Jetzt kommen wir in einen Bereich, in dem es kompliziert wird - aber gleichzeitig auch nicht. Wir machen im Prinzip das gleiche, nur auf einem anderen Denkniveau. Wie bereits gesagt: Alles schwer zu erklären in der Kürze der Zeit.
SPOX: Rick Carlisle, Nowitzkis neuer Coach in Dallas, flog im Sommer extra nach Deutschland, um sich Ihre Trainingsmethoden anzuschauen.
Geschwindner: Ja, für vier Tage. Er sagte uns, was er gerne nächste Saison von Dirk sehen will, und wir haben darüber geredet, wie wir das zusammen erreichen. Der neue Trainer hat eben andere Vorstellungen als sein Vorgänger.
SPOX: Klingt fast, als ob sich Carlisle in Ihre Arbeit einmischt.
Geschwindner: Mit Kompetenzrangeleien hat das nichts zu tun, denn wir wissen, wo Dirk und ich herkommen. Nämlich aus einem Fußball-Land, in dem die höchste Basketball-Spielklasse international ungefähr drittklassig ist. Daher sind wir gut beraten, einem Mann wie Carlisle aufmerksam zuzuhören.
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