Fürste erzählt von einem legendären Treffen mit Ronaldinho und verrät, was es mit dem Rausschmiss aus dem deutschen Haus in Rio auf sich hatte.
Außerdem findet der 36-Jährige klare Worte und erklärt, warum die Olympischen Spiele stattfinden müssen und welches Argument gegen eine Austragung ihn auf die Palme bringt.
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Fürste beschreibt auch, warum Deutschland in Tokio jede Medaille als ein Geschenk betrachten muss und warum die Sommerspiele wieder nach Deutschland kommen sollten.
Herr Fürste, wie kritisch blicken Sie auf die Olympischen Spiele in Tokio, die am 23. Juli eröffnet werden?
Moritz Fürste: Für mich ist vor allem die Sportler-Perspektive entscheidend. Und wenn ich es aus dieser Perspektive betrachte, dann sehe ich in erster Linie ganz viele Athleten, die sich auf eine Once-in-a-Lifetime-Experience freuen. Und dieses einmalige Erlebnis wird es auch trotz der ganzen Umstände sein. Natürlich werden diejenigen, die in Rio schon dabei waren, sagen: Das ist kein Vergleich. Aber das haben wir in London auch schon über Peking gesagt. Olympische Spiele zu haben ist besser als keine Olympischen Spiele zu haben. Ganz einfach. Ich habe aber Verständnis für jede sehr individuelle Betrachtung, sei es von Sportlern, Journalisten oder Funktionären.
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Martin Kaymer hat zum Beispiel abgesagt, weil Olympia unter diesen Voraussetzungen nichts für ihn ist.
Fürste: Wenn jemand wie Martin Kaymer seine Teilnahme dieses Mal absagt, dann verstehe ich das aus seiner speziellen Sicht. Er kann aber mindestens noch in Paris und sogar in L.A. dabei sein - und er hat im Golf auch andere Prioritäten. Sie werden aber keinen einzigen Hockey-Spieler finden, der nicht nach Tokio fahren will. Ich muss außerdem auch ehrlich sagen, dass ich es grundsätzlich nicht verstehe, warum bei den Olympischen Spielen jetzt die ganze Zeit das Corona-Thema diskutiert wird, während es bei der Fußball-EM aus meiner Sicht immer nur eine Randnotiz war. Dabei ist das Thema dort mit zwölf Ländern und der ganzen Reiserei viel größer. Das ärgert mich.
Heißt: Sie sehen es als unproblematisch an, die Olympischen Spiele stattfinden zu lassen?
Fürste: Ich verlasse mich in erster Linie darauf, dass die Menschen, die das zu entscheiden und zu verantworten haben, eine richtige und vernünftige Entscheidung treffen. So wie wir das seit Beginn der Pandemie ja immer machen mussten, auch wenn nicht jeder immer alles nachvollziehen konnte. Aber ja, ich bin der Meinung, dass wir uns in einem Stadium der Pandemie befinden, in dem wir Olympia oder generell Großveranstaltungen statistisch sicher und unproblematisch durchführen können. Mit der entsprechenden Impfquote, mit Quarantäneregelungen, mit Tests, mit einer Bubble - dann ist das möglich. Den einzigen Logikfehler sehe ich darin, dass auch Geimpfte getestet werden müssten, weil sie das Virus ja trotzdem in sich tragen und weitergeben können.
Fürste: "Mit diesem Gefühlsargument habe ich echt ein großes Problem"
Aber man könnte argumentieren, dass Sommerspiele auch im Jahr 2021 inmitten einer globalen Pandemie gefühlt einfach nicht das Richtige sind.
Fürste: Es tut mir leid, aber mit diesem Gefühlsargument habe ich echt ein großes Problem. In Hamburg habe ich auch eine Politikerin gehört, die meinte, dass Politik nicht dazu da ist, mutig zu sein. Darum geht es doch gar nicht. Es muss doch vor allem um Zahlen gehen. Und diese können das Gefühl entweder bestätigen oder eindeutig widerlegen. Wenn wir eine Inzidenz von 10 haben, bedeutet das, dass in einer Gruppe von 1000 Fans eventuell 0,1 Prozent das Virus haben. Eigentlich ist es statistisch ausgeschlossen. Dazu kommt, dass wir doch anfangen müssen, uns nicht so sehr über Inzidenzen, sondern über die Anzahl der schweren Verläufe zu unterhalten. Ich kann die Diskussion überhaupt nicht nachvollziehen. Die Olympischen Spiele können und müssen stattfinden. Wir reden über das größte Sportfestival der Welt, das ganz vielen Sportarten eine Bühne und Aufmerksamkeit gibt. Es ist Fakt, dass viele olympische Sportarten nur alle vier Jahre diese Plattform bekommen. Aber wenn es Olympia nicht mehr gibt, bekommen sie diese Plattform gar nicht mehr. Diese Bedeutung ist nicht zu unterschätzen für die Sportkultur in unserem Land.
Ihre ersten Olympischen Spiele haben Sie 2008 in Peking erlebt. Woran denken Sie zuerst, wenn Sie an Peking denken?
Fürste: Mir kommen sofort die Bilder in den Kopf, wie wir vom Flughafen mit dem Bus ins Olympische Dorf gefahren sind und unsere Akkreditierung abgeholt haben. Wir waren wie Touristen. Wir hatten noch Zeit bis zu unserem ersten Spiel und haben jedes einzelne Gebäude inspiziert. Ich habe vier Tage gebraucht, um die Eindrücke erstmal zu verarbeiten und irgendwie klarzukommen. Ich weiß noch, dass es ein Gaming House gab, in dem wir viel auf einen Basketball-Korb geworfen haben, wie man ihn vom Jahrmarkt kennt. Es gab auch ein Internet-Haus! Das muss man sich heute mal vorstellen.
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Fürste: (lacht) Genau. Auf unseren Zimmern hatten wir kein Internet. Wenn du deine Mails checken wolltest, musstest du extra in dieses Internet-Haus gehen. Sportlich erinnere ich mich natürlich an die Schlachten gegen die Niederlande im Halbfinale und gegen Spanien im Finale, aber insgesamt war Peking extrem viel für mich. Einmal sind wir zu einem Tempel gefahren, aber ich bin im Bus sitzen geblieben und habe gepennt, weil ich so fertig war.
Fürste: "Da saß nur bestelltes Publikum auf den Tribünen"
Und das Publikum war auch speziell, oder?
Fürste: Absolut. Vor allem, weil ich vier Jahre später London erleben sollte. In London war das Hockeystadion voll mit 17.000 Fans und vor allem voll mit Fach-Publikum. Wenn du da im Mittelfeld eine Seitenverlagerung gespielt hast, gab es Szenenapplaus. In Peking haben 6.000 Fans gejubelt und geschrien, wenn der Ball nach vorne durch alle durch ins Tor ging, weil fast keiner die Regeln kannte und alle dachten, das Tor würde zählen. Da saß nur bestelltes Publikum auf den Tribünen, das hast du von der ersten Sekunde an gemerkt.
2012 folgte in London die nächste Goldmedaille, Sie waren damals generell in der sportlichen Phase Ihres Lebens.
Fürste: Es ging 2011 mit dem EM-Titel los, als ich zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. Dann hat mich ein Kreuzbandriss außer Gefecht gesetzt, ich kam aber rechtzeitig zu Olympia zurück, wir holten wieder Gold und am Ende des Jahres wurde ich zum Welthockeyspieler gekürt. Das waren verrückte 16 Monate. London habe ich generell viel bewusster erlebt. Es war auch vieles einfacher. In Peking hattest du wirklich keine Chance, dem Taxifahrer zu erklären, wo du hinwillst aufgrund der Sprachbarriere. In London sind wir auch mal mit der U-Bahn rumgefahren und abends gemütlich Essen gegangen. Wir konnten zu Fuß zum Leichtathletik-Stadion gehen und uns Wettbewerbe anschauen - London war großartig und hatte mit der Einfahrt in den Hamburger Hafen dann auch noch einen wunderschönen, völlig surrealen Abschluss. Ich habe darüber lange nicht mehr nachgedacht, aber wenn ich jetzt an die Bilder denke, bekomme ich Gänsehaut.