Das Aus im Olympia-Viertelfinale lässt einen ganz offensichtlichen Schluss zu: Die Mission von Bob Hanning ist gescheitert. Immerhin war es federführend der DHB-Vizepräsident, der bei seinem Amtsantritt 2013 seine Vision vom Olympiasieg in Tokio offen hinausposaunte und dies in den vergangenen acht Jahren gebetsmühlenartig wiederholte, ob man es nun hören wollte oder nicht.
Klar, anfangs sorgte Hanning mit seinem forschen Auftreten für Aufbruchsstimmung. Die Ergebnisse unter dem von ihm inthronisierten Bundestrainer Dagur Sigurdsson (EM-Titel und Olympia-Bronze 2016) versetzten Handball-Deutschland in Ekstase und luden dazu ein, von weiteren Heldentaten zu träumen. Das jähe Ende der Amtszeit des Isländers mit dem Achtelfinal-K.o. bei der WM 2017 schien nicht mehr als ein Betriebsunfall zu sein.
Es folgten die mäßige Zeit unter Christian Prokop (Platz 9 EM 2018, Platz 4 WM 2019, Platz 5 EM 2020) und die enttäuschenden Ergebnisse unter Alfred Gislason (Platz 12 WM 2021, Viertelfinal-Aus in Tokio). Spätestens jetzt ist klar: Nicht die zahlreichen schwachen Platzierungen der jüngeren Vergangenheit waren ein Versehen, sondern der Titel in Polen und die Medaille in Rio.
Das DHB-Team ist nicht gut genug
Die Qualität der einzelnen Spieler gab Erfolge dieser Art - das ist die späte und bittere Erkenntnis aus den Olympischen Spielen - eigentlich nie her. Wenn die deutsche Handball-Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren über sich hinauswuchs, lag dies immer in einer überragenden Mannschaftsleistung begründet. Und das vor allem in der Abwehr.
Absolute Weltklasse verkörpert im DHB-Team lediglich Hendrik Pekeler im Mittelblock. Im Rückraum - seit Jahren die größte Problemzone - genügt Steffen Weinhold höchsten Ansprüchen. Aber sonst? Spielmacher Philipp Weber kann phasenweise Weltklasse verkörpern, ist aber nicht per se Weltklasse. Andreas Wolff kann Weltklasse halten, ist aber nicht per se Weltklasse. Konstante Leistungen auf allerhöchstem Niveau sucht man in nahezu allen Mannschaftsteilen vergeblich. Kurzum: Die deutsche Mannschaft ist nicht gut genug.
Hanning muss sich deshalb in der Rückschau vorwerfen lassen, mit seiner Vision eine unrealistische Erwartungshaltung geschürt zu haben, die Spieler und Bundestrainer unnötig unter Druck gesetzt haben. Und dieser Druck wurde, je dichter Olympia in Tokio vor der Tür stand, immer größer. Hannings Vision wurde logischerweise zum Maßstab. Nun, da sich seine Zeit beim DHB dem Ende neigt, liegt sein Luftschloss in Trümmern.
Das Ende des deutschen Handballs ist dies freilich nicht. Bereits im Januar bietet sich bei der EM in Ungarn und der Slowakei die Chance, einen Neustart mit mehr Realismus zu wagen. Selbstverständlich und richtigerweise mit Gislason an der Seitenlinie. Denn allen - ob Fans, Medien oder Funktionären ist spätestens jetzt klar: Eine Medaille ist für Deutschland im Handball keine Selbstverständlichkeit. Schon gar keine Goldene.