Come on, Bad Boys!

Felix Götz
02. August 201618:06
Deutschlands Handballer schielen in Rio auf eine Medaillegetty
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Deutschland peilt bei den Olympischen Spielen in Rio die Wiederholung des Coups von Polen an. Doch es gibt Mannschaften, die individuell besser besetzt sind. Wer sind die Medaillenkandidaten, was geht für Katars Weltauswahl? Und wie schlagen sich die Lokalmatadoren? SPOX gibt einen Überblick.

12. Argentinien

Argentinien ist in Rio zwar zum zweiten Mal nach 2012 bei Olympischen Spielen dabei. Die Ergebnisse passten in diesem Jahr allerdings nicht immer. So erlebte die Mannschaft von Trainer Eduardo Gallardo beispielsweise bei den Panamerika-Meisterschaften eine herbe Enttäuschung, als im eigenen Land lediglich Rang drei hinter Brasilien und Chile heraussprang.

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Dennoch hat sich der argentinische Handball in den vergangenen zehn Jahren beachtlich entwickelt. Bei den Weltmeisterschaften 2011 und 2015 reichte es jeweils zu Platz zwölf. In der Gruppe mit Frankreich, Kroatien, Dänemark, Tunesien und Katar sind die Südamerikaner zwar Außenseiter, an einem guten Tag ist es der Truppe aber zumindest zuzutrauen, zum Stolperstein zu werden.

Besonders sollte man die Simonet-Brüder im Auge behalten. Sebastian und Pablo spielen in Spanien und bilden gemeinsam das Herzstück im Rückraum der Nationalmannschaft. Ganz bitter: Mit Diego (Montpellier) fehlt der dritte und beste der drei Brüder. Er zog sich im März einen Bänderriss im Knie zu.

11. Ägypten

Der ägyptische Handball erlebte seine Glanzzeit zwischen 1995 und 2001, als einmal sogar das WM-Halbfinale erreicht wurde. Es folgten einige magere Jahre, doch nun scheinen die Nordafrikaner wieder auf einem guten Weg zu sein. In diesem Jahr wurde Ägypten Afrika-Meister und ist erstmals seit 2000 wieder für Spiele qualifiziert.

Ein Verdienst von Nationalcoach Marwan Ragab, der seit 2013 konsequent auf junge Spieler setzt und so langsam die Früchte dafür erntet. Beim Vierländer-Turnier in Straßburg vergangene Woche zeigte Ägypten gute Ansätze, es wurde aber gleichzeitig deutlich, dass es im Normalfall gegen die großen Nationen noch nicht für Siege reicht. Gegen Deutschland setzte es eine 27:30-Niederlage, gegen Frankreich ein 26:30.

Ein großes Problem ist die fehlende Wettkampfpraxis auf internationalem Top-Niveau. Fast alle Spieler in Ragabs Kader, in dem man Stars vergeblich sucht, stehen bei Vereinen in der Heimat unter Vertrag.

10. Brasilien

Für die brasilianischen Spieler ist es das Highlight schlechthin. Olympia im eigenen Land - was könnte schöner sein? Der spanische Trainerfuchs Jordi Ribera bereitet das Team seit zwei Jahren auf Rio vor und erzielt dabei gute Fortschritte, wie der Triumph bei den Panamerika-Meisterschaften zeigt.

"Wir haben ein junges und sehr gutes Team. Unsere Arbeitsphilosophie ist seit der Amtsübernahme von Jordi gewachsen", sagte Torhüter Maik Santos. Gleich zehn Spieler aus dem Kader verdienen ihr Geld in Europa, sieben davon alleine in der spanischen Liga Asobal.

Der Ausfall vom international sehr erfahrenen Linksaußen Felipe Borges ist derweil ein herber Schlag. Er zog sich bei der Panamerika-Meisterschaft eine Schulterverletzung zu, die noch immer nicht verheilt ist.

9. Tunesien

Obwohl die Tunesier das Finale der Afrika-Meisterschaft gegen Ägypten verloren haben, sind sie etwas stärker einzuschätzen als der zweite afrikanische Teilnehmer. Dabei zeigten sich die Tunesier zuletzt im Angriff in guter Verfassung, die Abwehr weist dagegen oft große Lücken auf. Zudem gibt es Probleme beim Rückzugsverhalten.

Einer der gefährlichsten Spieler der Tunesier ist der Ex-Kieler Wael Jallouz, der beim FC Barcelona spielt und mächtig Druck aus dem Rückraum erzeugen kann. Zudem ist Amine Bannour für Großtaten gut, wie er mit seinen elf Toren im Vorbereitungsspiel bei der 32:38-Niederlage gegen das DHB-Team bewiesen hat.

Ähnlich wie Ägypten versucht Tunesien, über Emotionen ins Spiel zu kommen. Schaffen sie das in Rio, ist womöglich sogar der Einzug ins Viertelfinale möglich.

8. Slowenien

Bei den Slowenen wird es wohl wie immer sein. Sie spielen einen technisch feinen, hochklassigen Handball, sind aber körperlich nicht robust genug und in der Abwehr zu schwach für den ganz großen Wurf.

Hinzu kommt diesmal, dass mit Gasper Marguc, Sebastian Skube, Borut Mackovsek und Klemen Cehte gleich mehrere wichtige Spieler ausfallen. Die Hauptlast trägt Uros Zorman: Der 36-jährige Spielmacher, der in der vergangenen Saison mit Kielce die Champions League gewann, ist das Hirn der Mannschaft von Coach Veselin Vujovic.

Der Einzug ins Viertelfinale sollte gelingen. Dann dürften allerdings Frankreich, Dänemark oder Kroatien warten und eine Nummer zu groß sein.

7. Katar

Formulieren wir es vorsichtig: Bei der WM im eigenen Land 2015 wurden die Kataris nicht gerade von den Schiris verpfiffen und wurden auch deshalb Vize-Weltmeister. Nun muss die aus allen möglichen Ländern zusammengekaufte Mannschaft des spanischen Trainers Valero Rivera zeigen, ob sie auch auf neutralem Terrain den absoluten Topteams gewachsen ist.

Ein großer Vorteil war in der Vorbereitung einmal mehr, dass der Asienmeister von 2016 bei Trainingscamps im In- und Ausland mit Spielen gegen europäische Teams sehr viel gemeinsame Zeit verbrachte und deshalb gut eingespielt sein sollte.

Wirklich auszurechnen sind die Kataris dennoch nicht, wie sich beispielsweise in den beiden Testspielen im März gegen Deutschland zeigte. Einmal ging die Truppe aus dem Emirat mit 17:32 unter, im zweiten Vergleich gelang ein 26:24-Sieg. Die Stützen der Mannschaft sind nach wie vor die Torhüter Goran Stojanovic und Danijel Saric sowie die Rückraumspieler Rafael Capote und Zarko Markovic.

6. Schweden

Jeweils vier WM- und EM-Titel haben die Schweden in ihrer Historie gewonnen. Nur zu Olympischem Gold reichte es bisher nie. Das wird aller Voraussicht nach auch in Rio so bleiben - trotzdem haben die Skandinavier das Potenzial, bei idealem Verlauf für eine Überraschung zu sorgen.

Im Tor sind die Schweden mit Flensburgs Mattias Andersson und Mikael Appelgren von den Rhein-Neckar Löwen stark besetzt. Am Kreis sieht es mit Jesper Nielsen (Paris) und Andreas Nilsson (Veszprem) ebenfalls sehr gut aus. Tobias Karlsson ist in der Abwehr eine Macht.

Fragezeichen wirft allerdings der Rückraum auf. Was hat der frühere Kieler Kim Andersson nach seiner Verletzung drauf? Reicht Flensburgs Jim Gottfridsson als einziger nomineller Mittespieler? Und: Genügen im linken Rückraum Lukas Nilsson, Philip Stenmalm und Jonathan Stenbäcken momentan höchsten Ansprüchen?

5. Polen

Der Stachel der Heim-EM im Januar sitzt immer noch tief. Im letzten Hauptrundenspiel gingen die Polen mit 23:37 gegen Kroatien unter und verpassten den Einzug ins Halbfinale. Talant Dujshebaev ersetzte danach Michael Biegler als Nationalcoach und schaffte mit dem Team die Olympia-Qualifikation.

In Rio setzt Polen weiterhin auf bewährte Kräfte - und vor allem auf die Champions-League-Sieger aus Kielce. Neben Torhüter Slawomir Szmal gehören dazu Krzysztof Lijewski, Bartosz und Michal Jurecki, Mariusz Jurkiewicz und Karol Bielecki, der die polnische Fahne tragen wird.

Obwohl es in der Vorbereitung nicht immer rund lief bei den Polen (unter anderem zwei Niederlagen gegen Katar), gehört das Dujshebaev-Team zu den Kandidaten auf den Einzug ins Halbfinale.

4. Deutschland

Der Europameister nur auf Rang vier? Geht's noch? Bleiben wir auf dem Teppich und vergessen nicht, dass die Leistung des DHB-Teams in Polen eine Sensation war. Individuell sind Frankreich, Dänemark und minimal auch Kroatien besser besetzt. Dass Steffen Fäth und Steffen Weinhold nicht topfit und lediglich als Nachrücker dabei sind, macht die Sache umso komplizierter.

Das zeigte sich zuletzt beim Vierländer-Turnier in Straßburg, als Deutschland beim 19:25 gegen Dänemark deutlich unterlag. Die Dänen zogen anschließend gegen Frankreich den Kürzeren. Dagur Sigurdsson konnte vor allem mit der Wurfquote überhaupt nicht zufrieden sein. "Ich denke, dass wir zurecht von Gold reden", sagte EM-Hexer Andreas Wolff trotzdem.

Hier geht's zum Kader des DHB-Teams

Will Deutschland mit einer Medaille von der Copacabana zurückkehren, ist ein Punkt alles entscheidend: Der Bundestrainer muss es einmal mehr schaffen, aus seinen Bad Boys eine eingeschworene, furchtlose Truppe zu formen. Gelingt das, ist Bronze, Silber oder sogar Gold tatsächlich nicht auszuschließen.

3. Kroatien

Frankreich, Dänemark und Kroatien - was für eine brutale Gruppe! Die Kroaten holten bereits 1996 und 2004 Gold und standen bei jeder ihrer vier Teilnahmen immer mindestens im Halbfinale. Ein Blick ins Aufgebot genügt für die Feststellung: das ist erneut drin.

Domagoj Duvnjak, Ilija Brozovic, Ivan Cupic, Manuel Strlek, Ivan Sliskovic, Igor Karacic - um nur ein paar Namen zu nennen - genügen höchsten Ansprüchen.

Ein Problem könnten die Kroaten derweil im Tor haben. Erstmals seit langer Zeit ist Marko Alilovic nicht mehr dabei, ob Ivan Pesic und Ivan Stevanovic als überragender Rückhalt fungieren können, bleibt abzuwarten.

2. Dänemark

Aus im Viertelfinale bei der WM in Katar, Aus in der Hauptrunde bei der EM in Polen: Nationaltrainer Gudmundur Gudmundsson und seine Dänen stehen am Zuckerhut unter Zugzwang. Qualität im Kader gibt es natürlich genug, um die erste Olympia-Medaille für Dänemark im Handball zu gewinnen.

Mit Niklas Landin (Kiel) und Jannick Green (Magdeburg) bildet ein HBL-Duo das Torhütergespann. Ob auf den Außenpositionen, am Kreis oder im Rückraum mit Superstar Mikkel Hansen - die Dänen sind auf allen Positionen erstklassig besetzt. So gut, dass Hans Lindberg sogar nur als Ersatz mit nach Brasilien reist.

Es bestehen keine Zweifel: Von der Qualität her sind die Dänen ein heißer Kandidat auf die Goldmedaille. Doch die Konkurrenz ist stark - und in der jüngeren Vergangenheit waren die Nordlichter nicht immer zur Stelle, wenn es um alles ging.

1. Frankreich

Es ist vielleicht langweilig. Aber wie zum Teufel sollte man es begründen, Frankreich nicht auf Platz eins zu setzen? Thierry Omeyer, Nikola Karabatic, Luc Abalo und Daniel Narcisse verkörpern schließlich immer noch absolute Weltklasse. Dazu lief die Vorbereitung nahezu perfekt.

"Ich denke, dass wir eine erfahrene und versierte Mannschaft aufbieten werden", sagte Coach Claude Onesta. Und Narcisse erklärte auf die Vorbereitung angesprochen: "Wir haben gezeigt, dass wir gegen hochklassige Gegner da sind und dass wir Druck auf sie ausüben können."

Der Druck auf die Franzosen wird aber ebenfalls groß sein. In der Heimat wird nichts anderes als der erste Platz erwartet - und das nicht ganz zu Unrecht. Machen wir es also kurz: Gold in Rio führt nur über Frankreich.

Das Olympische Handball-Turnier im Überblick