Lauritz Schoof hat es mit dem Doppelvierer ins olympische Ruderfinale am Freitag geschafft. Jetzt hat er die Chance, die Schmach der letzten WM vergessen zu machen, als er dem deutschen Boot die Medaille kostete. Wie er seinen Fehler erlebte und warum ihm die Bezeichnung eines Journalisten peinlich ist, verrät er im SPOX-Interview.
GettySPOX: Herr Schoof, wer sich beim Rudern auskennt, verbindet Ihren Namen mit dem Missgeschick bei der WM vor einem Jahr in Slowenien, das dazu führte, dass der Doppelvierer die Goldmedaille verpasste. Was war passiert?
Lauritz Schoof: Ich habe plötzlich gemerkt, dass sich das Ruderblatt im Wasser "verhangen" hat, in der Rudersprache das klassische "Krebs fangen". Ich wollte das Blatt drehen, habe es dabei aber vertikal gestellt, sodass es sich erst richtig verhangen hat.
SPOX: Für den unbedarften Ruder-Anfänger: Was bedeutet das?
Schoof: Ich bin aus dem Rhythmus geraten und wir bremsten so mitten im hohen Tempo abrupt ab. Mein Versuch, das Blatt aus dem Wasser zu ziehen scheiterte ebenfalls, da der Druck darauf extrem war.
SPOX: Was ging Ihnen durch den Kopf?
Schoof: Ich dachte nur: "So eine Scheiße - das kann jetzt echt nicht wahr sein!" Und als ich dann noch im Augenwinkel bemerkt habe, wie die Australier an uns vorbeizogen, war es ein absoluter Albtraum für mich.
SPOX: Wie haben Kollegen und Trainer nach dem Rennen reagiert?
Schoof: Klar habe ich bemerkt, dass das Team geknickt war - es wäre ja für uns alle der erste WM-Titel gewesen. Aber wir als Mannschaft stehen auf dem Standpunkt, dass wir gemeinsam gewinnen, aber eben auch gemeinsam verlieren. Außerdem war auch der zweite Platz ein Erfolg für uns und der Tenor lautete: "Dann holen wir beim nächsten Mal den Sieg."
SPOX: Ist die Geschichte mittlerweile abgehakt?
Schoof: Ich werde natürlich immer wieder damit konfrontiert. Bei den ersten Rennen danach hat es mich schon beschäftigt und auch jetzt bei Olympia denke ich daran. Trotzdem gehe ich inzwischen gelassen damit um. Es wird meine Leistung im Finallauf jedenfalls nicht beeinträchtigen, da bin ich ganz sicher.
SPOX: Zählt für Sie bei den Olympischen Spielen das Motto "Dabei sein ist alles" oder soll jetzt die Revanche für den verpatzten WM-Endlauf folgen?
Schoof: Nach den Erfolgen der letzten Zeit kann unser Ziel nur eine Medaille sein - ich denke, das sehen alle im Team so. Und ob ich das jetzt mehr oder weniger will, daran hat sich seit dem letzten Jahr nichts geändert. Es sind eben die Olympischen Spiele - natürlich möchte ich da auch etwas gewinnen und wenn es die Goldmedaille werden sollte: umso schöner.
SPOX: Sie haben vier Jahre auf die Olympischen Spiele hingearbeitet. Wie motiviert man sich danach eigentlich weiterzumachen - gerade, wenn der Doppelvierer tatsächlich Gold gewinnen sollte?
Schoof: Damit habe ich mich noch gar nicht auseinandergesetzt. Ich werde mich auf jeden Fall nach Olympia anderen Dingen neben dem Sport wieder mehr zuwenden, in erster Linie meinem Physik-Studium. Ich glaube, dass es für mich ganz gut sein wird, wenn ich vom Sport in diesem Umfang ein bisschen Abstand gewinne. Aber ich werde wieder neu angreifen, das steht fest.
SPOX: Was macht denn ein Olympia-Ruderer, der nebenbei Physik studiert, noch in seiner knappen Freizeit?
Schoof: Ein Hobby, was ich neben dem Sport habe, ist Schlagzeug spielen. Mich begleitet oft der Gedanke, dass ich mich dem mehr widmen sollte, aber es ist zeitlich einfach nicht drin. Ich bin im zweiten Semester, es war heftig, das mit Training unter einen Hut zu bekommen. Das Studium läuft dann eben nebenher. Das muss man sich etwa so wie ein Fernstudium vorstellen.
SPOX: Bringt das Schlagzeug spielen auch etwas für Ihren Sport? Dirk Nowitzki spielt das Instrument ebenfalls, weil es die Koordination fördert.
Schoof: Klar wird die Koordination gefördert: Hände, Füße und Kopf müssen gemeinsam, aber gleichzeitig unabhängig voneinander funktionieren und das lässt sich tatsächlich auf das Rudern übertragen. Gerade, wenn im Rennen die Schlagfrequenz höher geht und man immer im Rhythmus bleiben muss.
SPOX: Wie sind Sie überhaupt zum Rudern gekommen?
Schoof: Mitte Januar 2006 fand in meiner Heimatstadt Rendsburg ein schulübergreifender Wettkampf auf dem Ergometer statt. Es waren einige Jungs dabei, die bereits im Verein ruderten und trotzdem habe ich Werte erreicht, die besser waren. Dort ist einer der Landestrainer aus Schleswig-Holstein auf mich aufmerksam geworden und hat mich zum Leistungssport in Rendsburg geholt. Ich bin dann aber schnell aufs Internat nach Ratzeburg gewechselt.
SPOX: Gab es da Unterschiede zwischen Ihnen und den Schülern, die schon länger dabei waren?
Schoof: Ich wurde tatsächlich immer etwas anders behandelt, war immer etwas außen vor, weil ich kompletter Quereinsteiger war. Den Einstieg ins professionelle Rudern, also Technik und alles weitere, habe ich mir tatsächlich erst in Ratzeburg erarbeitet.
SPOX: Über Sie wurde bereits geschrieben, Sie seien ein "denkender Spitzensportler."
Schoof: (lacht) So ein blödes Zeug! Irgendwo muss ich wohl irgendwann mal etwas gesagt haben, was Journalisten den Anstoß dazu gibt, sich solch eine Bezeichnung auszudenken - aber das ist mir schon echt peinlich. Das klingt viel zu intellektuell. Sicher, ich studiere Physik, aber sonst...
SPOX: Angenommen, Ihre Gesundheit macht keinen Strich durch die Rechnung: Wie lange wollen Sie den Rudersport auf diesem hohen Niveau ausüben?
Schoof: Stand heute denke ich bis 2016. Ab da würde ich im Olympiazyklus denken: 2020 bin ich 30 Jahre alt und würde nur weitermachen, wenn ich das Gefühl habe, dass ich das mit meiner Gesamtsituation vereinbaren kann - andernfalls nicht. Ich habe sonst die Sorge, dass andere Dinge, eine Familie beispielsweise, einfach zu kurz kommen würden.